Finale

Benis Welt

Seit einiger Zeit gehe ich mit einem sefardischen Kollegen joggen. Er ist Franzose und spricht nur gebrochen Deutsch. Ich wiederum habe mein Schulfranzösisch längst verdrängt und beherrsche nur noch ein paar Sätze wie »L’auto de toto est joli« und »Sur le pont d’Avignon, on y danse, on y danse«. Das reicht natürlich nicht für eine conversation. Aber miteinander zu reden ist beim Joggen für uns beide sowieso nicht angesagt. Er hat es mit dem Rücken und ich bekomme nach einem Kilometer mörderische Schmerzen an den Füßen.

komplott Bei unserem letzten Lauf versuchte der Franzose aber doch, so etwas wie ein Gespräch zu beginnen. Etwas drückte ihn: »Was du sagen von Dominique Strauss-Kahn?«, fragte er. »Ein erbärmlicher Schürzenjäger«, war meine Antwort. Die Wörter »erbärmlich« und »Schürzenjäger« waren dem Kollege unbekannt. Aber er fragte nicht weiter nach. Aus irgendeinem Grund wollte er mir sein Herz ausschütten. Es brach richtig aus ihm raus: »C’ est un complot! Il est unschuldig! Absolument!« Ich schaute skeptisch und murmelte etwas wie »Hm,hm.«. »Non, non, il est wirklich unschuldig! Crois moi!« Ich hatte keine Lust zu streiten und stimme ihm zu: »Ja, du hast Recht - verdammte Antisemiten!« Er stoppte kurz und guckte mir dankbar in die Augen: »Oui, c’est vrai! Merci!«Ich hatte mir einen Freund gemacht.

Zu Hause angekommen, duschte ich und überlegte, mir einen neuen Joggingpartner zu suchen. Dann ging ich an meinen Rechner. Ich hatte zwei neue E-Mails. »Strauss-Kahn ist unschuldig« stand in der Betreffzeile. Oh Gott, schon wieder der Franzose! Aber nein, die Mails kamen von zwei jüdischen Freunden, einer aus Deutschland und der andere aus der Schweiz.

island In den nächsten Tagen wurde es noch schlimmer. Selbst sonst relativ vernünftige Leute aus meinem Bekanntenkreis fingen plötzlich an, eine Verschwörung zu wittern. Allmählich begann ich selbst, an ein Komplott zu glauben. Meine Theorie ist diese: Dominique Strauss-Kahn wurde reingelegt. Und zwar von den Isländern.

Die wollten vom IWF 100 Milliarden für ihren Pleitestaat. Deshalb schütteten sie DSK heimlich einen Liebestrank in den Whisky und schickten anschließend die Miss Reykjavik auf seine Hotelsuite, verkleidet als afrikanisches Zimmermädchen. Die Beweise für diese Verschwörung haben die perfiden Nordländer voriges Wochende verbrannt, als ich ihnen auf die Spur kam. Die Asche der Geheimakten wurde als Vulkanausbruch getarnt. Ein Komplott wie bei Dreyfus. Sagen Sie es bitte weiter.

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  21.12.2025

Glosse

Das kleine Glück

Was unsere Autorin Andrea Kiewel mit den Produkten der Berliner Bäckerei »Zeit für Brot« in Tel Aviv vereint

von Andrea Kiewel  20.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Ab jetzt nur noch mit Print-Abo oder Es gibt viele Gründe, auf 2026 anzustoßen

von Katrin Richter  20.12.2025

Musik

Louis-Lewandowski-Festival hat begonnen

Der Komponist Louis Lewandowski hat im 19. Jahrhundert die jüdische Synagogenmusik reformiert. Daran erinnert bis Sonntag auch dieses Jahr ein kleines Festival

 18.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  18.12.2025

Ausstellung

Pigmente und Weltbilder

Mit »Schwarze Juden, Weiße Juden« stellt das Jüdische Museum Wien rassistische und antirassistische Stereotype gleichermaßen infrage

von Tobias Kühn  18.12.2025

Kulturkolumne

Vom Nova-Festival zum Bondi Beach

Warum ich keine Gewaltszenen auf Instagram teile, sondern Posts von israelischen Künstlern oder Illustratorinnen

von Laura Cazés  18.12.2025