Nachruf

16 Filme, vier Hochzeiten und der einäugige Vater

Assi Dayan im Juni 2011 in Tel Aviv Foto: dpa

Tausende von Fans nahmen am vergangenen Sonntag in der Cinematheque in Tel Aviv Abschied von Assi Dayan – dort wurden die sterblichen Überreste des israelischen Kultregisseurs und Schauspielers kurz vor seiner Beisetzung aufgebahrt. Am 1. Mai starb Assi Dayan, Sohn des Generals und Politikers Mosche Dayan, im Alter von 68 Jahren in seiner Wohnung in Tel Aviv. Drei Tage später wurde der Sohn im Moschaw Nahalal im Jesreel-Tal neben dem Grab seines Vaters beerdigt.

Die Schauspielerin Gila Almagor, die in mehreren Filmen von und mit Assi Dayan auftrat, sagte der Zeitung Haaretz, ihr Kollege sei »nicht nur ein großes Genie des israelischen Films gewesen, sondern ein Genie der israelischen Kultur überhaupt«.

Turbulenzen Doch Assi Dayan war auch Getriebener und Süchtiger: Abstürze gehörten zu seinem Leben in ähnlicher Regelmäßigkeit wie Ehrungen und Auszeichnungen. Zu seinem Vater Mosche Dayan, der kurz vor dem Sechstagekrieg 1967 Verteidigungsminister wurde, hatte der psychisch labile Filmemacher eine schwierige Beziehung. Sein turbulentes Leben hat Assi Dayan als Rebellion gegen den prominenten Vater und das israelische Establishment bezeichnet. Seine Mutter, die Friedensaktivistin Ruth Dayan (97), überlebte ihren Sohn.

Die Umstände von Dayans Tod blieben zunächst unklar. Medienberichten zufolge wurde der Filmemacher, der wegen seines Kokainkonsums auch mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, bewusstlos in seiner Wohnung gefunden. Sanitäter sollen vergeblich versucht haben, ihn wiederzubeleben.

Berlinale 1967 war Assi Dayan in Israel als Schauspieler bekannt geworden, als er einen Soldaten in dem patriotischen Drama He Walked Through the Fields spielte. Deutschen Fans ist er spätestens seit Life According to Agfa (»Das Leben, wie von Agfa bezeugt«) ein Begriff. In dem scharfsinnigen und grenzenlos pessimistischen Schwarz-Weiß-Film wird eine Tel Aviver Bar als Mikrokosmos einer dysfunktionalen israelischen Gesellschaft dargestellt. Bei der Berlinale 1993 erhielt das Werk eine lobende Erwähnung.

Weitere Filme Dayans sind der Klassiker Givat Halfon Eina Ona (Givat Halfon Doesn’t Answer, 1976), eine Satire über eine israelische Militäreinheit auf der Sinai-Halbinsel, und The 92 Minutes of Mr. Baum (1997). Sein letzter Spielfilm hieß Dr. Pomerantz (2011).

Therapie Wegen diverser Abstürze wurde Dayan wiederholt in Krankenhäusern behandelt. In der mehrfach ausgezeichneten TV-Serie Betipul (»In Therapie«), die auch in den USA für den Sender HBO adaptiert wurde, wechselte er die Seiten und spielte mit großem Erfolg den einfühlsamen Therapeuten.

Sein Leben fasste Dayan in dem autobiografischen Dokumentarfilm Life As A Rumor (2012) so zusammen: »80 Filme, in denen ich mitgespielt habe, 16 Filme als Autor und Regisseur, neun israelische Oscars, ein Roman, drei Gedichtbände, dreieinhalb Jahre in der Psychiatrie, drei Suizidversuche, zwei Festnahmen, drei Kriege, vier Hochzeiten, vier Kinder – aber vor allem und vor Gott eines: ein einäugiger Vater.«

Dorset

»Shakespeare In Love« - Dramatiker Tom Stoppard gestorben

Der jüdische Oscar-Preisträger war ein Meister der intellektuellen Komödie. Er wurde 88 Jahre alt

von Patricia Bartos  01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 30.11.2025 Aktualisiert

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025

Interview

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025

Hollywood

Die »göttliche Miss M.«

Die Schauspielerin und Sängerin Bette Midler dreht mit 80 weiter auf

von Barbara Munker  28.11.2025

Literatur

»Wo es Worte gibt, ist Hoffnung«

Die israelische Schriftstellerin Ayelet Gundar-Goshen über arabische Handwerker, jüdische Mütter und ihr jüngstes Buch

von Ayala Goldmann  28.11.2025

Projektion

Rachsüchtig?

Aus welchen Quellen sich die Idee »jüdischer Vergeltung« speist. Eine literarische Analyse

von Sebastian Schirrmeister  28.11.2025