Rezension

Aufklärung für Herz und Hirn

In seinem Buch Eine Stunde ein Jude erweist sich Kurt Oesterle nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Literaturwissenschaftler und Forscher. Genauer gesagt, Erforscher des Antisemitismus jeglicher Couleur und der von ihm erfassten Typen der Antisemiten.

Er durchforstet das klassische und das neuere deutsche Schrifttum und zeigt anhand von ausgesuchten Werken deutscher Dichter und Autoren, wie Judenfeindlichkeit »ästhetisch und emotional funktioniert: ohne jegliche Empathie«.

VERTEIDIGUNG Oesterle zeigt aber auch, dass es literarische Versuche gab, Antisemitismus zu bekämpfen, und dass es in der deutschen Literatur der letzten 200 Jahre einen »Traditionsstrang gibt, der als »Verteidigung des Jüdischen« zu würdigen ist. Oesterle interessiert die Frage der heutigen Wirkung der alten Schriftsteller.

Ist die »Macht des gelesenen Wortes gegenwärtig im Schwinden begriffen«? Ich meine, dass die Macht der geschriebenen Worte in diesem Band von Schriftsteller zu Schriftsteller immer gewaltiger wird.

Oesterles Kommentare zu Hebbels Judith (1840), Wilhelm Hauffs Jud Süß (1827) oder Annette von Droste-Hülshoffs Die Judenbuche (1842) und den anderen Schriftstellern lassen sie äußerst aktuell erscheinen.

ERLÄUTERUNGEN Oesterle bringt jedem Leser diese klassischen Werke nahe und erläutert sie verständlich. Aber auch neue Veröffentlichungen, wie Gertrud von le Forts Die Töchter Jephtas (1964) oder sogar Friedrich Dürrenmatts Essay über Israel (1976), werden berücksichtigt.

Oesterle nennt sein Programm eine Aufklärung »für Herz und Hirn in kleinen Schritten«. Mit seinen Kommentaren bereichert uns Oesterle, und seine beeindruckende Geisteshaltung macht sein Buch für jeden von uns wichtig und nützlich.

Kurt Oesterle: »Eine Stunde ein Jude. Geschichten gegen Antisemitismus«. S. Hirzel, Stuttgart 2021, 292 S., 22 €

Biografie

Schauspieler Berkel: In der Synagoge sind mir die Tränen geflossen 

Er ging in die Kirche und war Messdiener - erst spät kam sein Interesse für das Judentum, berichtet Schauspieler Christian Berkel

von Leticia Witte  11.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte, wie eine Arte-Doku zeigt. Bis er eine entscheidende Rolle bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  11.07.2025

Thüringen

Yiddish Summer startet mit Open-Air-Konzert

Vergangenes Jahr nahmen rund 12.000 Menschen an den mehr als 100 Veranstaltungen teil

 11.07.2025

Musik

Nach Eklat: Hamburg, Stuttgart und Köln sagen Bob-Vylan-Auftritte ab

Nach dem Eklat bei einem britischen Festival mit israelfeindlichen und antisemitischen Aussagen sind mehrere geplante Auftritte des Punk-Duos Bob Vylan in Deutschland abgesagt worden

 10.07.2025

Agententhriller

Wie drei Juden James Bond formten

Ohne Harry Saltzman, Richard Maibaum und Lewis Gilbert wäre Agent 007 möglicherweise nie ins Kino gekommen

von Imanuel Marcus  12.07.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Bilder, die bleiben

Rudi Weissensteins Foto-Archiv: Was die Druckwelle in Tel Aviv nicht zerstören konnte

von Laura Cazés  10.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  10.07.2025

Ethik

Der Weg zum Glück

Nichts ist so flüchtig wie der Zustand großer Zufriedenheit. Doch es gibt Möglichkeiten, ihn trotzdem immer wieder zu erreichen – und Verhaltensweisen, die das Glück geradezu unmöglich machen

von Shimon Lang  10.07.2025

Essay

Das Jewish-Hollywood-Paradox

Viele Stars mit jüdischen Wurzeln fühlen sich unter Druck: Sie distanzieren sich nicht nur von Israel und seiner Regierung, sondern auch von ihrem Judentum. Wie konnte es so weit kommen?

von Jana Talke  10.07.2025