USA

»Robby, sie kommen nicht mehr heim«

Robert und Michael Meeropol waren sechs und zehn Jahre alt, als ihre Eltern 1953 hingerichtet wurden: Ethel und Julius Rosenberg, in den USA zum Tode verurteilt, weil sie in den 40er-Jahren den Russen geheime Baupläne der Atombombe zugespielt haben sollten. Jetzt ist Michael Meeropol 73 und hat gemeinsam mit seinem Bruder an Barack Obama appelliert: Vor Amtsende am 20. Januar solle der Präsident anerkennen, dass das Todesurteil gegen ihre Mutter Ethel Rosenberg unrechtmäßig gewesen sei.

Er hoffe auf eine positive Antwort, sagte der pensionierte Wirtschaftsprofessor dem Evangelischen Pressedienst (epd). Über Jahre angehäufte Indizien zugunsten seiner Mutter seien eindeutig, erklärt Meeropol. Ethel sei vor Gericht gestellt und zum Tod verurteilt worden, um Julius unter Druck zu setzen. Der Kronzeuge habe gelogen. Fast 50.000 Menschen haben das Bittgesuch mitunterzeichnet.

elektrischer stuhl Ethel und Julius Rosenberg wurden am 19. Juni 1953, einem Freitag, vor Sonnenuntergang auf dem elektrischen Stuhl in New York hingerichtet. Die Rosenbergs waren Juden. Aus Rücksicht habe man den Strom vor Beginn des Schabbat eingeschaltet, berichteten Medien.

Am Tag der Hinrichtung wurden die Jungen zum Spielen ins Freie geschickt, weg vom Radioapparat. Die Erwachsenen hätten die Todesnachricht von ihnen fernhalten wollen, erzählte Michael. Doch er habe verstanden, seinem jüngeren Bruder nichts vormachen wollen und ihm gesagt: »Robby, sie kommen nicht mehr heim«. Die Jungen wurden später von dem Ehepaar Anne und Abel Meeropol adoptiert, dessen Namen sie noch heute tragen.

Die Rosenbergs, er Ingenieur, sie Hausfrau, beide Kommunisten, wurden 1951 in New York City festgenommen. Richter Irving Kaufman erklärte, das Paar habe »den Russen die A-Bombe in die Hände« gespielt. FBI-Direktor J. Edgar Hoover sprach vom »Verbrechen des Jahrhunderts«.

Der Papst bat um Gnade, ebenso Albert Einstein und Pablo Picasso. Weltweit wurde demonstriert. Fotos zeigen eine Kundgebung vor dem Weißen Haus: Die Söhne Michael und Robert stehen am Zaun, um Eisenhower einen Bittbrief zu geben, wie es hieß.

kommunisten Die Demonstranten hielten die Rosenbergs für Opfer des Kalten Krieges. Die Angst vor den Kommunisten war riesig, und ebenso die Angst vor einem Atomschlag: Schulen zeigten damals Zivilverteidigungsfilme, bei Atomgefahr sollten die Kinder unter ihre Pulte kriechen.

Michael und Robert lebten während des Prozesses zeitweilig in einem Waisenhaus. Manche Verwandte hätten Angst gehabt, sie aufzunehmen, sagte Robert dem Sender CBS. Sein Onkel betrieb einen Lebensmittelladen. »Wenn Leute herausfinden, dass ich die Kinder der Rosenbergs habe, kaufen sie nicht mehr bei mir ein«, habe er gesagt.

»Denkt immer daran, dass wir unschuldig sind und nicht gegen unser Gewissen handeln konnten«, schrieben Ethel und Julius im Abschiedsbrief an ihre Kinder. Das Gesuch an Obama ist ein weiteres Kapitel der Auseinandersetzung mit dieser Beteuerung.

Er habe bereits Anfang der 80er-Jahre in Erwägung gezogen, dass sein Vater »in eine Art Industriespionage« involviert gewesen sein könnte, sagte Michael Meeropol. Diese Ahnung sollte sich mehr als bestätigen: 1995 veröffentlichte der Geheimdienst National Security Agency Protokolle abgehörter sowjetischer Kommunikation, denen zufolge Julius Rosenberg spioniert hat – er war Teil einer Verschwörung, um rüstungswichtige Daten zu beschaffen.

rehabilitierung Ethel aber sei nicht als Agentin geführt worden. Ihre Rehabilitierung wünschen sich nun die Söhne. Der Kronzeuge des Prozesses war Ethels Bruder David Greenglass, selbst Mitspion. Er sagte in einem Interview für das Buch The Brother von Sam Roberts (2001), seine entscheidende Aussage über Ethels Teilnahme an Atomspionage sei erlogen gewesen: Ethel habe gar keine Atomdokumente abgetippt.

2015 veröffentlichte das National Security Archive das Protokoll von Greenglass’ Verhör vor dem Prozess: Darin sagte Greenglass, er habe mit Ethel nicht über Spionage gesprochen. Wissenschaftler bezweifeln den Wert der beim Prozess zur Sprache stehenden Dokumente.

Im Dezember vergangenen Jahres legte die Juraabteilung der katholischen Seton Hall-Universität in New Jersey eine Untersuchung zum Fall vor: Die Forscher hätten ein FBI-Dokument von 1950 gefunden, demzufolge die US-Regierung nur minimale Indizien gegen Ethel gehabt habe: Man habe sie vor Gericht gestellt in der Hoffnung, Julius zum Reden zu bringen. Doch Ethel und Julius schwiegen beide.

Die Vernehmung von Greenglass führte ein aggressiver junger Staatsanwalt namens Roy Cohn. Später wurde Cohn Berater eines gegen den Kommunismus gerichteten Senatsausschusses (McCarthy-Ausschuss) – und in den 70er-Jahren Anwalt für einen Immobilienunternehmer namens Donald Trump. 1986 verlor Cohn wegen Betrugs die Anwaltslizenz.

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025