Paris

Tausende gedenken Mireille Knoll

Stilles Gedenken in Paris Foto: dpa

Tausende Pariser haben am Mittwochabend am Trauermarsch für Mireille Knoll teilgenommen. Zum Gedenken an die ermordete Holocaust-Überlebende hatte der CRIF, der Dachverband jüdischer Organisationen in Frankreich, aufgerufen. Unterstützt wurde er dabei von der Menschenrechtsliga und anderen Antirassismusorganisationen und Parteien.

Überschattet wurde die Gedenkveranstaltung von Protesten gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen und den Linksaußenpolitiker Jean-Luc Mélenchon. Beide wurden unter Polizeischutz in Sicherheit gebracht.

Place de la Nation Der CRIF hatte die Nationale Sammlungsbewegung und die extreme Linke »Das unbeugsame Frankreich« vom Gedenkmarsch ausschließen wollen. Doch deren Vorsitzende hatten sich wie die Spitzen der anderen Parteien auf dem Pariser Place de la Nation eingefunden.

Die 85-jährige Jüdin Mireille Knoll war am vergangenen Freitag tot in ihrer ausgebrannten Wohnung im 11. Pariser Arrondissement gefunden worden. Sie war mit elf Messerstichen getötet worden. Zwei junge Männer wurden festgenommen, darunter der Sohn einer Nachbarin, der als Hauptverdächtiger gilt.

Reaktionen Der Gedenkmarsch sei eine Hommage an die Frau, die auf gemeinste Art ermordet wurde, sagt der 34-jährige Arbeitslose Nordine Houadilene am Mittwochabend. Er sei da für die Familie der Frau, nicht für die Politik, fügt der aus Algerien stammende Franzose hinzu. »Es ist schockierend, solange solche Verbrecher unter uns leben«, sagt ein 80-jähriger Rentner. Eine 63-Jährige stützt sich auf ihren Stock: »Es herrscht ein wachsendes Gefühl von Unsicherheit unter Juden,« schildert die Katholikin.

Abigael ist jüdisch. Seit sie vor sieben Jahren in eine Sozialwohnung im elften Pariser Arrondissement eingezogen ist, hat sie »Angst, dass ein Drama passiert«. Die Mesusa an ihrer Haustür wurde abgerissen. »Um zwei, drei Uhr morgens klopfte es an der Tür«, erzählt die Frau um die 35, die nur ihren Vornamen nennen will: »Wir wurden beleidigt als ›dreckige Juden‹ und ›Schlampen‹.« Sie habe drohende Stimmen gehört: »Wir werden euch töten.«

ANgriffe Als die Familie im vergangenen Jahr religiöse Lieder in ihrer Wohnung sang, habe ein Nachbar die Mutter und ihre zwei Töchter am Haupteingang abgepasst: »Der Algerier sagte zu meiner elfjährigen Tochter: Du hörst nicht auf, Krach zu machen? Ich werde dich töten.« Der Mann habe auf die Frauen eingeschlagen, bis die Polizei dem Angriff ein Ende bereitete. Die Frau zählt sieben Angriffe in sieben Jahren.

»Die Zahl antisemitischer Angriffe geht zurück, aber die Angriffe werden schlimmer«, sagt Jean-Yves Camus, Direktor des Observatoriums der politischen Radikalität der Fondation Jean Jaurès. Camus bezieht sich auf die Zahl von 311 antisemitischen Taten im Jahr 2017. Es wurden Menschen gefesselt und gequält, weil bei ihnen als Juden Reichtümer vermutet wurden. Im April 2017 wurde die 65-jährige Sarah Halimi in Paris von ihrem Nachbarn umgebracht. Erst nach fast einem Jahr sprachen die Ermittler von einem antisemitischen Motiv.

»Man kann nicht sagen, dass ich mich als Jude im Alltag schlecht fühle«, sagt Camus, der nur ein paar Schritte von der Sozialwohnung entfernt wohnt, in der die ermordete Mireille Knoll lebte.

Anders als in manchen Vorortvierteln würden die Menschen im 11. Arrondissement im Alltag gut zusammenleben in diesem Viertel mit zahlreichen Läden mit koscheren Lebensmitteln. Aber selbst dort gebe es Menschen, die Juden angreifen, beklagt Camus.

Deportation Mireille Knoll war 1932 in Paris zur Welt gekommen, 1942 entkam die damals Zehnjährige der Razzia im »Vélodrome d’Hiver« in Paris, bei der 13.000 Juden in Vernichtungslager deportiert wurden.

Auch ihr bereits verstorbener Mann hatte die Schoa überlebt. Dass die allein lebende Frau nun brutal ermordet wurde, löste in ganz Frankreich Entsetzen aus. Auch in anderen Städten fanden am Abend Gedenkmärsche statt.

USA

Unsicher in New York

Zohran Mamdani ist der mögliche nächste Bürgermeister der Metropole – und für viele Juden ein Problem

von Mark Feldon  30.10.2025

Judenhass

»Ich werde Selbstmordattentäter diese Nacht«: Mann plante Messerangriff auf Juden

Der arabischstämmige Mann wurde im letzten Moment von der Polizei festgenommen. Nun stand er vor Gericht

von Nicole Dreyfus  30.10.2025

Barcelona

Mordverdacht: Ermittlungen gegen Sohn von Mango-Gründer

Spanischen Medienberichten zufolge sind die Umstände des Todes des Modeunternehmers Isak Andic im Dezember 2024 noch nicht geklärt. Doch es gibt einen Verdacht

 30.10.2025

München

Europäische Rabbiner sagen Baku-Konferenz aus Sicherheitsgründen ab

Rund 600 Teilnehmer aus aller Welt sind angemeldet. Viel Geld war in die Vorbereitung geflossen

von Imanuel Marcus, Mascha Malburg  28.10.2025 Aktualisiert

Meinung

Antisemitismus der Anständigen

Judenhass in der Schweiz ist brandgefährlich, weil er so höflich und diskret daherkommt

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.10.2025

Meinung

Die SP im moralischen Blindflug

Mit zwei widersprüchlichen Resolutionen beweist die Sozialdemokratische Partei der Schweiz einmal mehr ihre ethische Orientierungslosigkeit

von Nicole Dreyfus  27.10.2025

USA

Der reichste Mann der Welt – für einen Tag

Larry Ellison gehört zu den Großen des Silicon Valley und hält Künstliche Intelligenz für die wichtigste Erfindung der Menschheit

von Sara Pines  26.10.2025

Nachruf

Letzter Kämpfer des Aufstands des Warschauer Ghettos gestorben

Michael Smuss wurde 99 Jahre alt

 24.10.2025

Wien

Nobelpreisträger warnt vor technischer Abhängigkeit von den USA

Joseph E. Stiglitz kritisiert Präsident Trump und ruft Wissenschaft und Medien zur Verteidigung der Medienfreiheit weltweit auf

von Steffen Grimberg  24.10.2025