Finale

Ayalas Welt

Jude zu sein, bedeutet gutes Essen und schlechte Manieren, hat ein Satiriker einmal behauptet. Was die Manieren angeht, hat er recht. Fragen Sie nur mal den koscheren Catering-Service, der vor zwei Wochen in Berlin bei der Wahl zur Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde im Einsatz war.

Ganze Familien hätten sich Unmengen von Brötchen und Keksen gegrabscht, die nur für die Wahlhelfer gedacht waren, klagten die Caterer kurz nach 18 Uhr, als die Wahllokale im Gemeindehaus geschlossen wurden. Man habe ihnen das Essen geradezu aus der Hand gerissen. Und statt dankbar zu sein, hätten die Verfressenen noch gemeckert, weil die Suppe nicht heiß genug war.

schnorrer Mir stieg die Schamesröte ins Gesicht, als ich das hörte. Denn auch ich hatte Kekse vom Buffet geschnorrt, nachdem ich gegen 17 Uhr erschienen war, um meine Stimme abzugeben. Dabei fühlte ich mich sogar als gute jüdische Mutter, denn den Großteil des Gebäcks verfütterte ich an meinen bald dreijährigen Sohn.

Nur den letzten Keks steckte ich selbst ein, wegen der harten Nacht, die vor mir lag. Als Journalistin musste ich ausharren, bis alle Stimmen ausgezählt waren. Erst um drei Uhr morgens verkündete der Wahlleiter in der Oranienburger Straße das vorläufige amtliche Endergebnis. Ohne die Stärkung mit Bleibergs köstlichem Marmeladenkeks wäre mein Zuckerspiegel so weit abgesunken, dass ich schon vorher umgekippt wäre.

hausverbot Mein Gewissen ist inzwischen wieder rein, ich habe die Kekse im Nachhinein bezahlt. Doch die Frage nagt an mir: Was ist los mit uns Juden? Wieso haben wir immer Angst, nicht genug Kekse abzukriegen? Ich weiß, wir mussten schon immer befürchten, zu kurz zu kommen: der jüdische Heißhunger als Spätfolge der Schoa, Erbe der Sowjetherrschaft oder Konsequenz des Nahost-Konflikts.

Aber erklären solche Theorien, warum Mitglieder der jüdischen Gemeinde – so erzählte man sich am Wahlabend im Gemeindehaus – Hausverbot in einem renommierten Berliner Hotel haben? Angeblich sollen sie bei einem Empfang den Kellnern die Aufschnittsplatten so rabiat aus der Hand gerissen haben, dass der Lachs zu Boden fiel. Aber vielleicht stimmt die Geschichte gar nicht, und ich bin auf eine Verleumdungskampagne jüdischer Antisemiten reingefallen.

Wie auch immer: Unser neues Gemeindeparlament wird im neuen Jahr einen Vorsitzenden wählen. Ich habe jetzt schon eine Bitte: Vor seinem ersten Treffen mit Vertretern des Berliner Senats sollte unser zukünftiges Oberhaupt gut und ausgiebig essen. Denn mit dem Image unserer Gemeinde steht es nicht zum Besten. Seit Jahren zahlen wir unseren Pensionären überhöhte Betriebsrenten auf Senatskosten. Was sollen die Gojim erst von uns denken, wenn sich unser neuer Chef hemmungslos auf nichtkoschere Kekse stürzt?

Biografie

Schauspieler Berkel: In der Synagoge sind mir die Tränen geflossen 

Er ging in die Kirche und war Messdiener - erst spät kam sein Interesse für das Judentum, berichtet Schauspieler Christian Berkel

von Leticia Witte  11.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte, wie eine Arte-Doku zeigt. Bis er eine entscheidende Rolle bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  11.07.2025

Thüringen

Yiddish Summer startet mit Open-Air-Konzert

Vergangenes Jahr nahmen rund 12.000 Menschen an den mehr als 100 Veranstaltungen teil

 11.07.2025

Musik

Nach Eklat: Hamburg, Stuttgart und Köln sagen Bob-Vylan-Auftritte ab

Nach dem Eklat bei einem britischen Festival mit israelfeindlichen und antisemitischen Aussagen sind mehrere geplante Auftritte des Punk-Duos Bob Vylan in Deutschland abgesagt worden

 10.07.2025

Agententhriller

Wie drei Juden James Bond formten

Ohne Harry Saltzman, Richard Maibaum und Lewis Gilbert wäre Agent 007 möglicherweise nie ins Kino gekommen

von Imanuel Marcus  12.07.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Bilder, die bleiben

Rudi Weissensteins Foto-Archiv: Was die Druckwelle in Tel Aviv nicht zerstören konnte

von Laura Cazés  10.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  10.07.2025

Ethik

Der Weg zum Glück

Nichts ist so flüchtig wie der Zustand großer Zufriedenheit. Doch es gibt Möglichkeiten, ihn trotzdem immer wieder zu erreichen – und Verhaltensweisen, die das Glück geradezu unmöglich machen

von Shimon Lang  10.07.2025

Essay

Das Jewish-Hollywood-Paradox

Viele Stars mit jüdischen Wurzeln fühlen sich unter Druck: Sie distanzieren sich nicht nur von Israel und seiner Regierung, sondern auch von ihrem Judentum. Wie konnte es so weit kommen?

von Jana Talke  10.07.2025