Interview

»Wir waren nicht das Ziel«

Herr Gardner, wie wirken sich die Krawalle und Plünderungen in London auf die Sicherheitslage der jüdischen Gemeinden aus?
Die Unruhen waren willkürlich, und die Randalierer hatten es nicht auf Juden oder deren Besitz abgesehen. Es wurden zwar auch jüdische Anwesen beschädigt, aber unsere Gemeinden waren nicht das Ziel der Krawallmacher. Insofern ist unsere Sicherheitslage nicht stark beeinträchtigt.

Wie ist die Stimmung jetzt in den jüdischen Gemeinden?
Man sorgt sich darüber, wie schnell die Dinge außer Kontrolle geraten konnten. So etwas darf sich nicht wiederholen. Dass es eine spezifisch jüdische Reaktion auf die Ausschreitungen gibt, die sich vom Rest der Gesellschaft unterscheidet, glaube ich nicht. Vielleicht sind die Ängste in Stamford Hills mit seiner großen orthodoxen Gemeinde größer als in Nord-London, wo Juden geografisch weiter von den Unruhen entfernt waren. Das könnte natürlich auch in den hochexplosiven Ecken von Nord-Manchester oder in Salford der Fall sein.

Was empfehlen Sie Chassiden in Stamford Hills?
Die Gemeinde dort ist sehr, sehr vertraut mit dem Leben in einem multikulturellen Londoner Stadtteil. Vielleicht gibt es hier und da Antisemitismus, aber im Großen und Ganzen kann man in London ein fantastisches jüdisches Leben führen. Die Unruhen werden das nicht beeinträchtigen.

Was sind Ihrer Ansicht nach die Gründe für die Ausschreitungen?
Es handelt sich um ein sehr komplexes und explosives Gemisch von Gründen: soziale Entfremdung, geringes Selbstwertgefühl, mangelnder Respekt für soziale Normen, schlechte Elternhäuser, eine Kultur von aggressiver Maskulinität, kriminelle Attitüden – all das spielt eine Rolle. Ich denke, es ist falsch, zu liberal damit umzugehen, aber das Gegenteil wäre genauso falsch.

Gibt es Anzeichen dafür, dass die Unruhen antisemitische Züge trugen?
Den Krawallen war ein bizarres, multikulturelles Element zu eigen. In Dalston beispielsweise, wo viele Geschäfte in türkischer Hand sind, versammelten sich rund 200 Türken, um ihr Hab und Gut zu verteidigen. In Southall waren es 200 Sikhs, die ihre Straßen beschützten. Man könnte daraus schließen, die Unruhen in Dalston hatten ein anti-türkisches Element, und die in Southall waren gegen Sikhs gerichtet. Wären die Randalierer bis nach Golders Green vorgedrungen, hätten die Leute gesagt, da waren Antisemiten am Werk, obwohl das nicht die Motivation der Randalierer gewesen wäre.

Glauben Sie, dass mehr getan werden müsste, um jüdische Gemeinden in Großbritannien in Zukunft zu beschützen?
Im Großen und Ganzen ist unsere Beziehung zur örtlichen Polizei und ihren Chefs in den jüdischen Vierteln ausgezeichnet.

Mit dem PR-Direktor des Community Security Trust London sprach Frank Diebel.

Nachruf

Trauer um Hollywood-Legende Arthur Cohn

Arthur Cohn war immer auf der Suche nach künstlerischer Perfektion. Der Schweizer Filmproduzent gehörte zu den erfolgreichsten der Welt, wie seine Oscar-Ausbeute zeigt

 12.12.2025

Meinung

Nemo unverbesserlich

Nemo gibt mit Rückgabe der ESC-Siegertrophäe auch Haltung ab. Statt Rückgrat zu zeigen, schwimmt das Schweizer Gesangswunder von 2024 im postkolonialen Strom mit

von Nicole Dreyfus  12.12.2025

Damaskus

Syriens Regierung erteilt erster jüdischer Organisation Lizenz

Mit Rabbiner Henry Hamras Stiftung »Jüdisches Erbe in Syrien« wird erstmals seit dem Ende der Assad-Dikatur wieder eine jüdische Organisation in dem arabischen Land aktiv sein

 11.12.2025

Museum

Auschwitz-Gedenkstätte zeigt neue Ausstellung

Mit einer neuen Ausstellung will die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau das Schicksal der Häftlinge des Konzentrationslagers zeigen

von Christiane Laudage  11.12.2025

USA

An der Columbia University war Theodor Herzl Antisemit

Ein Abschlussbericht zum Antisemitismus an der New Yorker Elite-Universität zeigt, wie tief die Israel- und Judenfeindlichkeit im Lehrplan verankert war

 11.12.2025

USA

Wer hat Angst vor Bari Weiss?

Sie gilt als eine der einflussreichsten konservativen Medienmacherinnen des Landes. Aber was will die neue Chefin von CBS News eigentlich?

von Sarah Thalia Pines  11.12.2025

Brigitte Macrons Ausfall gegen Aktivistinnen entfacht eine landesweite Debatte.

Frankreich

First Lady an Abittans Seite – und gegen Feministinnen

Brigitte Macrons Ausfall gegen Feministinnen wirft ein Schlaglicht auf Frankreichs Umgang mit Protest, sexueller Gewalt und prominenten Beschuldigten.

von Nicole Dreyfus  11.12.2025

Nachruf

Gebäude wie Jazzmusik

Frank Gehry hat die Architektur tanzen lassen – was auch mit seinem Judentum zu tun hatte

von Johannes Sadek, Christina Horsten  10.12.2025

Hollywood

»Stranger Things« trotzt Boykottaufrufen

Während Fans den Start der letzten Staffel des Netflix-Hits feiern, rufen Anti-Israel-Aktivisten zur Ächtung der Serie auf

von Sophie Albers Ben Chamo  10.12.2025