Finale

Ayalas Welt

Als mein Vater noch im Kibbuz lebte, waren »Salontänze« wie Walzer und Foxtrott dort als »bürgerlich« verpönt; stattdessen tanzte man die Hora im Kreis. Auch ich habe als Studentin in Jerusalem beim Volkstanz mitgemacht, um mich von jungen Israelis anbaggern zu lassen. Das machte mehr Spaß als der deutsche Tanzkurs, den ich als 15-Jährige absolviert hatte, einschließlich eines spießigen Abschluss- balls, bei dem ich ein blassrosa Kleid trug und mein jugendlicher Ballherr mir ständig auf die Füße trat.

Doch mit der Zeit ändern sich die Ansichten, auch über das Tanzen. Mehr als 20 Jahre nach dem missglückten Abschlussball entdeckte ich in der Nähe meiner Kreuzberger Wohnung eine Tanzschule mit Spiegelsaal, Kronleuchtern und einer schicken Bar – und war angetan. Leider weigerte sich mein Göttergatte, mit mir einen Tanzkurs zu besuchen. Zum Glück gibt es für solche Fälle eine Tanzpartnerbörse, bei der Leute wie ich einen Mittänzer suchen konnten. So fand ich zwei Mal gute und zuvorkommende Tanzpartner. Bedauerlicherweise kamen mir beide abhanden. Der erste, weil ich wegen meiner Schwangerschaft aussetzen musste, der zweite, weil er sich den Fuß verstauchte (nein, nicht beim Tanzen mit mir).

mauerblümchen Tanzen macht fröhlich – im grauen Berliner Winter sind Walzer, Jive und ChaCha die besten Mittel gegen miese Laune. Anfang Januar ging ich deshalb wieder zur Tanzpartnerbörse. Leider war das Männer-Frauen-Verhältnis katastrophal. Mehr als 20 prospektive Tänzerinnen stürzten sich auf gerade mal fünf Männer. Damit keine Frau zu kurz kam, wurde das »Abklatschen« erlaubt, mit dem Erfolg, dass kein Paar länger als 25 Sekunden seine Kreise ziehen konnte, bevor die nächste Tanzwütige entschlossen anrückte und den Mann entführte.

Das Ergebnis: allgemeine Frustration. Die Männer verließen einer nach dem anderen den Saal, krampfhaft bemüht, keine der Frauen zu grüßen, um ja keine falschen Hoffnungen aufkommen zu lassen. »In meinem Alter hat man keine Chance«, sagte mir eine gut aussehende Frau um die 55, der die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben stand. Die Chefin der Tanzschule erzählte später, in ihrem Büro hätten sich anschließend drei Männer gemeldet, die völlig eingeschüchtert waren vom Angriff der Amazonen.

Ich selbst allerdings kann nicht klagen. Nachdem ich die Tanzpartnerbörse verlassen hatte, entdeckte ich, dass im Nebensaal Walzer getanzt wurde. Ich forderte einen jungen Mann auf, der eigentlich gar keinen Tanzkurs machen wollte. Wir besuchen nun den Fortgeschrittenen-Kurs III für Standard-Latein. Allerdings ist mir jetzt ein entscheidender Vorteil der israelischen Kreistänze klar geworden: Weder Männer noch Frauen müssen Angst haben, als Mauerblümchen übrigzubleiben.

Zahl der Woche

3.123.000 Menschen

Fun Facts und Wissenswertes

 28.10.2025

Imanuels Interpreten (14)

Neil Diamond: Der Romantiker

Das mit einer ansprechenden Stimme ausgestattete jüdische Talent wurde zum Publikumsliebling – genau wie seine ebenso prominente Klassenkameradin

von Imanuel Marcus  28.10.2025

Premiere

»Übergriffe gegen uns sind mittlerweile Alltag«

Anfeindungen, Behinderungen, Drohungen und Übergriffe: Ein neuer Film dokumentiert die Pressefeindlichkeit bei vielen Pro-Palästina-Demonstrationen in Berlin. Die Journalisten-Union warnt vor den Folgen für die Pressefreiheit hierzulande

von Markus Geiler  28.10.2025

Rotterdam

Unbehagen im Love Lab

Die jüdische Soziologin Eva Illouz ist an der Rotterdamer Erasmus-Universität nicht willkommen. Sie spricht von einer »antisemitischen Entscheidung«, die immerhin demokratisch zustande gekommen sei

von Michael Thaidigsmann  28.10.2025

Berlin

Mascha Kaléko und die Reise ihres Lebens: »Wenn ich eine Wolke wäre«

Elf Jahre nach Kriegsende entdeckte Deutschland seine verlorene Dichterin wieder. Volker Weidermann gelingt ein berührendes Porträt der Lyrikerin

von Sibylle Peine  28.10.2025

Kommentar

Politisches Versagen: Der Israelhasser Benjamin Idriz soll den Thomas-Dehler-Preis erhalten

Wer wie der Imam den 7. Oktober für seine Diffamierung des jüdischen Staates und der jüdischen Gemeinschaft instrumentalisiert, ist eines Preises unwürdig

von Saba Farzan  28.10.2025

Fernsehen

Selbstermächtigung oder Männerfantasie?  

Eine neue Arte-Doku stellt den Skandalroman »Belle de jour« des jüdischen Schriftstellers Joseph Kessel auf den Prüfstand  

von Manfred Riepe  27.10.2025

Stuttgart

»Mitten dabei!«: Jüdische Kulturwochen beginnen

Konzerte, Diskussionen, Lesungen und Begegnungen stehen auf dem vielfältigen Programm

 27.10.2025

Biografie

Vom Suchen und Ankommen

Die Journalistin hat ein Buch über Traumata, Resilienz und jüdische Identität geschrieben. Ein Auszug aus ihrer ungewöhnlichen Entdeckungsreise

von Sarah Cohen-Fantl  26.10.2025