Hat ein Kunstwerk einen Makel, wenn es in einer Datenbank für potenzielles »NS-Raubgut« auftaucht und Teil einer Interpol-Fahndung ist? Dieser Frage geht der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag anhand des Gemäldes »Kalabrische Küste« des Malers Andreas Achenbach (1815-1910) nach. Ein Kunstsammler zog vor Gericht, weil er sich in seinem Eigentum beeinträchtigt sieht.
Der jüdische Kunsthändler Max Stern hatte das Gemälde den Angaben zufolge 1937 an eine Privatperson aus Essen verkauft, bevor er seine Galerie aufgab und nach Kanada auswanderte. Der Kläger habe das Bild 1999 im Rahmen einer Auktion in London erworben. Es geht in dem Fall nicht darum, dass der Mann das Werk abgeben soll. »Sein redlicher Erwerb des Bildes steht außer Zweifel«, erklärte sein BGH-Anwalt.
SUCHMELDUNG Stattdessen will er, dass sein Eigentum nicht weiter bemäkelt wird, weil Stern das Bild möglicherweise unter Verfolgungsdruck der Nazis verkauft hatte. Treuhänder eines kanadischen Trusts, der den Nachlass des Kunsthändlers verwaltet, hatten eine Suchmeldung für das Gemälde auf der Internetseite der Lost-Art-Datenbank veröffentlichen lassen.
Eine Stiftung mit Sitz in Magdeburg betreibt diese Datenbank, die Kulturgüter dokumentiert, die insbesondere jüdischen Eigentümern unter den Nationalsozialisten entzogen wurden - oder für die ein solcher Verlust nicht auszuschließen ist. Frühere Eigentümer beziehungsweise deren Erben sollen den Angaben zufolge mit heutigen Besitzern zusammengeführt und beim Finden einer gerechten und fairen Lösung über den Verbleib des Kulturgutes unterstützt werden.
INTERPOL Im Rahmen einer Ausstellung des Gemäldes in Baden-Baden erfuhr der Kläger sowohl von der Suchmeldung als auch von einer in Kanada veranlassten Fahndung nach dem Gemälde durch die internationale kriminalpolizeiliche Organisation Interpol. Sollte er in Karlsruhe - wie schon in den Vorinstanzen - mit seinem Antrag auf Unterlassen scheitern, möchte er zumindest, dass die Treuhänder das Löschen der Suchmeldung in der Lost-Art-Datenbank beantragen müssen.
Dort ist die »Kalabrische Küste« seit 29. Juni 2016 vermerkt. Dazu heißt es: »Verlustumstand gemeldet als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut«. Weil das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste nicht Partei in dem Streit ist, äußerte sich die Stiftung nicht dazu. Eine Sprecherin teilte aber mit, dass es schon in der Vergangenheit Verfahren um Datenbank-Einträge gegeben habe. »Wenn diese zwischen Dritten stattfinden, erfahren wir jedoch nicht zwangsläufig davon.« dpa