Frankreich

Spätzünder unter Druck: Kritik am Präsidenten nach Feier im Elysée

Emmanuel Macron mit Frankreichs Oberrabbiner Haim Korsia (M) und CER-Präsident Pinchas Goldschmidt Foto: Conference of European Rabbis

Was im Weißen Haus in Washington eine Selbstverständlichkeit ist, ist in Frankreich ein Stein des Anstoßes: Im großen Festsaal des Pariser Elysée-Palasts entzündete Frankreichs Oberrabbiner Haim Korsia gestern in Anwesenheit zahlreicher Kollegen aus ganz Europa die erste Chanukka-Kerze.

Der Hausherr, Staatspräsident Emmanuel Macron, stand lächelnd daneben. Es war das erste Mal, dass der Amtssitz des Präsidenten Schauplatz für eine solche jüdische Zeremonie war.

Eigentlicher Anlass war die Verleihung des Lord-Jakobovits-Preises der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER) an Macron. Der Zusammenschluss orthodoxer Rabbiner in ganz Europa wollte dem 45-jährigen Staatschef, der seit 2017 amtiert, mit dieser Auszeichnung für sein Eintreten gegen Antisemitismus und die Freiheit der Religionsausübung danken.

»Von der Bekämpfung des Hasses im Internet über die Aufrechterhaltung des Gedenkens an die Schoa bis hin zur Verhängung härterer Sanktionen gegen antisemitische Straftaten: Präsident Macron hat sich fest an die Seite der französischen und europäischen Juden gestellt«, sagte der CER-Präsident und langjährige Moskauer Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt in seiner Laudatio.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Goldschmidt forderte Macron auf, sich »weiterhin für eine blühende Zukunft des jüdischen Lebens in Frankreich und Europa einzusetzen. Dies beginnt mit der Gewährleistung der Sicherheit der 440.000 französischen Juden, die seit den tragischen Ereignissen vom 7. Oktober mit einem schockierenden Ausmaß an Antisemitismus konfrontiert sind. Es ist sehr wichtig, dass die Französische Republik, in der so viele Juden eine Heimat gefunden haben, mit gutem Beispiel vorangeht und ihren Grundsätzen von Emanzipation und Freiheit gerecht wird.« Frankreich hat zahlenmäßig die mit Abstand größte jüdische Gemeinschaft aller europäischen Staaten.

Macron war nicht der erste Staats- und Regierungschef, dem die CER die Auszeichnung zusprach. Auch die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel und der spanische König Felipe gehören zu den Preisträgern. Dennoch stieß die Zeremonie am Donnerstagnachmittag offenbar auf Unbehagen bei einigen Elysée-Beamten: Sie war vorab nicht auf der Webseite des Präsidentenpalastes angekündigt – im Gegensatz zu anderen offiziellen Terminen des Präsidenten am selben Tag, wie einem Arbeitsessen mit Ungarns Premier Viktor Orbán. Auch Pressevertreter waren bei der Zeremonie ausdrücklich nicht erwünscht. Und im Anschluss wurden vom Präsidialamt weder Bilder noch ein Communiqué verbreitet.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Macron steht seit dem Hamas-Terroranschlag vom 7. Oktober innenpolitisch unter Druck. Während sich viele ein deutlicheres Eintreten für den Schutz der Juden im Land und ein Zeichen der Solidarität mit Israel wünschen, trommelt Macrons Intimfeind, der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon, seit Wochen gegen den Präsidenten. Er wirft ihm vor, französische Interessen zu verraten und sich zu freundlich Israel gegenüber zu verhalten.

Zwar hatte Macron vor Wochen trotz Kritik von Seiten Mélenchons zu Demonstrationen gegen Antisemitismus aufgerufen, bei denen sich schließlich am 12. November in ganz Frankreich rund 180.000 Menschen versammelten. Doch – und das brachte ihm dann Kritik auch aus der jüdischen Gemeinschaft ein – nahm der Präsident selbst nicht daran teil.

Hinzu kommt, dass in Frankreich zwischen religiösen und weltlichen Angelegenheiten seit Langem scharf getrennt wird. Mit der »Laïcité«, die mit »Neutralitätspflicht des Staates« nur unzureichend beschrieben ist, nehmen es die meisten Franzosen sehr ernst. Religiöse Feiern im Elysée-Palast, dem Zentrum staatlicher Macht, sind eigentlich ein No-Go. Zwar gab es während der Amtszeit des Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing (1974-1981) eine Weihnachtsfeier in der Rue du Faubourg Saint-Honoré. Doch ein jüdisches Fest wurde bislang dort nicht gefeiert.

Oberrabbiner Haim Korsia habe darauf gedrängt, dass die Veranstaltung jetzt abgehalten und nicht verschoben werde, war aus Teilnehmerkreisen zu erfahren.  Doch für seine Teilnahme am Kerzenzünden musste Macron in den sozialen Netzwerken umgehend heftige Kritik einstecken. »Die Kerze, die gestern Abend im Elysee-Palast in Anwesenheit Macrons für Chanukka angezündet wurde, war ein ziemlicher Fauxpas. Wie kann man danach die Regeln des Laizismus für alle durchsetzen?,« schrieb der TV-Journalist Renaud Pila auf X (ehemals Twitter).

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Ein anderer Journalist witzelte: »Emmanuel Macron hat nicht an der Demonstration gegen Antisemitismus teilgenommen und versucht, das mit dem Anzünden von Chanukka-Kerzen nachzuholen. Das nennt man einen Spätzünder.« Und die rechtskonservative Kommentatorin Eugénie Bastié sagte: »Indem er das tut, nährt Emmanuel Macron den Antisemitismus.« Sie hätte es noch verstanden, so Bastié, wenn Macron sich für das Kerzenzünden in eine Synagoge begeben hätte. »Aber im Elysée?«

Laurent Jacobelli, Abgeordneter des Rassemblement National von Marine Le Pen, sagte im Sender BMFV: »Durch seine Nichtteilnahme am Marsch gegen Antisemitismus hat Emmanuel Macron ein tristes Zeichen an unsere Landsleute jüdischen Glaubens gesendet.«

Auch aus den eigenen Reihen bekam Macron Schelte. Der Bürgermeister von Cannes, David Lisnard, bedauerte die Weigerung des Staatspräsidenten, am Marsch gegen den Antisemitismus teilzunehmen, »mit der inkongruenten und falschen Begründung, die nationale Einheit zu wahren«. Lisnard weiter: »Die Feier eines religiösen Festes im Präsidentenpalast? Meines Wissens ist das ein Novum. Es verstößt gegen den Laizismus.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Die Abgeordnete Ersilia Soudais von Mélenchons Linkspartei LFI verwies ihrerseits auf ein Gesetz von 1905, das klarstellt, dass der französische Staat »keine Religion anerkennt, bezahlt oder subventioniert«. Emmanuel Macron sei »erneut in flagranti bei der Verletzung des Laizismus ertappt« worden, schrieb sie auf X.

Ihr Parteifreund René Pilato verurteilte die Zeremonie ebenfalls und stellte sogar einen Zusammenhang her zum aktuellen Krieg im Nahen Osten. »Mitten im israelisch-palästinensischen Konflikt« sei die Veranstaltung abgehalten worden, wetterte Pilato. »Statt einer Messe im Élysée-Palast sollten Sie lieber laut und deutlich rufen: ›Waffenstillstand jetzt‹ «, erklärte er.

Auf Nachfrage der Zeitung »Le Figaro« betonte der Elysée den »Kontext« des Abends. Es sei da »in keiner Weise« um die Feier eines jüdischen Feiertags gegangen, sondern um eine Preisverleihung.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Klar ist aber schon jetzt: Die Entscheidung des Präsidialamtes, keine Medienvertreter zuzulassen, ist nach hinten losgegangen. Jetzt kursieren statt Agenturbildern verwackelte Handyaufnahmen in den sozialen Medien. Dass man die Veranstaltung nicht würde geheim halten können, dürfte auch dem Elysée klar gewesen sein. Macron wird sich in den kommenden Tagen noch beißender Kritik stellen müssen. Ob die Rabbiner ihm und sich damit einen Gefallen getan haben?

Selbst der Präsident des jüdischen Dachverbands CRIF, Yonathan Arfi, distanzierte sich am Freitag von der Veranstaltung. »Der Elysée-Palast ist tatsächlich nicht der richtige Ort, um eine Chanukka-Kerze anzuzünden«, sagte Arfi in einem Radiointerview. Es sei in der »DNA der Republik«, dass sich der Staat »von allem Religiösen fernhält«, und eine solche Geste stelle die Grundsätze der Laizität in Frage.

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025

Imanuels Interpreten (13)

Herb Alpert: Der Universalkünstler

Vom Trompeter zum Philantropen: Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Kalifornien erreichte in den 90 Jahren seines bisherigen Lebens viel

von Imanuel Marcus  10.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  10.09.2025 Aktualisiert

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025

Belgien

Aus der Straße des Antisemiten wird die Straße der Gerechten

In Brüssel gibt es jetzt eine Rue Andrée Geulen. Sie ist nach einer Frau benannt, die im 2. Weltkrieg mehr als 300 jüdische Kinder vor den deutschen Besatzern rettete. Doch bei der Einweihung herrschte nicht nur eitel Sonnenschein

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Vuelta

Spanischer Radprofi Romo stürzt wegen Protestaktion

Die »propalästinensischen« Proteste bei der Spanien-Rundfahrt nehmen kein Ende. Auf der 15. Etappe ist es zu Stürzen gekommen

 07.09.2025