Finale

Ayalas Welt

Neulich Freitagnachmittag überkam mich jäh die Sehnsucht nach einer richtigen Schabbat-Challa. Die gibt es bei uns zu Hause normalerweise nicht. Mein Sohn isst jeden Freitag sowieso Unmengen von Challa in der Kita, und mein Göttergatte mag lieber Schwarzbrot. Von der Familie wurden deshalb meine Versuche, selbst Challa in der Mikrowelle zu machen, nie wirklich goutiert und endeten meist damit, dass ich das zu harte oder zu weiche Brot alleine aufessen musste.

Doch dieses Mal sollte alles anders werden, schließlich haben wir einen neuen Ofen. Ich googelte verschiedene Hefezopfrezepte, entschied mich gegen die Variante ohne Milch, weil sie zu viele Eier enthielt – ist ja nicht gut für den Cholesterinspiegel – und entdeckte schließlich ein milchiges Rezept mit dem Namen »Friedas genialer Hefezopf«. Das gefiel mir – Frieda ist nämlich mein Spitzname. Ein solches Rezept konnte nur Glück bringen.

schwarzbrot Zum Backen kam ich zunächst aber nicht, weil der Kleine in der Wohnung herumtobte und ich ihn nicht in die Nähe eines heißen Ofens lassen wollte. Also verschob ich die Challeproduktion auf später, zündete die Schabbatkerzen an und schnitt meinem Sohn zum Abendessen das Schwarzbrot klein. Vor meinem inneren Auge erschienen dabei höhnisch grinsende perfekte jüdische Hausfrauen, die ihre Challa längst fertig hatten, während bei mir die Hefe noch im Kühlschrank lag.

Als mein Söhnchen endlich im Bett lag, machte ich mich an die Arbeit. Mein Mann, der andere Pläne für den Abend gehabt hatte, konnte es nicht fassen: »Jetzt willst du Hefezopf backen?« Ich ignorierte das, knetete den Teig, ließ ihn aufgehen, flocht den Zopf, bestrich ihn mit Ei (ein ganzes Ei, gemischt mit Salz und Zucker) und bestreute ihn mit Sesam. Als der Teig im Ofen war, lag mein Mann schon im Bett – und die erste der drei letzten Folgen von Im Angesicht des Verbrechens war auch schon vorbei.

blähungen Es ging auf Mitternacht zu, als ich »Friedas genialen Hefezopf« aus dem Ofen nahm. Und siehe da: Er sah nicht nur fantastisch aus, er schmeckte auch wirklich genial. Ich habe noch nie eine so gute Challa gebacken. Sie ging wunderbar auf, war nicht zu süß, nicht zu weich und nicht zu trocken und duftete wunderbar. Nur bei meiner Familie konnte ich mal wieder nicht punkten. Mein Sohn hat zwar richtig reingehauen, aber in der nächsten Nacht schreckliche Blähungen bekommen – ich weiß nicht, warum. Vielleicht verträgt er keine Hefe.

Mein Mann moserte, Aufwand und Ergebnis stünden in keinem Verhältnis. Nur zwei kleine Scheiben schnitt er sich ab. Es endete damit, dass ich den genialen Hefezopf alleine aufaß und dabei zwei Kilo zugenommen habe. Demnächst kaufe ich die Challa lieber in der Synagoge oder beim Bäcker. Oder wir bleiben an Schabbat eben beim Schwarzbrot – Gott wird es mir verzeihen.

Glosse

Der Rest der Welt

Reif, reifer, Reifeprüfung: Warum ich jedes Jahr Abitur mache

von Nicole Dreyfus  22.06.2025

Lesen!

Menahem Pressler

Ein Jugendbuch schildert das Jahrhundertleben des jüdischen Pianisten

von Maria Ossowski  22.06.2025

Aufgegabelt

Schoko-Babka

Rezepte und Leckeres

 22.06.2025

Literatur

Die Kunst, das Opfer und die Ministerin

In seinem Schlüsselroman nimmt Jonathan Guggenberger den Antisemitismus im Kulturbetrieb aufs Korn

von Ralf Balke  22.06.2025

Justiz

Dieter Hallervorden und Diether Dehm zeigen Kanzler Friedrich Merz wegen »Drecksarbeit«-Aussage an

Mit seiner Bemerkung zu Israels Angriff auf den Iran hat Kanzler Merz für viel Zustimmung und Ablehnung gesorgt. Nun sollte sich die Justiz damit beschäftigen, meinen einige

 20.06.2025

Medien

Enkel des »Weltbühne«-Gründers übt scharfe Kritik an Verleger Friedrich

Erst kürzlich hatte der Verleger der »Berliner Zeitung« die Zeitschrift »Weltbühne« wieder aufleben lassen. Nun erhebt der Enkel des jüdischen Gründers schwere Vorwürfe gegen ihn

 20.06.2025

TV-Tipp

Robert Lembke: Schikaniert wegen seines jüdischen Vaters

Wer war der Moderator Robert Lembke? 70 Jahre nach dem Start der legendären Quizsendung »Was bin ich?« fasziniert das Dokudrama »Robert Lembke – Wer bin ich?«. Ein Schatz in der ARD-Mediathek

von Gregor Tholl  20.06.2025

Ausstellung

Die Schocken-Show

Das Jüdische Museum Berlin ehrt den Unternehmer und Verleger Salman Schocken dank eines Stars der US-Literatur

von Sophie Albers Ben Chamo  19.06.2025

Kulturkolumne

Zwischen Kotel und Kotti

Wie KI unseren Autor berühmt machte

von Eugen El  19.06.2025