Tunesien

»Wir sind ein Laboratorium der Demokratie«

René Trabelsi, seit Herbst 2018 Tunesiens Tourismusminister Foto: Peter von Stamm

Herr Trabelsi, Sie haben jahrelang als Reiseunternehmer gearbeitet, hatten keinerlei politische Erfahrung und besitzen kein Parteibuch – doch seit Ende vergangenen Jahres sind Sie Tunesiens Tourismusminister. Wo liegt momentan der Hauptschwerpunkt Ihrer Arbeit?
Wir müssen die klassischen europäischen Märkte zurückerobern: vor allem den französischen, den deutschen, den italienischen und den belgischen. Wir haben sie nach 2011, aber vor allem nach den Terroranschlägen im Jahr 2015 verloren. Wir müssen die europäischen Veranstalter davon überzeugen, dass Tunesien wieder sicher ist. Ein Problem ist auch, dass die meisten Touristen in der Hochsaison kommen. In Zukunft wollen wir vor allem die Nebensaison und den Süden des Landes bewerben: die Sahara zum Beispiel, aber auch Sport-Events und den Gesundheitstourismus.

Wie sorgen Sie vor allem im Süden für Sicherheit?
Das Innen- und das Verteidigungsministerium arbeiten seit den letzten Anschlägen 2015 Hand in Hand, um die Sicherheit der Touristen zu gewährleisten. Wir werden aber auch von ausländischen Behörden unterstützt. So bekommen wir zum Beispiel Hilfe und technische Unterstützung aus den Vereinigten Staaten und Europa, besonders aus Frankreich und Deutschland. Es gibt spezielle Detektoren an den Hoteleingängen, überall sind hochmoderne Überwachungskameras installiert, und die Autos werden in der Zufahrt zum Hotel kontrolliert.

Sie sind der einzige jüdische Minister in einem arabischen Staat. Nach Ihrer Ernennung gab es Vorbehalte gegen Sie, weil Sie Jude sind. Wie lebt es sich als Jude in Tunesien?
Nach der Revolution von 2011 hatten wir Juden zunächst Angst, dass etwas geschehen könnte. Es ist aber überhaupt nichts passiert. Wir leben wie jeder andere auch, wir haben keine Probleme.

Obwohl Tunesien keine diplomatischen Beziehungen mit Israel unterhält, pilgern jedes Jahr zahlreiche Israelis nach Djerba und besuchen die El-Ghriba-Synagoge. Wie gelingt Ihnen das?
Rund 90 Prozent der israelischen Pilger, die nach Djerba kommen, haben tunesische Vorfahren. Sie erhalten von unserem Innen- und unserem Außenministerium Sondergenehmigungen, um ins Land einzureisen. Allein für das kommende Pilgerfest im Mai haben sich schon mehr als 1500 Israelis angemeldet. Das ist ähnlich wie bei israelischen Muslimen, die nach Mekka pilgern wollen. Auch zwischen Israel und Saudi-Arabien bestehen keine diplomatischen Beziehungen. Dennoch können Muslime aus Israel nach Mekka pilgern.

Wo sehen Sie den tunesischen Tourismus in der Zukunft, zum Beispiel in fünf Jahren?
Ich hoffe, dass Tunesien in der touristischen Entwicklung schnell voranschreiten wird. Das Land hat eine bemerkenswerte Revolution hinter sich. Es gab keinen Bürgerkrieg wie in anderen Staaten während oder nach der Revolution. Wir haben innerhalb kurzer Zeit eine Demokratie geschaffen, wie es sie nirgendwo sonst in Nord­afrika gibt. Wir sind ein Laboratorium der Demokratie. Es herrscht Pressefreiheit – die Medien gehen mit uns Politikern härter ins Gericht als in Europa. All das macht mich zuversichtlich, dass sich auch der Tourismus in Tunesien wieder schnell und gut entwickeln wird. Ich liebe mein Land, und ich habe mich auch als Privat- und Geschäftsmann immer für mein Land eingesetzt. Der Premierminister hat mich gebeten, dieses Engagement, das ich als Privatmann für mein Land zeige, auch in die Politik zu transportieren. Er möchte, dass ich die Art, wie ich früher als Geschäftsmann gearbeitet habe, auch in die Regierung einbringe. Genau das will ich tun.

Mit dem tunesischen Tourismusminister sprach Peter von Stamm.

Spanien

Mallorca als Vorbild

Das Stadtparlament von Palma hat eine Antisemitismus-Resolution verabschiedet – anders als der Rest des Landes

von Sabina Wolf  26.07.2024

Sport

Der Überflieger

Artem Dolgopyat ist in Israel ein Star. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio gewann der Turner Gold, 2023 wurde er Weltmeister. Nun tritt er in Paris an

von Martin Krauß  26.07.2024

Europäisches Parlament

»Zittert. Das hier ist nur der Anfang«

Die frisch gebackene französische Abgeordnete Rima Hassan hetzt gegen Israel

von Michael Thaidigsmann  25.07.2024

Ausstellung

Olympioniken im KZ Buchenwald

Auf dem Ettersberg bei Weimar treffen unterschiedlichste Biografien aufeinander

von Matthias Thüsing  25.07.2024

Frankreich

»Man ist schließlich französisch«

Ganz Paris feiert die Olympischen Spiele. Ganz Paris? Nicht alle Juden fühlen sich vom erwünschten »Wir-Effekt« angesprochen. Denn das Land bleibt zerrissen

von Sophie Albers Ben Chamo  25.07.2024

USA

Die zweite Wahl?

Mit dem Rückzug von Joe Biden und der Kandidatur von Kamala Harris könnte das Rennen um die Präsidentschaft noch einmal richtig spannend werden

von Michael Thaidigsmann  24.07.2024

Jüdische Emigration

Die Niederlande - Ein Ort der Zuflucht für Juden?

Die Historikerin Christine Kausch nimmt das Leben jüdischer Flüchtlinge in den Blick

von Christiane Laudage  24.07.2024

Vor 80 Jahren

Von Rhodos nach Auschwitz

1944 wurden 2000 Jüdinnen und Juden von Rhodos nach Auschwitz deportiert. Nur wenige überlebten

von Irene Dänzer-Vanotti  23.07.2024

Jerusalem

Nach Gaza entführter Holocaust-Experte für tot erklärt 

Der Historiker Alex Dancyg ist in der Geiselhaft umgekommen

 22.07.2024