Gute Vorsätze

100 Prozent Planerfüllung

Foto: Getty Images/iStockphoto

Gute Vorsätze

100 Prozent Planerfüllung

Warum unsere Redakteurin 2025 pünktlicher sein will als die Deutsche Bahn

von Katrin Richter  22.12.2024 14:27 Uhr

Zu spät. Einfach nur zu spät. Dabei bin ich nie zu spät. Und ausgerechnet bei einem wichtigen Termin neulich war ich dicke 27 Minuten zu spät. Zur Klarstellung: Wäre ich ein Bahnsystem, wäre ich sicherlich eine Mischung aus Japan und der Schweiz. Immer auf die Minute, manchmal sogar früher. Ich bin lieber zu früh bei Verabredungen beruflicher Natur als eben – zu spät. Das hat ganz nebenbei den Charme, dass ich Berlin immer wieder neu kennenlerne. Ich geh dann noch ein bisschen um die Häuser.

Mit Katastrophenfrisur versteckt unter einer Wollmütze, leidlich Maskara und leicht verpeilt, stieg ich in die S-Bahn Richtung Schöneberg. Ich fühlte mich so krass Deutsche Bahn. Nervös tippte ich eine Nachricht an meinen Kollegen, der mich 15 Minuten zuvor angerufen hatte und wissen wollte, warum ich ihn gefragt hatte, ob wir uns denn um eins treffen würden. Der Termin sei doch um elf. Um elf, raste es durch meinen Kopf. Durch Ereignisse am Abend zuvor hatte ich erst kurz vor Mitternacht in der Straßenbahn gesessen und war jetzt dementsprechend übermüdet. Ich hatte keinen Kater, das möchte ich für meine Augenringe und mich erwähnen!

Wäre ich ein Bahnsystem, wäre ich sicherlich eine Mischung aus Japan und der Schweiz.

Jetzt also, zwischen Friedrichstraße und Potsdamer Platz, wusste ich: Vor halb zwölf wird das nichts. Denn nicht nur war ich zu spät; ich war noch nie zuvor in dieser Gegend und habe die Tendenz, mich gern zu verlaufen. Okay, zugegeben: Das »Ich geh noch ein bisschen um die Häuser« von vorhin war ein Euphemismus für Desorientierung. Aber es klang so schön.
Anyway – kurz vor der Yorckstraße dann der Anruf: Wo ich denn sei.

Wie peinlich, dachte ich und wollte schon Antworten aus dem Verspätungsquiz der Bahn heranziehen: »Personen im Gleis«, »Verspätung durch vorausfahrenden Zug«, »Technischer Defekt« oder sonstige Leiden. Ich musste noch zehn Minuten laufen. Und wie ich das tat: Google Maps geöffnet, das erste Album von Queens of the Stone Age auf den Ohren, lange Schritte, die ich kann, seitdem ich als Stüppi samstags mit meinem großen Bruder zur Schule laufen musste, und die Stirn in Falten: So werde ich es schaffen und noch vor halb zwölf an Ort und Stelle sein. Rein in den Hinterhof, die Treppen hoch, Tür auf und: Es war drei vor halb zwölf. Das klingt besser als 27 nach elf.

Meine nicht vorhandene Statistik war durch dieses eine Mal nicht ins Wanken geraten (unangenehm war es aber zu 100 Prozent). Übrigens: Die Bahn, las ich neulich, verfolge »mit einem übergreifenden Sanierungsprogramm das Ziel, das Unternehmen bis 2027 wieder auf Kurs zu bringen«. Oberstes Ziel sei »eine Pünktlichkeit von über 75 Prozent«. Kernvoraussetzung dafür sei eine »zuverlässigere Infrastruktur«. Da ich 2025 eine Pünktlichkeit von 100 Prozent anstrebe, werde ich an Tagen vor Terminen weit vor Mitternacht schlafen gehen – der zuverlässigen Infrastruktur wegen.

Glosse

Der Rest der Welt

Friede, Freude, Eierkuchen oder Challot, koschere Croissants und Rugelach

von Margalit Edelstein  09.11.2025

Geschichte

Seismograf jüdischer Lebenswelten

Das Simon-Dubnow-Institut in Leipzig feiert den 30. Jahrestag seiner Gründung

von Ralf Balke  09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025

Theater

Metaebene in Feldafing

Ein Stück von Lena Gorelik eröffnet das Programm »Wohin jetzt? – Jüdisches (Über)leben nach 1945« in den Münchner Kammerspielen

von Katrin Diehl  09.11.2025

Aufgegabelt

Mhalabi-Schnitzel

Rezepte und Leckeres

 09.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  09.11.2025

Interview

Schauspieler Jonathan Berlin über seine Rolle als Schoa-Überlebender und Mengele-Straßen

Schauspieler Jonathan Berlin will Straßen, die in seiner Heimat Günzburg nach Verwandten des KZ-Arztes Mengele benannt sind, in »Ernst-Michel-Straße« umbenennen. Er spielt in der ARD die Rolle des Auschwitz-Überlebenden

von Jan Freitag  08.11.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  08.11.2025

Erinnerungskultur

»Algorithmus als Chance«

Susanne Siegert über ihren TikTok-Kanal zur Schoa und den Versuch, Gedenken neu zu denken

von Therese Klein  07.11.2025