Schweiz

Suppenküche in Czernowitz

Jüdische Gemeinden in Osteuropa kennt der Zürcher Raymond Guggenheim ausgesprochen gut. Und zwar nicht nur die bekannteren wie die in Budapest, Prag oder Moskau, sondern auch kleinere in Weißrussland, der Ukraine oder sogar früheren asiatischen Sowjetrepubliken. Jahrelang betrieb Guggenheim ein spezielles Reisebüro: Er organisierte Touren in jüdische Städte vor allem in Osteuropa. »So konnte ich vor Ort viele Kontakte knüpfen.«

Diese Kontakte erwiesen sich als wertvoll, als sich Guggenheim vor gut 15 Jahren entschloss, etwas gegen die Armut zu tun, deren Zeuge er auf seinen Reisen geworden war. Gemeinsam mit Freunden und Bekannten gründete er den Verein Lifeline, der mit Kleidung, Medikamenten, Bettwäsche und medizinischen Geräten direkt und unbürokratisch helfen möchte.

Strukturen Anfangs fuhren die Zürcher die Hilfsgüter mit ihren eigenen Autos in die entsprechenden Gemeinden, oft waren sie dabei lange unterwegs. »Mit der Zeit wurde mir das zu viel«, räumt Guggenheim ein. Die Strukturen müssten professionalisiert werden, sahen die Vereinsmitglieder ein, die alle ehrenamtlich mitarbeiten. So machten sie sich daran herauszufinden, wie in Osteuropa, vor allem in der Provinz, anders und vielleicht noch besser geholfen werden kann.

Das setzte einiges in Gang, zum Beispiel, dass Lifeline heute in Czernowitz in der Ukraine eine Suppenküche betreibt, die jeden Tag 50 bis 60 meist ältere Menschen mit einer koscheren Mahlzeit versorgt. Kranken bringt man das Essen nach Möglichkeit nach Hause. »Dabei wird darauf geachtet, dass die Portionen so groß sind, dass vielleicht auch noch etwas für das Abendessen übrig bleibt«, sagt Guggenheim.

Doch beim Essen allein bleibt es nicht. Lifeline schreckt auch nicht vor schwierigen Aktionen zurück: So bietet man medizinische Hilfe für körperbehinderte Kinder einer Klinik im ukrainischen Odessa und einer Tagesstätte in Weißrussland an. In diesen Ländern ist der Alltag behinderter Menschen sehr viel schwieriger als in Westeuropa. Ein weiteres Projekt heißt »Nanny«. Es versucht, die Mütter behinderter Kinder zu entlasten und ihnen ein wenig Freiheit zu verschaffen.

Kontrolle Lifeline möchte bei seiner Arbeit vor allem zwei Dinge im Blick haben, sagt Guggenheim: »Es ist uns wichtig, dass wir lokale Strukturen berücksichtigen, sprich, dass Gemeindevertreter oder Rabbiner selbst Geld oder Waren verteilen können.« So ein Vorgehen sei in der Regel nicht nur effizienter als die Verteilung durch die Schweizer Vereinsmitglieder oder andere Organisationen, sondern es respektiere vor allem auch die Würde der Verteiler vor Ort. »Natürlich braucht es Kontrolle. Aber es braucht eben auch Vertrauen.«

Lifeline setzt also auf bewährte jüdische Kanäle, etwa auf Chabad-Rabbiner vor Ort. Bis jetzt sei diese Rechnung immer aufgegangen, erzählt Guggenheim.

Erfreulich sei, dass man bei den lokalen Behörden, entgegen der landläufigen Meinung, glücklicherweise eher selten auf Antisemitismus stoße, berichtet Guggenheim. Ein anderer wichtiger Punkt ist für Lifeline, dass auch nichtjüdische Projekte und Einzelpersonen unterstützt werden: »Wir denken hier ganzheitlich«, sagt der Lifeline-Initiator.

kritik Für diese Haltung musste er sich, der selbst Mitglied der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich ist, nach eigenen Angaben allerdings schon heftige Kritik anhören. »In jüdischen Kreisen können manche Leute nicht verstehen, dass wir auch andere Schwerpunkte setzen. Sie werfen mir zum Teil sogar vor, wir würden hier möglicherweise die Nachkommen von Mördern unterstützen.«

Doch lasse er sich da nicht beeinflussen, betont Guggenheim. »Lifeline ist für die Lebenden in diesen Ländern da – für möglichst viele, die alle unsere Hilfe dringend benötigen.«

Australien

Faktencheck zum Terroranschlag in Sydney

Nach dem Blutbad am Bondi Beach ist noch vieles unklar. Solche Situationen nutzen Menschen in sozialen Netzwerken, um Verschwörungsmythen zu verbreiten

 15.12.2025

Faktencheck

Ahmed Al Ahmed hat einen Angreifer am Bondi Beach entwaffnet

Ein Passant verhindert Schlimmeres - und wird im Netz umbenannt. Angeblich soll Edward Crabtree einen der Täter von Sydney entwaffnet haben. Doch die Geschichte stammt von einer Fake-Seite

 15.12.2025

Sydney

Australiens Premierminister widerspricht Netanjahu

Nach dem Anschlag in Sydney betont Premierminister Albanese: Die Anerkennung Palästinas durch Australien steht nicht im Zusammenhang mit der Tat

 15.12.2025

Kommentar

Müssen immer erst Juden sterben?

Der Anschlag von Sydney sollte auch für Deutschland ein Weckruf sein. Wer weiter zulässt, dass auf Straßen und Plätzen zur globalen Intifada aufgerufen wird, sollte sich nicht wundern, wenn der Terror auch zu uns kommt

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025

Meinung

Blut statt Licht

Das Abwarten, Abwiegeln, das Aber, mit dem die westlichen Gesellschaften auf den rasenden Antisemitismus reagieren, machen das nächste Massaker nur zu einer Frage der Zeit. Nun war es also wieder so weit

von Sophie Albers Ben Chamo  14.12.2025 Aktualisiert

Anschlag in Sydney

Felix Klein: »Von Terror und Hass nicht einschüchtern lassen«

Zwei Männer töten und verletzen in Sydney zahlreiche Teilnehmer einer Chanukka-Feier. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung äußert sich zu der Tat

 14.12.2025

Terror in Sydney

Zivilist entwaffnet Angreifer und wird als »Held« gefeiert

Zwei Männer schießen auf Teilnehmer einer Chanukka-Feier in Sydney: Es gibt Tote und Verletzte. Ein Video soll nun den mutigen Einsatz eines Passanten zeigen

 14.12.2025

Australien

Merz: »Angriff auf unsere gemeinsamen Werte«

Bei einem Anschlag auf eine Chanukka-Feier in der australischen Metropole gab es viele Tote und Verletzte. Der Bundeskanzler und die Minister Wadephul und Prien äußern sich zu der Tat

 14.12.2025 Aktualisiert

Terror in Sydney

Zentralrat der Juden: »In Gedanken bei den Betroffenen«

Der Zentralrat der Juden und weitere jüdische Organisationen aus Deutschland äußern sich zu dem Anschlag auf eine Chanukka-Feier im australischen Sydney

 14.12.2025 Aktualisiert