Peggy Parnass

Auf das Leben!

Schauspielerin, Gerichtsreporterin, Kolumnistin und Autorin: Peggy Parnass Foto: Marina Friedt

Peggy Parnass

Auf das Leben!

Eine Würdigung zum 95. Geburtstag der Schauspielerin, Gerichtsreporterin und Autorin

von Marina Friedt  09.10.2022 09:30 Uhr

Peggy Parnass ist als Schauspielerin, Gerichtsreporterin, Kolumnistin und Autorin aus Hamburg bekannt. Ihre direkte und scharfzüngige Art machte sie zu einer der streitbarsten Journalistinnen der Bundesrepublik – zudem tituliert als kämpferische Jüdin, leidenschaftliche Frauen- und Schwulenaktivistin (kein CSD ohne sie) – und Skatspielerin. Aber in allererster Linie ist Peggy eine aufmerksame Zuhörerin, immer interessiert am Leben anderer.

Geboren am 11. Oktober 1927 auf St. Pauli, hat sie sich »hochgearbeitet« in das zwei Stadtteile entfernt liegende flippige St. Georg. Früher organisierte sie Hoffeste in ihrem Wohnhaus in der Langen Reihe 84, wo die Schauspieler Monika Bleibtreu und Peter Maertens ihre Nachbarn waren.

STADTBILD Bis heute ist sie mehrfach im Stadtbild präsent, ob auf dem Titel eines Stadtteilführers oder als Wandmalerei. Im Literaturhotel Wedina wurde eine Wohnung nach ihr benannt, die von ihrer Künstler-Freundin Tita do Rêgo Silva gestaltet wurde, mit der sie ihr zuletzt erschienenes Buch Kindheit umsetzte. 2013 wurde es von der Stiftung Buchkunst als »eines der schönsten deutschen Bücher« prämiert.

Ihre Geschichte verbindet sie mit vielen jüdischen Menschen in der NS-Zeit. 1939 wurde die Elfjährige mit ihrem vierjährigen Bruder Gady mit einem von der Warburg Bank finanzierten Kindertransport nach Schweden geschickt. Seither mag sie keine Bahnhöfe, Verreisen fällt ihr schwer. Ihre Eltern wurden in Treblinka ermordet – wie alle ihre engen Verwandten, Großeltern und Cousinen. Als 14-Jährige machte sie sich zehn Jahre älter, schummelte sich als Sprachlehrerin in Schulen und arbeitete als Übersetzerin.

WOHNGEMEINSCHAFT Zurück in Hamburg, wohnte sie bald in einer WG mit Peter Rühmkorf, Klaus Rainer Röhl und Dick Busse. Sie stritt mit Ralph Giordano, war befreundet mit Ulrike Meinhof und Kiezgrößen wie Domenica und Wolli (Köhler) Indienfahrer. Ihre erste Reportage schrieb sie über Salambo-Betreiber René Durand. Es folgten Texte über viele weitere, die in Hamburg etwas zu sagen hatten – wie sie selbst.

Ihre zahlreichen Liebhaber waren immer jünger als sie, darauf legt sie Wert. Udo Lindenberg signierte eine seiner Platten »für Peggy Panther«. Ich vermute, weil sie immer Schwarz trägt; Peggy meint, weil sie so wild ist. Sicher stimmt beides.

Nach einem vierjährigen Gastspiel als Schauspielerin wechselte sie in den 70er-Jahren zum Journalismus. Bereits im schwedischen Exil schrieb sie Kolumnen über Deutschland für die Zeitungen Ny Dag und Aftonbladet, später für Konkret, die Hamburger Rundschau und andere – nie distanziert, sondern immer mit einem besonderen Blick auf die Menschen, egal ob Nazi (Ludwig Hahn), Mörder (Fritz Honka) oder Messerstecher (Freunde im Wohnlager).

PROZESSE Ihre lebendigen Prozessbeschreibungen aus 17 Jahren zeugen davon. 81 der 500 Gerichtsreportagen landeten 1978 im Buch Prozesse - ein zeitlos lesenswertes Werk! Peggy Parnass formuliert immer auf den Punkt, wirkt immer mutig und stark –eine Journalistin mit Haltung.

Die nach außen toughe, unbeugsame, kämpferische Frau ist allerdings auch äußerst verletzlich, ängstlich und fürsorglich – wie bei ihrem über alles geliebten Sohn. Ihr Terminkalender ist bis heute reichlich gefüllt; Theatervorstellungen, Lesungen aus ihren Büchern und politische Veranstaltungen, Präsentationen der Filmcollage Überstunden an Leben von Gerhard Brockmann und Martin Kinter oder bei Veranstaltungen mit Helga Obens und der inzwischen verstorbenen Esther Bejarano.

TRAUBENSAFT Angefragt, zur Historie zu erzählen, angekommen im Jetzt, liebt sie das Leben und lebt im Präsens. Am liebsten prostet sie mit Traubensaft im Sektglas mit guten Freunden an einem schön gedeckten Tisch mit weißen Servietten »aufs Leben«. Die geplante neue Bornplatzsynagoge stellt sie sich vor allem »kuschelig« vor.

Beim letzten Mal, als wir zusammen waren, sang Peggy auf dem Heimweg munter und vergnügt: »Marina, Marina, Marina … », und beim Abschied am Telefon sagt sie wie immer: »Kuss, Kuss, auf Dich!« Kuss, Kuss, Peggy!

Berlin

Kulturausschuss lädt Dirigenten Lahav Shani zu Gespräch ein

Die Konzert-Absage an den israelischen Dirigenten sorgt für Kritik - und für Gesten der Solidarität. Nach einem Konzert in Berlin macht auch der Kulturpolitiker Sven Lehmann eine Ansage

 16.09.2025

Nach Absage in Belgien

Dirigent Shani in Berlin gefeiert

Nach der Ausladung von einem Festival werden die Münchner Philharmoniker und ihr künftiger Chefdirigent Lahav Shani in Berlin gefeiert. Bundespräsident Steinmeier hat für den Fall klare Worte

von Julia Kilian  15.09.2025

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025

Bremen

Seyla Benhabib erhält den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken

Die Jury würdigte Benhabib als »herausragende politische und philosophische Intellektuelle«

 15.09.2025

Eurovision

Israel hält nach Boykottaufrufen an ESC-Teilnahme fest

Israel will trotz Boykott-Drohungen mehrerer Länder am Eurovision Song Contest 2026 teilnehmen. Wie andere Länder und Veranstalter reagieren

 15.09.2025

Antisemitismusskandal

Bundespräsident trifft ausgeladenen Dirigenten Shani

Nach dem Eklat um eine Ausladung der Münchner Philharmoniker in Belgien hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den künftigen israelischen Chefdirigenten Lahav Shani ins Schloss Bellevue eingeladen

von Anne Mertens  15.09.2025

Literatur

Ein Funke Hoffnung

Rafael Seligmann hält Deutschland derzeit nicht für den richtigen Ort einer Renaissance jüdischen Lebens. Trotzdem gibt er die Vision nicht auf. Ein Auszug aus dem neuen Buch unseres Autors

von Rafael Seligmann  15.09.2025

Los Angeles

»The Studio« räumt bei den Emmys 13-fach ab

Überraschende Sieger und politische Statements: Ausgerechnet eine jüdische Darstellerin ruft eine israelfeindliche Parole

von Christian Fahrenbach  15.09.2025

Freiburg im Breisgau

»Keine Schonzeit für Juden«: Neues Buch von Rafael Seligmann

Antisemitismus, der 7. Oktober 2023, ein Umzug von Tel Aviv nach München in den 1950er Jahren und ein bewegtes Leben: Der Historiker streift und vertieft in seinem aktuellen Werk viele Themen

von Leticia Witte  15.09.2025