Oper

Auf nächtlicher Tour durch Wien

Soweit ins Repertoire zurück wie einst Ende der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts haben es die Werke des jüdisch-tschechischen Komponisten Jaromír Weinberger noch nicht geschafft. Aber die Nachwelt bemüht sich.

Seine Wallenstein-Oper gab es in Münster. Barrie Kosky hat an der Komischen Oper in Berlin seine Operette Frühlingsstürme wiederentdeckt. Und auch Schwanda hat hier und da (unter anderem 2012 in Dresden) wieder seinen Dudelsack geblasen. Allerdings spielt er das Instrument nur im Titel und nicht während der 1927 in Prag uraufgeführten und dann mit enormem Erfolg ab 1928 auf Deutsch (in der Übersetzung von Max Brod) unter denkbar prominenter Stabführung Furore machenden Volksoper. 

Weinberger hatte bis kurz vor der Machtergreifung der Nazis Erfolg und überlebte deren Herrschaft ab 1939 im Exil in den USA.

Dass es heute immer noch eines beherzten Ausgrabungsehrgeizes bedarf, um Weinbergers einst populäres Werk neu zu befragen, liegt an den Langzeitfolgen des Rassenwahns der Nazis, von dem bis heute große Lücken im gängigen Repertoire zeugen. Weinberger hatte bis kurz vor der Machtergreifung der Nazis Erfolg, überlebte deren Herrschaft ab 1939 im Exil in den USA, wo er aber nicht an seine europäische Karriere anknüpfen konnte und sich 1967 das Leben nahm.

Wenn heute im Musiktheater an der Wien (kleine Namensanpassung für das ins Museumsquartier emigrierte »Theater an der Wien«) Schwanda, der Dudelsackpfeifer inszeniert wird, ist das auch eine Bringschuld besonders der deutschsprachigen Opernnachwelt. Der designierte Hamburger Opernintendant und deutsche Starregisseur Tobias Kratzer nimmt das Stück aber als solches ernst und sucht nach dem Wienerisch- Psychologischen hinter dem märchenhaften Opernböhmen.

Bei ihm liegt Böhmen sozusagen an der Donau. Hier treffen der Musikant, seine Frau Dorota und der gute Räuber Babinský auf Arthur Schnitzlers (zeitgleich mit Schwanda) entstandene Traumnovelle und landen im nächtlichen Wien von heute.

Alles beginnt mit einer Sexszene in ehelichen Schlafzimmer. Hier vergnügen sich Dorota und ihr Liebhaber Babinský, was den heimkommenden Ehemann offensichtlich nicht stört. Eigentlich ist dieser Liebhaber ein Räuber. Hier wird er als Dritter im Bunde dieser Ehe nicht nur eine (sexuelle) Wunschprojektion Dorotas, sondern auch eine erotische Irritation für Schwanda. Den verführt er jedenfalls zu einer (Video)-Reise durchs nächtliche Wien, samt Zwischenhalt am Würstelstand.

Die ominöse Königin, die sie besuchen, ist eine Society-Lady in einem noblen Salon. Bei Ester Pavlu fügt diese Frau ihrer lasziven Beinarbeit noch ihren unwiderstehlichen Mezzosamt hinzu. Kurz bevor sie Schwanda herumkriegt, taucht die jetzt eifersüchtige Dorota auf. Als sich Schwanda in dieser heiklen Situation zu Dorota bekennt, wird es für ihn lebensgefährlich und er kann nur knapp mit Babinskýs Hilfe einer (rituellen?) Hinrichtung entkommen. Hier bezieht sich die Szene direkt auf die obskure Gesellschaft in Kubricks Traumnovellen-Verfilmung Eyes Wide Shut

Der designierte Hamburger Opernintendant Tobias Kratzer sucht nach dem Wienerisch- Psychologischen hinter dem märchenhaften Opernböhmen.

In der etwas arg heruntergekommenen Vorstadt-Hölle dann, beim Plausch mit dem Teufel (Krešimir Stražanac), funktioniert es nicht ganz so überzeugend. Rotlicht im Dunkel von Kellerbars mit Darkrooms – na ja. Dazu eine Dosis Orgie (im Film mit Softporno-Anmutung) auf der Bühne mit nackter Haut und dem üblichen Als ob. Mit einem Happy End für das Ehepaar nach einer wilden Nacht der Selbsterfahrung.

Vokale und darstellerisch überzeugen vor allem Vera-Lotte Boecker (Dorota), Pavol Bresklik (Babinský) und Andre Schuen (Schwanda) voll und ganz.

Petr Popelka und die Wiener Symphoniker schwelgen besonders in dem Fünftel der Partitur, das ein rein instrumentales akustisches Wohlfühltheater ist. Weinberger bietet insgesamt den großen Ton einer nachhallenden Spätromantik und nimmt ihn gleichzeitig auf die Schippe. Er bedient sich beim italienischen Pathos und flirtet mit der Operette, lässt aber auch die Puppen diverser böhmischer Operndörfer tanzen. Beifall in Wien.

Das Stück wird am 22., 24., 26. und 28. November erneut gespielt.

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  04.09.2025 Aktualisiert

Ferdinand von Schirach

»Sie werden von mir kein Wort gegen Israel hören«

Der Jurist und Schriftsteller war zu Gast bei Markus Lanz - es war eine in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Sendung

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Chemnitz

Kunstfestival: Beauftragter hält einige Werke für judenfeindlich

Thomas Feist warf einigen Beteiligten »die Übernahme von «Fakten‹ vor, die nichts als Übernahme von Hamas-Propaganda sind«

 04.09.2025

Fotografie

Mode, nackte Haut und Skandale

Helmut Newton gehört zu den populärsten Modefotografen der Popkultur. Eine Doppelausstellung in Berlin beleuchtet nun seine Werke - und bringt sie mit Bildern anderer Künstler in einen Dialog

von Daniel Zander  04.09.2025

50. Filmfestival Toronto

Russell Crowe spielt Hermann Göring

Doku »The Road Between Us: The Ultimate Rescue« erzählt den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 aus israelischer Perspektive

 04.09.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  04.09.2025

Sehen!

»Happy Holidays«

»Ajami«-Regisseur Scandar Copti erzählt die Geschichte einer arabischen und einer jüdischen Familie in Haifa

von Dietmar Kanthak  04.09.2025

Serie

Rath im Ruhestand: Volker Kutscher schließt das Kapitel Gereon Rath

Ein letztes Mal betritt Gereon Rath die Bühne: In »Westend« verwebt Volker Kutscher Zeitgeschichte, Erinnerung und Fiktion zu einem fulminanten Abschied von seinem Kommissar – und zeigt, wie Vergangenheit nachwirkt

 04.09.2025

TV-Tipp

Exil-Beziehung in Zeiten des Krieges: Arte-Doku zur Liebe von Erich Maria Remarque und Marlene Dietrich

Eine Arte-Doku zeichnet die Liebesbeziehung zwischen den deutschen Exil-Weltstars Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque nach. Dabei setzt sie oft auf Interpretationen statt auf Fakten, hält aber dennoch die Balance

von Christian Bartels  03.09.2025