Meinung

Die Schweiz hat die richtigen Konsequenzen aus den Terrorvorwürfen gegen die UNRWA gezogen – anders als Berlin

Die Schweiz würde der EU hinterherhinken, heißt es oft. Wenn es um die Zahlungen an das umstrittene Palästinenserhilfswerk UNRWA geht, ist die Schweiz dieses eine Mal federführend – und zumindest Deutschland weit voraus. Die Schweiz überweist nämlich vorerst kein Geld mehr an das Hilfswerk. Das hat der Bundesrat am Mittwoch nach seiner Sitzung mitgeteilt.

Über die Auszahlung des jährlichen Beitrags soll zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Die Schweizer Regierung möchte einen weiteren Untersuchungsbericht abwarten. Die erste Untersuchung erfolgte unter der Führung der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna. Am Montag wurden die Ergebnisse dieser Untersuchung bekannt. Sie konnte die Vorwürfe gegen die UNRWA weder bestätigen, noch hat er das Hilfswerk vollends entlastet. Für die Schweizer Regierung reichte der Bericht jedenfalls nicht aus, um die Hilfsgelder freizugeben.

Diesmal ist die Schweiz auf der Seite der Mutigen und Weitsichtigen.

Ob die Schweiz mit ihrer UNRWA-kritischen Haltung riskiert, längerfristig im Abseits zu stehen, bleibt offen. Aussenminister Ignazio Cassis dürfte zwar kein Interesse daran haben, dass die Schweiz zum Sonderfall in der westlichen Nahostpolitik wird. Er gilt aber seit Langem als ein scharfer Kritiker der UNRWA.

Vor sechs Jahren bereits bezeichnete er während einer Reise nach Jordanien das UNO-Hilfswerk als Teil des Problems im Nahen Osten. Darauf hagelte es international Kritik. Doch seit Israel mehreren UNRWA-Mitarbeitenden eine gefährliche Nähe zur Hamas vorwarf, sieht sich der Außenminister in seiner Haltung bestätigt.

Das Thema wird die Schweiz noch eine Weile beschäftigen. Nächste Woche wird unter anderem Hillel Neuer von der Außenpolitischen Kommission des Nationalrats angehört. Als Geschäftsführer von UN-Watch gilt Neuer als scharfer Kritiker der UNRWA. Man habe das Schweizer Parlament seit Jahren vergebens vor den terroristischen Aktivitäten von UNRWA-Mitarbeitern gewarnt, schreibt Neuer auf dem Kurznachrichtendienst X.

Europa nimmt in Kauf, Terrorstrukturen zu unterstützen.

Bereits vor einigen Wochen durfte UNRWA-Chef Philippe Lazzarini vor der Kommission sprechen, die damals ausnahmsweise in Genf tagte. Doch der doppelte Heimvorteil nutzte ihm wenig. Die Kommission ließ ihn dem Vernehmen nach regelrecht abblitzen. Ein Kommissionsmitglied betonte nach der Sitzung, Lazzarini habe es verpasst, transparent und klar aufzuzeigen, dass die UNRWA nicht terroristisch unterwandert sei.

Offenbar ist man in der Schweiz, der Heimat des UNRWA-Chefs, Schirmherrin der internationalen Organisationen und Fürsprecherin des humanitären Völkerrechts diesmal skeptischer als der Rest Europas. Und das sollte allen zu denken geben, die in der Sache vorpreschen und die Gelder an die UNRWA trotz der massiven Vorwürfe wieder aufgenommen haben.

So will die deutsche Regierung ihre Zusammenarbeit mit dem umstrittenen UN-Palästinenserhilfswerk im Gazastreifen fortsetzen; und dies obwohl der UN-Bericht selbst die Zweifel an der UNRWA nicht ausräumt. Das teilten das Auswärtige Amt und das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am Mittwoch in Berlin mit.

Bern zeigt, dass man auch ohne die UNRWA humanitäre Hilfe leisten kann.

Die Bundesregierung stützt sich ebenfalls auf den Bericht von Catherine Colonna. Der kurzfristige Finanzbedarf von UNRWA in Gaza sei derzeit durch vorhandene Gelder gedeckt, hieß es weiter. »Mit der Fortsetzung der akuten Zusammenarbeit stützen wir die lebenswichtige und derzeit nicht zu ersetzende Rolle von UNRWA für die Versorgung der Menschen in Gaza, denn auch andere internationale Hilfsorganisationen sind auf die operativen Strukturen von UNRWA in Gaza derzeit angewiesen«, hieß es in der Erklärung zudem.

Die deutsche Zusammenarbeit war seit Ende Januar eingefroren, weil Deutschland wie andere Staaten auch, auch Zweifel daran hatte, dass die finanziellen Zuschüsse statt bei der bedürftigen Zivilbevölkerung bei der Terrororganisation Hamas landeten. Die Zweifel sind mit dem UN-Bericht noch nicht vom Tisch, aber offenbar wiegt der humanitäre Druck höher als die Gewissheit, dass man dadurch keine Terrorstrukturen unterstützt.

UNRWA-Chef Lazzarini hat es verpasst, transparent und klar aufzuzeigen, dass die UNRWA nicht terroristisch unterwandert ist.

Zuletzt hatten deshalb nach Angaben aus Berlin auch Australien, Kanada, Schweden und Japan ihre Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk wieder aufgenommen. Hier geht das Kalkül der Hamas durchaus auf. Einige westliche Staaten entscheiden sich im Zweifelsfall dafür, angeblich Gutes zu tun, und nehmen in Kauf, Terrorstrukturen zu unterstützen.

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Diesmal ist die Schweiz auf der Seite der Mutigen und Weitsichtigen. Es ist dennoch denkbar, dass der Schweizer Bundesrat in ein paar Monaten die Gelder an die UNRWA doch noch freigeben könnte. Aber vorerst wartet er noch ab. Diese Woche entschied er lediglich, 56 Millionen Franken des humanitären Kredits Naher Osten freizugeben. Diese Tranche ist für Organisationen aus der Schweiz vorgesehen (etwa für die Fondation Terre des Hommes oder Caritas), für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz sowie für Nichtregierungsorganisationen wie Save the Children.

Damit zeigt der Bundesrat auf, dass man auch ohne die UNRWA humanitäre Hilfe leisten kann. Immerhin zeigt die Schweiz einen Weg auf, wie man das Problem lösen kann, statt es weiter mit der UNRWA zu kultivieren.

dreyfus@juedische-allgemeine.de

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