Frankreich

Rechts gewinnt

Feiert ihren Erfolg: FN-Chefin Marine Le Pen Foto: dpa

Nach dem Erfolg des rechtsextremen Front National (FN) bei den Kommunalwahlen ist Frankreichs jüdische Gemeinschaft schockiert und befürchtet eine weitere Verschlechterung des Klimas für Juden. »Wir sind besorgt«, sagte Roger Cukierman, Präsident der jüdischen Dachorganisation CRIF, im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. »Wir hatten die Wähler aufgerufen, für gemäßigte Parteien zu stimmen und den Front National zu meiden.«

Die rechte Partei ist der heimliche Wahlsieger. Im nordfranzösischen Hénin-Beaumont eroberte sie bereits das Rathaus. Dort haben die Union der jüdischen Studenten Frankreichs (UEJF) und die Organisation SOS Racisme zur Gründung eines Überwachungskomitees geraten, das gegen die »giftigen Ideen« des FN kämpfen soll.

Wahlbeteiligung Insgesamt kommt der Front National zwar nur auf rund sieben Prozent der Stimmen, in zwölf Gemeinden mit mehr als 1000 Einwohnern liegt er aber an der Spitze, und auch in einigen Städten erreichte er bemerkenswerte Resultate. In Marseille, der zweitgrößten Stadt des Landes, erzielte der FN-Kandidat Stéphane Ravier mit 23 Prozent ein spektakuläres Ergebnis. Die Parteivorsitzende Marine Le Pen jubelte: »Das ist ein guter Jahrgang und das Ende des Zwei-Parteien-Systems.« Dem Front National kam auch der historisch hohe Prozentsatz an Stimmenthaltungen zugute: 38 Prozent der Franzosen haben nicht gewählt.

Vor allem im Süden des Landes hat der FN Boden gewonnen. So liegen die Rechtsextremen in Perpignan, Fréjus und Avignon vorne. In der Rhônestadt hat FN-Kandidat Philippe Lottiaux rund 30 Prozent der Stimmen geholt. Die dortige jüdische Gemeinde mit ihren 2000 Mitgliedern ist entsetzt über das Wahlergebnis. »Wir stehen quasi unter Schock, auch wenn es uns nicht überrascht, dass die FN-Liste in Avignon an der Spitze liegt«, sagt Gemeindechef Jacques Attali. »Seit den letzten Kommunalwahlen 2008 hat der FN sein Ergebnis verdreifacht!« Attali wünscht sich dennoch einen Dialog mit dem neuen Bürgermeister.

Die Parteivorsitzende Marine Le Pen tut alles dafür, die antisemitischen Tendenzen ihrer Partei zu verstecken. Sie passen nicht zum modernen, »marine-blauen« Image. In Nizza antwortete sie auf die Frage eines Passanten, ob ihre Partei noch immer judenfeindlich sei: »Sie ist es nie gewesen. Die wirkliche Gefahr für Juden besteht im Aufstieg des islamischen Fundamentalismus in unserem Land.«

Schoa-leugnung Doch zwischen Marketing und Wirklichkeit klafft eine große Lücke. Im Wahlkampf haben sich einige Politiker erneut juden- oder israelfeindlich geäußert. »Auch wenn die Vorsitzende selbst noch nie derartige Parolen ausgegeben hat, befinden sich doch unter den FN-Politikern Antisemiten und Holocaustleugner«, sagt CRIF-Chef Roger Cukierman. Jacques Attali weist darauf hin, dass die Partei das Schächten und die Brit Mila, zwei Grundprinzipien des Judentums, ablehnt.

Für den zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag hat der sozialistische Premierminister Jean-Marc Ayrault dazu aufgerufen, einen »demokratischen Damm« zu errichten. In Städten, in denen der FN ein gutes Ergebnis erzielt hat, sollen Sozialisten oder Konservative ihre Liste zurückziehen, um dem jeweils anderen Lager zu helfen. »Wir würden uns über Solidarität unter den Parteien sehr freuen«, meint Cukierman, »bisher ist aber kaum jemand diesem Aufruf gefolgt.«

Dänemark

Männer sollen 760.000 Euro für die Hamas gesammelt haben

Am Dienstagmorgen nahm die Polizei einen 28-Jährigen fest. Sein mutmaßlicher Komplize sitzt bereits in U-Haft

 05.12.2025

Antisemitismus

Litauen: Chef von Regierungspartei wegen Antisemitismus verurteilt

In Litauen ist der Chef einer Regierungspartei mehrfach durch antisemitische Aussagen aufgefallen. Dafür musste er sich vor Gericht verantworten. Nun haben die Richter ihr Urteil gefällt

 04.12.2025

Ukraine

Alles eine Frage der Herkunft

Wie ein Korruptionsskandal den antisemitischen Narrativen in Russland Vorschub leistet

von Alex Friedman  04.12.2025

Berlin

Prozess um Attentat am Holocaust-Mahnmal fortgesetzt

Das überlebende Opfer, der 31-jährige spanische Tourist Iker M., wollte am Mittwoch persönlich vor dem Kammergericht aussagen

 03.12.2025

Sydney

Jüdische Organisationen prangern »Geißel« Antisemitismus an

Im Fokus steht dieses Mal Australien. Es ist Gastgeber einer Konferenz der internationalen jüdischen Initiative »J7«. Sie stellt Zahlen zu Judenhass auf dem Kontinent vor - und spricht von historischen Höchstständen

von Leticia Witte  02.12.2025

New York

Das sind die Rabbiner in Mamdanis Team

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat Mamdani keinen Ortodoxen in seine Übergangsausschüsse berufen – eine Lücke, die bereits im Wahlkampf sichtbar wurde

 02.12.2025

Italien

Francesca Albanese und ihre »Mahnung« an die Presse

In Turin wurden die Redaktionsräume von »La Stampa« von Demonstranten verwüstet. Die Reaktion der UN-Sonderbeauftragten für die Palästinensergebiete verstörte viele

von Michael Thaidigsmann  02.12.2025

Jüdisches Leben im Libanon

Noch immer hat Beirut eine Synagoge, aber die Gläubigen nehmen ab

Einst war Libanon ihr Zufluchtsort, dann kam der Bürgerkrieg, und viele gingen. Doch nach wie vor gehören Juden zu den 18 anerkannten Religionsgruppen im Libanon - auch wenn nur noch wenige im Land leben

von Andrea Krogmann  02.12.2025

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

Interview

»Meinungsvielfalt gilt es auszuhalten« 

Am 8. Dezember wählt die Gemeindeversammlung der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich ein neues Präsidium. Ein Gespräch mit den Kandidaten über Herausforderungen an die Gemeinde, Grabenkämpfe und Visionen

von Nicole Dreyfus  01.12.2025