grossbritannien

Unbeliebter Reformer

Seine Kritiker bezeichnen ihn als Opportunisten, seine Freunde halten ihn für eloquent, entschlossen und tatkräftig: John Bercow, der neugewählte Parlamentspräsident des britischen Unterhauses. In der mehr als 300-jährigen Geschichte der Houses of Parliament ist er der erste Speaker aus einer jüdischen Familie.

Buckingham Es waren drei Abstimmungsrunden nötig, bevor das Ergebnis feststand: Mit 322 von 593 Stimmen wurde John Bercow, konservativer Abgeordneter der Grafschaft Buckingham, letzte Woche zum neuen Sprecher des britischen Unterhauses gewählt. Seinem Vorgänger, dem Labour-Politiker Michael Martin, war Großbritanniens Spesenskandal zum Verhängnis geworden.

Bercow, der in seinem neuen Amt jährlich rund 170.000 Euro verdienen wird, stammt aus einfachen Verhältnissen, sein Vater war Taxifahrer. Schon in jungen Jahren kam Bercow zum ersten Mal mit der Politik in Berührung: Als Student an der Essex University wurde er Vorsitzender der Federation of Conservative Students. Eine Vereinigung, die 1986 wegen allzu radikaler Ansichten und wüsten Benehmens der Studenten aufgelöst wurde. Nach einem kurzen Abstecher bei der Hambros Bank schlug John Bercow eine politische Laufbahn ein.

Labour Mit 23 Jahren wurde er Stadtratsmitglied des Süd-Londoner Stadtteils Lambeth. Später arbeitete er einige Jahre im Schattenkabinett des Tory-Chefs Ian Duncan Smith. Anfang 2003 heiratete er Sally Illman, eine ehemalige Aktivistin der Labour Party. Zwei Jahre später lobte er in einem Brief an Tony Blair dessen »außergewöhnliche staatsmännische Qualitäten«. Bis 2007 soll Bercow mehrfach kurz davor gestanden haben, zur Labour-Partei zu wechseln.

Unter den konservativen Abgeordneten sorgte die Wahl des 46-jährigen Bercow für lange Gesichter. Laut Medienberichten hat nur eine Handvoll Tory-Abgeordneter für ihn gestimmt. Die Ursachen für seine Unbeliebtheit bei den britischen Konservativen liegen zum einen in seiner Wankelmütigkeit, die die Tories als politischen Op- portunismus auslegen, zum anderen in seiner unverblümten Art.

Humor Der neue Parlamentspräsident ist sich der Unbeliebtheit in den eigenen Reihen durchaus bewusst, wie er in seiner Antrittsrede auf humorvolle Weise zeigte. Er schilderte ein Gespräch mit dem älteren Tory-Abgeordneten Peter Tapsell, den Bercow gefragt hatte, ob er bei der Sprecher-Wahl mit seiner Stimme rechnen könne: »Sicher nicht«, soll der Tory entrüstet geantwortet haben, »Sie sind nicht nur etwas zu jung, Sie sind sogar viel zu jung, denn meiner Ansicht nach muss der Sprecher praktisch senil sein.«

Die humorvolle Einlage sorgte im Unterhaus für tosendes Gelächter. Der konservativen Abgeordneten Nadine Dorries ist das Lachen allerdings vergangen. Sie hält die Wahl des neuen Sprechers für ein abgekartetes Spiel der Labour Party: »Das war ein politischer Racheakt von Labour gegenüber einer möglichen konservativen Regierung.« Der Grund: Bercow hatte in der Vergangenheit unter anderem durch allzu deutliche Kritik an den Chefs der Tory-Partei – erst Michael Howard und später David Cameron – von sich reden gemacht. Die Konservativen befürchten nun, dass Bercow ihnen in seiner Funktion als Parlamentspräsident Knüppel zwischen die Beine werfen wird.

Anzug Bislang gab Bercow sich als entschiedener Reformer. Einen deutlich sichtbaren Bruch mit althergebrachten Traditionen vollzog er schon bei der Wahl seiner Arbeitskleidung. Er verzichtete auf die üblichen Seidenstrümpfe, Gamaschen, Lackschuhe und den opulenten Umhang und will lediglich mit einem dunklen Anzug und einem Umhang bekleidet sein Amt ausüben. Ein weiteres Novum: Er will mit seiner Frau und seinen drei Kindern in das Speaker’s House einziehen. Das Appartement mit Blick auf die Themse soll demnächst »kindgerecht« eingerichtet werden.

Spanien

»Haut ab, ihr Hurensöhne« - Gastronom vertreibt Israelis

Auf einem selbst gefilmten Video rastet ein Mann gegenüber einer Gruppe israelischer Touristen aus und beschimpft sie übel

von Michael Thaidigsmann  10.07.2025

Australien

Judenhass in Down Under

Mit unerwarteter Brutalität und Hemmungslosigkeit breitet sich der Antisemitismus im Land aus. Doch die jüdische Gemeinschaft gibt nicht auf

von Amie Liebowitz  10.07.2025

Großbritannien

BeTe’avon!

Das Jewish Museum London bittet britische Juden um Rezepte fürs Schabbatessen. Auf der Suche nach dem, was schmeckt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.07.2025

USA

Die US-Regierung, Trump und der Fall Jeffrey Epstein

Trump wollte die Akten zum Sexualstraftäter Epstein veröffentlichen, seine Mitarbeiter verbreiteten Verschwörungstheorien. Nun wollen sie davon nichts mehr wissen - das macht einige Trump-Fans wütend

von Benno Schwinghammer  09.07.2025

Spanien

Mallorca hat einen neuen Rabbiner

Rund 1000 Juden leben auf der bei deutschen Touristen beliebten Baleareninsel

 09.07.2025

Österreich

»Geschichte wurde schon immer politisiert«

Die US-Historikerin Sarah Abrevaya Stein über Gier, Künstliche Intelligenz und den Baron-Wissenschaftspreis

von Stefan Schocher  09.07.2025

Iran

Esthers Kinder

Wie die älteste Diaspora-Gemeinschaft 2700 Jahre überlebte – und heute erneut um ihre Existenz kämpft

von Stephen Tree  09.07.2025

Antizionismus

Blumen für iranischen Minister - Israel verbietet Rabbi Einreise

Yisroel Dovid Weiss ist das wohl bekannteste Gesicht von Neturei Karta, einer israelfeindlichen Organisation Ultraorthodoxer

 08.07.2025

Spanien

Zur Stierhatz mit Free Palestine

Den Startschuss zu Pamplonas berühmtem San-Fermín-Fest nutzten Palästina-Aktivisten für »Völkermord«-Vorwürfe gegen Israel. Das sorgt für Kritik

von Michael Thaidigsmann  08.07.2025