Wuligers Woche

Akademische Halbwahrheiten

Foto: Getty

Was haben Stefan Kretzschmar und Micha Brumlik gemein? Beide sind in Sorge um die Meinungsfreiheit in Deutschland. Der Handballstar glaubt, dass er in der Flüchtlingsfrage eine »einigermaßen gesellschafts- oder regierungskritische Meinung« nicht äußern dürfe, ohne dafür sofort »eins auf die Fresse« zu bekommen.

Auch Brumlik beklagt Verbote von »Diskussionen im öffentlichen Raum« und »Verleumdungskampagnen«. In seinem Fall sind die Opfer aber nicht Pegida- oder AfD-Anhänger, sondern »Israelkritiker«.

Gemeinsam mit rund 80 anderen jüdischen und israelischen Professorinnen und Professoren hat er vorige Woche einen Offenen Brief zur Unterstützung der »Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost« verfasst. Anlass ist die Kontroverse um das Konto des Berliner Vereins bei der »Bank für Sozialwirtschaft«.

Hinter dem Streit steckt System, glauben die Unterzeichner und vermuten den langen Arm Jerusalems.

Rund 80 jüdischen und israelische Professoren haben einen Offenen Brief zur Unterstützung der »Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost« verfasst.

DEBATTE Hinter dem Streit steckt System, glauben die Unterzeichner und vermuten den langen Arm Jerusalems. »In den letzten Jahren haben die israelische Regierung und ihre Unterstützer versucht, die Debatte über die systematische Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung (...) zu unterbinden«, schreiben sie. »Diese besorgniserregenden Entwicklungen sind auch an Deutschland nicht vorübergegangen.«

Zu diesem Zweck, heißt es weiter, werde der Kampf gegen den Antisemitismus instrumentalisiert: »Unter dem Vorwand des Schutzes jüdischen Lebens sind (...) Angriffe auf Organisationen und Personen, die sich mit den palästinensischen Bestrebungen nach Gleichheit und Befreiung solidarisch zeigen, inzwischen Alltag geworden.«

Sonderlich originell ist diese Argumentation nicht. Sie variiert den klassischen Dreisatz: 1. Israel unterdrückt die Palästinenser. 2. Das darf man aber nicht sagen. 3. Weil die zionistische Lobby dann sofort zur Antisemitismuskeule greift. Das stimmt so nicht und wird durch stete Wiederholung auch nicht richtiger.

So dürftig der Offene Brief begründet ist – Wirkung wird er haben.

SCHLAGSEITE Über kaum ein anderes Thema wird in deutschen Medien so unverhältnismäßig oft berichtet wie über die Lage der Palästinenser. Und eine pro-israelische Schlagseite hat die Berichterstattung in der Regel nicht. Die relativ wenigen Unterstützer Israels kämpfen dagegen aus der Defensive an. Nicht die Meinungsfreiheit der Antizionisten ist bedroht, sondern ihr Anspruch auf ein Meinungsmonopol.

So dürftig der Offene Brief begründet ist – Wirkung wird er haben. Dafür bürgt die Herkunft seiner Unterzeichner: »Wir als jüdische und israelische Akademiker und Intellektuelle (…).« Es ist das ultimative Argument. Nichts sticht in Nahostdebatten besser. Gern vergessen wird dabei, dass aus ethnischer Zugehörigkeit nicht logisch sachliche Richtigkeit folgt. Die Parole »Kindermörder Israel« etwa wird nicht dadurch wahrer, dass beim »Al-Quds-Tag« in der ersten Reihe stets Angehörige der ultraorthodoxen Sekte »Neturei Karta« mit Pejes, Strejml, Bart und Kaftan mitmarschieren.

Stefan Kretzschmar hat für den politischen Unsinn, den er verzapft hat, Kritik und Hohn einstecken müssen. Micha Brumlik und seine Mitunterzeichner werden für ihre Erklärung wahrscheinlich großes Lob ernten. So unfair geht es manchmal auf der Welt zu.

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  08.12.2025

Vortrag

Über die antizionistische Dominanz in der Nahostforschung

Der amerikanische Historiker Jeffrey Herf hat im Rahmen der Herbstakademie des Tikvah-Instituts über die Situation der Universitäten nach dem 7. Oktober 2023 referiert. Eine Dokumentation seines Vortrags

 07.12.2025

Zwischenruf

Die außerirdische Logik der Eurovision

Was würden wohl Aliens über die absurden Vorgänge rund um die Teilnahme des jüdischen Staates an dem Musikwettbewerb denken?

von Imanuel Marcus  07.12.2025

Los Angeles

Schaffer »visionärer Architektur«: Trauer um Frank Gehry

Der jüdische Architekt war einer der berühmtesten weltweit und schuf ikonische Gebäude unter anderem in Los Angeles, Düsseldorf und Weil am Rhein. Nach dem Tod von Frank Gehry nehmen Bewunderer Abschied

 07.12.2025

Aufgegabelt

Plätzchen mit Halva

Rezepte und Leckeres

 05.12.2025

Kulturkolumne

Bestseller sind Zeitverschwendung

Meine Lektüre-Empfehlung: Lesen Sie lieber Thomas Mann als Florian Illies!

von Ayala Goldmann  05.12.2025

TV-Tipp

»Eigentlich besitzen sie eine Katzenfarm« - Arte-Doku blickt zurück auf das Filmschaffen von Joel und Ethan Coen

Die Coen-Brüder haben das US-Kino geprägt und mit vielen Stars zusammengearbeitet. Eine Dokumentation versucht nun, das Geheimnis ihres Erfolges zu entschlüsseln - und stößt vor allem auf interessante Frauen

von Manfred Riepe  05.12.2025

Köln

Andrea Kiewel fürchtete in Israel um ihr Leben

Während des Krieges zwischen dem Iran und Israel saß Andrea Kiewel in Tel Aviv fest und verpasste ihr 25. Jubiläum beim »ZDF-Fernsehgarten«. Nun sprach sie darüber, wie sie diese Zeit erlebte

 05.12.2025

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025