Musik

Amys letzter Blues

Abschiedsvorstellung: Amy Winehouse bei ihrem letzten Konzert am 19. Juni 2011 in Belgrad Foto: Getty

Viele Nachrufe lagen wohl schon fertig in der Schublade. (Dieser nicht!) Man brauchte keine hellseherischen Fähigkeiten, um den frühen Tod der wohl besten Soulsängerin unserer Zeit vorherzusagen.

Als Sterbezeitpunkt von Amy Jade Winehouse, die vergangenen Samstag in ihrer Wohnung im Londoner Stadtteil Camden leblos aufgefunden wurde, gab die Polizei 15.54 Uhr Ortszeit an. Doch der körperliche Verfall der Musikerin hatte sich lange vorher abgezeichnet. Ihre Mutter Janis diagnostizierte 2008: »Es ist mit ihr, als ob man einen Autounfall beobachtet.«

Die »Unfall«-Ursachen: Bulimie,manisch-depressive Störungen und Lungenemphysem infolge von überhöhtem Zigaretten- und Crackkonsum. Dazu jede Menge anderer Drogen, harte, wie Heroin, und »Smoothies« wie Alkohol und Marihuana. Auch Amys Vater Mitch Winehouse sprach wiederholt vom »langsamen und schmerzhaften Sterben« seiner Tochter. Dabei hatte gerade er alles versucht, um sie vor sich selbst zu retten. Geholfen hat es nicht.

»rehab« Man kann nur darüber spekulieren, was zwischen Amy Winehouse’ grandiosem Debütalbum Frank von 2003 und dem noch besseren, stilbildenden Back in Black von 2006 passiert ist. Auf den beiden Covern zwei ganz unterschiedliche Personen. Die eine, drall, modisch und umgeben von Bildern ihrer glück-lichen Familie.

Drei Jahre später eine ganz andere Frau, klapperdürr und übersät von Tätowierungen. Dazu trashige Klamotten und eine aufgetuffte Bienenkorb-Frisur. Berühmt geworden ist die Song-Zeile »They tried to make me go to rehab I said no no no«, die eine ganze Generation mitsingen kann.

Der Vers ist aus heutiger Sicht umso ergreifender, weil Amy Winehouse gegenüber Entziehungskuren offenkundig resistent war. Aus dem Privatleben gegriffen sind auch jene Verse, die man aus Gründen des Jugendschutzes besser gar nicht erst übersetzt: »Upstairs in bed with my ex boy,/ He’s in a place but I can’t get joy,/ Thinking on you in the final throes,/ This is when my buzzers goes.« Wer schon immer wissen wollte, was junge Jüdinnen beim Sex denken – bei Amy Winehouse gab es Verkehrshinweise zuhauf.

durchbruch Die Karriere von Amy Winehouse ist schnell erzählt. Sie kommt am 14. September 1983 als Tochter des Taxifahrers Mitch und der Apothekerin Janis Winehouse in London zur Welt. Ihre Großmutter Cynthia, die um die Ecke wohnt, pflegt mit der Familie nicht nur die jüdische Tradition, sondern bringt auch den Jazz mit nach Hause, in Gestalt des Tenorsaxofonisten Ronnie Scott. Ständig präsent war auch die Musik von Frank Sinatra, Dinah Washington und vor allem Ella Fitzgerald. »Ich habe schon mit elf angefangen, Ella zu hören. Ich liebe sie«, sagte Amy über ihr Idol.

Mit zwölf versucht sich das junge Mädchen als Schauspielerin an der »Sylvia Young Theatre School«, von der sie aber bald wieder fliegt. Der künstlerische Erfolg kommt vier Jahre später, als sie von dem Soulsänger Tyler James entdeckt wird. Ab dann geht es rasend schnell. Weitere vier Jahre später erlangt ihr Debüt Frank Platinstatus.

Publikum und Kritik sind sich ausnahmsweise einmal einig: Eine Wahnsinnsstimme, von der man nicht glauben mag, dass sie einer weißen Sängerin gehört. Noch besser verkauft sich das Nachfolgealbum Back in Black. Doch dann ist kompositorische Funkstille, sieht man einmal ab von dem Hit Valerie aus der Feder von Amys Produzenten Mark Ronson.

abwärtsspirale Auch privat geht es rapide bergab. 2008 kann Amy Winehouse ihre fünf Grammys nicht persönlich abholen, denn die USA verweigern ihr die Einreise, wegen ihres notorischen Drogenkonsums. Ein Jahr zuvor war die Sängerin mit ihrem Ehemann Blake Fielder-Civil in Norwegen wegen Marihuanabesitzes festgenommen worden. Amy kam frei, ihr Mann blieb im Knast. 2009 wurde die Ehe schließlich geschieden. Der Ex verabschiedete sich im Stile eines Prahlhans: »Im Bett ist Amy noch besser als beim Singen!«

Über die Gründe von Amy Winehouse’ Absturz ist viel spekuliert worden, seit ihrem Tod noch mehr. Die einen schieben den Niedergang der Soulsängerin auf ihregescheiterte Ehe, die anderen sehen den Grund dafür im übergroßen beruflichen Erfolg. Das sprichwörtliche »Sex & Drugs & Rock ‹n’ Roll« wird zitiert und auf die große »Ahnenreihe« hingewiesen, von Jimmy Hendrix über Janis Joplin bis Kurt Cobain.

Amy Winehouse ist nur 27 Jahre alt geworden. So wird ein Traum der Sängerin sich nie erfüllen. »In zehn Jahren werde ich für meinen Ehemann und unsere sieben Kinder sorgen«, sagte sie einmal, ganz im Stil einer jiddischen Mamme. »Ich möchte an bestimmten Dingen festhalten, wenngleich nicht in religiöser Hinsicht, nur eben diese familiären Dinge. Denn am Ende des Tages, da bin ich ein jüdisches Mädchen.«

Camille Pissarro

Leidenschaft. Freiheit. Kunst

Das Potsdamer Museum Barberini zeigt mehr als 100 Gemälde des jüdischen Impressionisten

von Maria Ossowski  21.08.2025

Roman

Unter den Dächern von Paris

Fast 100 Jahre nach ihrem Entstehen erscheint Sebastian Haffners berührende Liebesgeschichte

von Alexander Kluy  21.08.2025

TV-Tipp

»Wonder Woman«: Von der Welt der griechischen Sagen in den Ersten Weltkrieg

Das Entree der Comic-Heroine Wonder Woman in die Welt des modernen Blockbuster-Kinos ist nach wie vor eine der besten unter den (Neu-)Verfilmungen von DC-Comics

von Jan Lehr  21.08.2025

Rezension

»Chabos« fährt mit Vollgas in die Nullerjahre

Die Streaming-Serie bringt Zuschauer zurück in die 2000er. Mitten in eine verhängnisvolle Nacht mit einem illegalen Film-Download

 21.08.2025

Kulturkolumne

Verhandeln auf Tinder

Dating in Zeiten der Wassermelone

von Laura Cazés  21.08.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  21.08.2025

Imanuels Interpreten (12)

Paula Abdul: Die Tänzerin

Die auch als Sängerin, Schauspielerin und Geschäftsfrau bekannte kalifornische Jüdin führt ein abwechslungsreiches Leben

von Imanuel Marcus  20.08.2025

Zahl der Woche

94 Prozent

Fun Facts und Wissenswertes

 20.08.2025

Potsdam

Kunstprojekt zu NS-Geschichte

Die beteiligten Künstlerinnen zeigen in Installationen, Malerei und Videoarbeiten, wie weit transgenerationelle Traumata bis heute wirken

 20.08.2025