Sprachgeschichte(n)

Alles für lau

Bezahlung fürs »Lobier« Foto: Thinkstock

Das zum Standardwortschatz gehörige Adjektiv »lau«, das schon althochdeutsch als »lao« und mittelhochdeutsch als »la(wes)« belegt ist, wird definiert als »weder kalt noch heiß«, »mäßig warm« oder »mild«, so in den Aussagen »Das Wasser ist nur lau« oder »Es war eine laue Sommernacht«. Im übertragenen Sinne hat es die gar nicht positiv eingefärbte Bedeutung »weder ablehnend noch zustimmend, unentschlossen, halbherzig, ohne Begeisterung/Interesse/ Lust«, etwa in »laue Haltung, Hilfe, Kritik, Anerkennung, Stimmung«, und reiht sich ein in die Synonymgruppe »fad, flau, laff, öde, ungerührt«.

Völlig anders steht es um das Wort, das sich kürzlich im Berliner Tagesspiegel fand. Die Zeitung gab dem Bericht über ein Konzert, das 30.000 Opernfans auf den Bebelplatz gelockt hatte, den Titel »Open-Air-Oper für lau«. Das Adjektiv »lau«, das hier die Bedeutung »unentgeltlich, (für) umsonst, gratis« hat, leitet sich her vom jiddischen »lo, lau« (nichts, nicht, nein, ohne), das seinerseits auf das hebräische Wort »lo« (nein, nicht/s, ohne) zurückgeht. »Für lau« im Sinne von »umsonst« findet sich im Frankfurter Wörterbuch (1971–1985) bei einem Beleg aus dem Jahre 1733: »Des mach ich net für lau«. Heinz Küppers Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache (1982–1984) registriert die Wendung für das Jahr 1735.

regional Viele Zeugnisse dafür, dass dieser und andere jiddische Ausdrücke auch durch die Vermittlung rotwelscher Sondersprachen in die Umgangssprache eingedrungen sind, finden sich in Klaus Siewerts großem Wörterbuch der Münsterschen Masematte (Von achilen bis zulemann, 2009): »für lau lohne« (ohne Bezahlung), »lau malochen« (umsonst arbeiten), »ich hab lau masumm auffe chatte« (ich habe kein Geld in der Tasche), »laumann« (Taugenichts), »laumalocher« (Faulpelz/Arbeitsloser), »lauchepper« (Schnorrer), »laubewirche« (Verlust).

Die Sprachforscher Stephan Elsaß (Salzburg) und Robert Möller (Lüttich), die für ihren Atlas zur deutschen Alltagssprache seit 2003 über Internetumfragen den »normalen ortsüblichen Sprachgebrauch« an fast 500 Ortspunkten in Deutschland, Österreich, der deutschsprachigen Schweiz, Südtirol, Ostbelgien und Luxemburg erhoben, haben auch den Ausdruck »für lau« unter die Lupe genommen. Es stellte sich heraus, dass er in der deutschen Nordhälfte verbreitet ist, »besonders im moselfränkischen Gebiet, in Nordrhein-Westfalen sowie um die Großstädte herum«.

Den Untersuchungen verdanken wir auch den Hinweis darauf, dass das Pfälzische Wörterbuch (1965–1997) neben der Wendung »for lo« (für nichts, umsonst) auch das Adjektiv »lo« (gering, minderwertig, wertlos) in anderen Wendungen aus dem Jiddischen verzeichnet. So zum Beispiel »lo Boser« aus der Metzgersprache für schlechtes Fleisch und »for (e) lo Bachinem« (für ein Spottgeld, fast umsonst) aus der Händlersprache. Das pfälzische »Lobier« (für Freibier) wird im Rheinischen Wörterbuch (1928–1971) noch übertrumpft durch den in Kreuznach belegten Imperativ »lo« für »Saufe umsonst!«. Na denn, Prost und l’Chaim.

Hans-Jürgen Papier

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