Antisemitismus

Reißleine für Abgeordnete

Das ungarische Parlament Foto: dpa

Das ungarische Parlament hat Konsequenzen aus dem Skandal um den Abgeordneten Márton Gyöngyösi gezogen. Der Politiker der rechtsextremen Jobbik-Partei hatte Ende November die Regierung in einer Debatte um den Nahostkonflikt aufgefordert, eine Liste der jüdischen Mitglieder von Regierung und Parlament vorzulegen, da diese »ein Risiko für die nationale Sicherheit« darstellten. Der Vorschlag hatte eine Protestwelle sowohl in Ungarn als auch im Ausland ausgelöst.

Damit solche Ausfälle in Zukunft sanktioniert werden können, hat das ungarische Parlament wenige Tage vor Weihnachten seine Geschäftsordnung geändert. Redebeiträge, die eine nationale, ethnische oder religiöse Gruppe »besonders stark« verletzen, sollen ab Januar 2013 mit einem Verweis aus dem Plenum oder einer Geldstrafe sanktioniert werden.

Parlamentspräsident László Kövér soll Strafen auch maximal fünf Tage im Nachhinein verhängen können. In der Vergangenheit meldeten sich Jobbik-Abgeordnete gezielt zu rassistischen Beiträgen, wenn der ihrer Partei angehörende Vize-Parlamentspräsident Zoltán Balczó die Sitzung leitete.

Eklat Nur wenige Tage nach dem Eklat um Gyöngyösi war es im ungarischen Parlament erneut zu einem hitzigen Wortwechsel gekommen. Jobbik-Chef Gábor Vona verteidigte seinen Fraktionskollegen und warf den anderen Parteien eine »Hysteriekampagne« vor. Daraufhin platzte János Fónagy, einem Staatssekretär der nationalkonservativen Fidesz-Regierung, der Kragen. Er wies auf die Ermordung von 600.000 ungarischen Juden während des Holocaust hin und bekannte sich zu seiner Herkunft: »Mein Vater und meine Mutter waren Juden, ich bin es auch, ob es einem gefällt oder nicht.«

Der Umgang von Ungarns nationalkonservativer Regierungspartei Fidesz mit dem Thema Antisemitismus gilt als ambivalent. Einerseits gehören der Partei mehrere prominente Mitglieder an, die sich offen zu ihrer jüdischen Herkunft bekennen, neben Fónagy beispielsweise der Fidesz-Mitbegründer Tamás Deutsch. Ministerpräsident Viktor Orbán hat antisemitische Vorfälle mehrmals verurteilt.

Nach dem Skandal um Gyöngyösi sagte er: »Solange ich hier stehe, darf in Ungarn niemand wegen seines Glaubens, seiner Überzeugung oder Herkunft benachteiligt werden.« Auch die Initiative für schärfere Parlamentssanktionen ging von der Fidesz aus.

Kontakte Andererseits gehört zu den Fidesz-Gründern auch der Journalist Zsolt Bayer, der immer wieder mit antisemitischen Äußerungen von sich reden macht. Ministerpräsident Orbán pflegt bis heute enge Beziehungen zu Bayer. Jüngst sprach der Vorsitzende der »Ungarischen Kunstakademie«, György Fekete, dem Orbán zu Macht und Einfluss verholfen hat, dem ungarisch-jüdischen Schriftsteller György Konrád ab, ein Ungar zu sein.

Eine Distanzierung Orbáns blieb aus. Auch wurden mehrere antisemitische Schriftsteller der Zwischenkriegszeit jüngst rehabilitiert und ihre Werke in die Lehrpläne der staatlichen Schulen aufgenommen.

Meinung

Die Columbia und der Antisemitismus

Ein neuer Bericht offenbart: An der US-Eliteuniversität sind die Nahoststudien ideologisch einseitig und jüdische Studenten nicht sicher. Es ist ein Befund, der ratlos macht

von Sarah Thalia Pines  22.12.2025

Frankreich

Jüdische Kinder vergiftet, aber Antisemitismus spielt keine Rolle

Ein Kindermädchen, das ihre jüdischen Arbeitgeber vergiftet hatte, wurde nun in Nanterre verurteilt - allerdings spielte ihr Antisemitismus im Urteil keine Rolle. Das sorgt für Protest

 22.12.2025

Australien

Gedenken am Bondi Beach – Forderung nach Aufklärung

Kerzen, Schweigen, Applaus und Buh-Rufe: Am Strand in Sydney trauern Tausende um die Opfer des Anschlags. Was die jüdische Gemeinde und Australiens Politik jetzt fordern

 22.12.2025

Belgien

IS droht mit Anschlägen auf Synagogen und Kirchen

Die Hintergründe

 18.12.2025

Sydney

Jüdische Bäckerei schließt wegen Antisemitismus

Nach Jahren der Anfeindungen und dem schwersten antisemitischen Anschlag auf australischem Boden hat eine beliebte jüdische Bäckerei für immer geschlossen

 18.12.2025

Strassburg

Glühwein und Kippa

In der selbst ernannten »Weihnachtshauptstadt« lebt eine traditionsbewusste jüdische Gemeinde. Wie passt das zusammen? Eine Reise zu koscheren Plätzchen und Pralinen mit »Jahresendgeschmack«

von Mascha Malburg  23.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Weitermachen oder die jüdische Resilienz

Verfolgung, Exil und Gewalt konnten es nicht brechen: Die Widerstandsfähigkeit des jüdischen Volkes prägt seine Geschichte bis heute

von Nicole Dreyfus  18.12.2025

Australien

Bericht: Die Heldentat von Ahmed Al-Ahmed sorgt auch in Syrien für Jubel

Die Berichterstattung über den »Helden von Sydney« hat auch dessen Heimatort erreicht und bringt Stolz in eine Trümmerlandschaft

 18.12.2025

Berlin

Ehrung von Holocaust-Überlebenden

Die »International Holocaust Survivors Night« ehrt jedes Jahr Überlebende der Schoah. Die virtuelle Veranstaltung hat sich inzwischen zu einer Feier entwickelt, an der Teilnehmende aus fast 20 Ländern mitwirken

 18.12.2025