Lesen!

Célines Katze

Steiners Essay sind ein Gedankenführer durch das 20. Jahrhundert. Foto: suhrkamp

Lesen!

Célines Katze

Literarische Essays von George Steiner

von Harald Loch  09.05.2011 16:45 Uhr

Vor bald 40 Jahren hat George Steiner im Times Literary Supplement den Begriff »Suhrkamp-Kultur« geprägt. Der so geadelte Verlag veröffentlicht jetzt 17 biografische und literaturkritische Essays des Laudators, die im Laufe eines Vierteljahrhunderts in der Zeitschrift New Yorker erschienen sind.

Steiner ist 1929 in Paris geboren. Seine jüdische Familie stammt aus Wien. Dorthin kehrt er in dem Aufsatz An der schwarzen Donau intellektuell zurück, bespricht Karl Kraus und Thomas Bernhard, dessen misanthropischen Dauerbeschuss Österreichs Steiner um die unbestreitbaren Beiträge »des Dreiecks Wien/Prag/Budapest zur Weltkultur« relativiert wissen will.

stil Stilistisch wunderbar eröffnet wird die Auseinandersetzung mit Louis-Ferdinand Céline, dem genialen Innovator der französischen Literatursprache und unerträglichen Antisemiten: »Die Rezension sollte eigentlich von einer Katze handeln, der berühmtesten, unwiderstehlichsten in der Geschichte der Literatur.« Die Rede ist von »Bébert«, dem Kater Célines, der ihn auf seiner Flucht nach der Befreiung Frankreichs in das Nazi-Exil und nach Célines Begnadigung wieder zurück nach Paris begleitete. »Die großen Tatsachen-Romane haben Bestand. Der Mensch Destouches (Célines bürgerlicher Name A.d.A) bleibt unentschuldbar.« Und dann schließt Steiner mit einem fast versöhnlichen Satz: »Doch selbst in diesem Punkt könnte Bébert sich erlauben, anderer Ansicht zu sein.«

Man liest das Buch wie einen Gedankenführer durch das 20. Jahrhundert: Elias Canetti und Bertolt Brecht, Simone Weil und Samuel Beckett, selbst Albert Speer würdigt Steiner aus einer oft überraschenden Perspektive. Und immer wieder bringt er die Dinge präzise auf den Begriff. In einer Betrachtung über die größten Aphoristiker der Weltliteratur etwa wiegt er E. M. Cioran als zu leicht und urteilt dann: »Doch eine Sammlung dieser Art gibt nicht so sehr zur Frage Anlass, ob der Kaiser Kleider anhat, sondern ob es überhaupt einen Kaiser gibt.«

George Steiner: »Im Raum der Stille. Lektüren«. Übersetzt von Nicolaus Bornhorn. Suhrkamp, Berlin 2011, 272 S., 22,90 €

New York

»Ich schlief zeitweise im Central Park«

»Transformers«-Star Shia LaBeouf erzählt von einem ungewöhnlichen Schlafplatz während der Proben für ein Theaterstück

 09.05.2025

Antisemitismus

Kanye Wests Hitler-Song »WW3« ist Hit auf Spotify

Der Text ist voller Hitler-Verehrung, gleichzeitig behauptet der Musiker, er könne kein Antisemit sein, weil er schwarz sei

 08.05.2025

Statistik

Dieser hebräische Jungenname bleibt der beliebteste in Deutschland

Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat sich für ihre Erhebung die Daten deutscher Standesämter angeschaut

 08.05.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  08.05.2025

Schweiz

Israel warnt vor Reisen zum ESC

Den Eurovision Song Contests in Basel als Jude oder Israeli zu besuchen, könnte gefährlich werden: Das befürchtet Israels Sicherheitsrat und empfiehlt Bürgern Zurückhaltung und Wachsamkeit

 08.05.2025

Geschichte

Kampf ums Überleben

Jochen Hellbeck analysiert in seinem neuen Buch den deutschen Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion und die Rolle ihrer jüdischen Bürger im Zweiten Weltkrieg

von Dmitirj Belkin  08.05.2025

Bergen-Belsen

»Der Holocaust wird als Kulisse benutzt, um Israel anzugreifen«

Menachem Rosensaft ist verstört über ein Theaterstück, in dem die Lage von jüdischen Schoa-Überlebenden in Displaced-Persons-Camps mit der von Palästinensern verglichen wird

von Michael Thaidigsmann  08.05.2025 Aktualisiert

Berlin

Weimer: Antisemitismus in der Kultur als erstes großes Thema

Der neue Staatsminister für Kultur und Medien will an seinem ersten Tag ein Zeichen setzen - und empfängt gleich einen besonderen Gast

 07.05.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  07.05.2025