Finale

Benis Welt

Es gibt sehr viele tiefsinnige Sprüche über Jerusalem: »Zehn Maß Schönheit kamen auf die Erde herab. Jerusalem bekam davon neun Maß« (Talmud), »Wenn ich dich je vergesse, Jerusalem, dann soll mir die rechte Hand verdorren« (Psalmen) und »Jerusalem, das ist wie die Waschküche von unserem Haus« (B. Frenkel).

Zu beiden, Jerusalem und Waschküchen, habe ich ein zutiefst persönliches Verhältnis. Zu Jerusalem aus den bekannten Gründen (siehe oben), zu Waschküchen, weil ich in einer mein erstes erotisches Erlebnis hatte. Ich war zwölf und schnüffelte an der Unterwäsche von Frau Gerhard, unserer Nachbarin. Sie roch himmlisch nach Jasmin, Frühling, Vanille und Frau Gerhard. Dabei hatte ich in der Waschküche eigentlich nichts verloren. Um meine dreckigen Klamotten kümmerte sich meine Mutter, ich musste lediglich darauf achten, die Socken auseinanderzunehmen, ehe ich sie in den Wäschekorb warf. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich selbst das nicht immer zuverlässig hingekriegt.

Es dauerte etwa 15 Jahre, bis ich wieder mit Waschmaschinen in Kontakt kam. Ich wohnte im jüdischen Studentenwohnheim und lernte dort, dass die Waschküche ein hochsensibler Ort ist. Ich erinnere mich noch, wie ein feinsinniger israelischer Musiker die Nerven verlor, als ich zweimal hintereinander seine nasse Wäsche zu früh aus der Maschine genommen hatte. Mit seinen zarten Geigenhänden hämmerte er rasend vor Wut an meine Tür. Einem Studenten der Architektur hingegen konnte die Wäsche nicht lang genug im Wäschetrockner herumgeschleudert werden. Zwei, drei Stunden lang reservierte er die Trommel für sich.

Nach meiner Heirat lernte ich Waschküchenlektion Nummer zwei: Frauen werden hysterisch, wenn sie sich in der Waschküche ungerecht behandelt fühlen. Im Haus, wo ich wohne, teilen sich 13 Mietparteien eine Waschmaschine. Man muss sich in ein Heft eintragen, wenn man waschen will. Die handschriftlichen Bemerkungen, die dort zu lesen sind, künden vom Leiden Evas: »Welches verdammte Schwein hat von meinem Ariel geklaut?«, »Können Sie sich bitte (wie alle anderen normalen Menschen) an die Zeiten halten?« oder einfach »Blöde Sau!«

Ich habe lange nachgedacht, wie man in unserer Waschküche den Frieden wiederherstellen könnte. Womit wir zurück beim Thema Jerusalem wären. Wohl nirgends auf der Welt müssen sich verfeindete Parteien auf so engem Raum verständigen wie in der Heiligen Stadt – und in unserer Waschküche. Was am einen Ort der Streit um den Zugang zum Tempelberg, sind am anderen die Differenzen um die Benutzung des Trockners. Und beide Konflikte eskalieren ständig, statt dass man sie beilegt.

Auch ich kenne die Lösung nicht. Weder für den zweitausend Jahre alten Streit um Jerusalem noch für den wohl noch älteren Zwist in der Waschküche. Ich denke aber, dass man seine Kleider nicht immer bei 90 Grad waschen muss, 40 Grad im Schongang reichen auch manchmal. Übertragen auf Jerusalem heißt das ... was weiß ich. Darüber sollen sich Abbas und Netanjahu die Köpfe zerbrechen.

Genf

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