Schweiz

Trauer um eine »Macherin«

Ellen Ringier posiert vor einem Exponat der Ausstellung »Schweiz konkret« im neuen Museum »Haus Konstruktiv« in Zürich im Herbst 2001. Foto: picture alliance/KEYSTONE

Wer ihr je begegnet ist, war beeindruckt. Mit ihrem augenzwinkernden Lächeln und ihrer warmen Freundlichkeit nahm die Verlegerin und Juristin Ellen Ringier ihre Umgebung für sich ein. Sie hatte für jeden und jede stets ein gutes Wort übrig. Diese Freundlichkeit endete allerdings, wenn es um ihren Kampf gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit ging. Da war Ellen Ringier unerbittlich und kannte keine Kompromisse.

So etwa 2013, als der Rohstoffhändler Marc Rich in Luzern verstarb, der Stadt, in der Ringier geboren und aufgewachsen war. Rich, der vielen als Inbegriff des »jüdischen Kapitalisten« und skrupellosen Geschäftemachers galt, war mit Ringier befreundet gewesen, und sie scheute sich nicht, gewisse Nachrufe als »antisemitisch« zu benennen, die von »Hakennase« und »obligater Zigarre im Mund« schrieben.

Lesen Sie auch

Dass einige dieser hasserfüllten Stereotypen auch von links kamen, fand Ringier ebenso bezeichnend wie unverständlich. Denn eigentlich hatte sie sich in ihrem Engagement gegen Judenhass und für mehr Menschlichkeit immer wieder auch auf liberale und linke Kreise gestützt und war dort auf große Zustimmung gestoßen.

Etwa als Mitbegründerin und Präsidentin des Vereins »Rock gegen Hass«, eines Musikfestivals, das seit 1992 in der Schweiz ein Zeichen gegen die aufkommende Fremdenfeindlichkeit setzen soll, die sich auch in Vorurteilen gegenüber Jüdinnen und Juden äußerte. »Rock gegen Hass« fand in den ersten Jahren in Lengnau im Kanton Aargau statt, mit Endingen eines der beiden sogenannten »Judendörfer«. Das Festival schlug so einen Bogen zur Geschichte der jüdischen Minderheit im Land, die bis 1866 nur in den beiden Orten hatte leben dürfen – eine Verbindung, die auch der Idee des Festivalgründers Sidney Weill entsprach.

1999 erhielt sie den Haviva-Reik-Friedenspreis

Ringier stand außerdem dem Schweizer Freundeskreis des Israel-Museums in Jerusalem vor, engagierte sich in der Jerusalem Foundation und der Friedensorganisation Givat Haviva, welche den jüdisch-arabischen Dialog in Israel fördert – allen Schwierigkeiten zum Trotz.
1999 erhielt sie für ihr Engagement den Haviva-Reik-Friedenspreis, der Persönlichkeiten auszeichnet, die sich besonders für Menschenrechte, Frieden und Verständigung einsetzen. 2001 gründete sie die Stiftung Elternsein, um in ihrer Heimat das Thema Erziehung zu enttabuisieren.

Die groß gewachsene Ellen Ringier war eine »Macherin«. Sie war in einem doppelt gemischten Elternhaus aufgewachsen: sowohl schweizerisch-englisch als auch christlich-jüdisch. Nachdem sie an der Universität Zürich in Jura promoviert hatte, war sie Auditorin am Bezirksgericht. Im Alter von 25 Jahren heiratete sie schließlich den Verleger Michael Ringier, mit ihm hatte sie zwei Töchter, Lilly und Sophie. Die Familie lebte am Zürcher See. Als Verlegergattin – Ringier ist bis heute eines der großen Verlagshäuser in der Schweiz – hatte sie immer auch das Unternehmen im Blick, ihr Büro lag lange in unmittelbarer Nähe zum Verlagshaus.

Weltverbesserin

Zuletzt hat eine schwere Krankheit ihrem leidenschaftlichen Engagement Grenzen aufgezeigt. Dass ihre Stimme nun ganz verstummt ist, ist nicht nur für ihre Familie schwer zu begreifen. »Sie wollte die Welt ein klein bisschen besser machen«, überschrieb der ehemalige Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), Herbert Winter, seinen Nachruf in der Zeitung »Blick«. Es lässt sich sagen: Das ist ihr gelungen. Wer Reichtum und Eigentum besitze, müsse die Gesellschaft teilhaben lassen. Davon war Ellen Ringier überzeugt.

Hurrikan Melissa

»Ich habe seit einer Woche nicht geschlafen«

Wie ein Rabbiner vom Wirbelsturm in Jamaika überrascht wurde – und nun selbst Betroffenen auf der Insel hilft

von Mascha Malburg  06.11.2025

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  05.11.2025 Aktualisiert

New York

ADL will Mamdani unter Beobachtung stellen

Die Anti-Defamation League erwartet vom neugewählten New York Bürgermeister nichts Gutes. Jetzt hat die jüdische Organisation angekündigt, man werde genau hinschauen

 05.11.2025

Amsterdam

Wegen IDF-Kantor: Concertgebouw sagt Chanukka-Konzert ab

Die renommierte Musikhalle hat wegen des geplanten Auftritts von IDF-Chefkantor Shai Abramson das alljährliche Konzert abgesagt. Die jüdische Gemeinschaft ist empört und will gegen den Entscheid klagen

von Michael Thaidigsmann  05.11.2025 Aktualisiert

Essay

Mamdanis demokratische Steigbügelhalter

Führende Politiker der Demokraten haben aus Opportunismus die Wahl des Israel-Hassers Zohran Mamdani zum New Yorker Bürgermeister ermöglicht - und so in Kauf genommen, dass aus Worten gegen Israel wieder Gewalt gegen Juden werden könnte

von Menachem Z. Rosensaft  05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025

Spanien

Francos Erbe

Das Land, das den Sefardim einst ihren Namen gab, verlangt seinen Juden heute einiges ab

von Valentin Suckut  03.11.2025