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Geschändete Grabsteine im Elsass Foto: dpa

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Erstmals werden in einer Antisemitismus-Studie auch Juden nach ihren Erfahrungen befragt

von Philipp Peyman Engel  04.06.2012 19:34 Uhr

Wer sich mit Studien zum Thema Antisemitismus in Europa befasst, stellt rasch fest: Die Wissenschaft erforscht den Judenhass zwar in all seinen Facetten, aber die unmittelbar Betroffenen lässt sie häufig außen vor. Nur allzu oft bleibt die Frage unbeantwortet, wie Juden die Anfeindungen wahrnehmen und welche Auswirkungen sie auf ihre Lebenswirklichkeit haben. Die bislang vorhandenen Daten zu den Folgen des Antisemitismus sind lückenhaft, die Erhebungen in den EU-Staaten lassen sich nicht miteinander vergleichen.

Um dies zu ändern, hat die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) im vergangenen Jahr beschlossen, eine umfangreiche Studie in Auftrag zu geben, bei der ausschließlich Juden befragt werden. Dieser Tage nun haben die mit der Umfrage beauftragten Forschungsinstitute Jewish Policy Research (JPR) und Ipsos ihre Arbeit aufgenommen. »Wahrnehmung von und Erfahrungen mit Antisemitismus bei Juden in ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten«, so der etwas sperrige Titel der Studie, deren Ergebnis 2013 erwartet wird.

stichproben In neun EU-Ländern – Belgien, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, Lettland, Rumänien, Schweden und Großbritannien – werden Stichproben mit 350 bis 1.500 Teilnehmern mittels eines standardisierten Online-Fragebogens gemacht.

Für den Leiter der Abteilung Gleichheit und Bürgerrechte der FRA, Ioannis Dimitrakopoulos, kommt es bei der Studie vor allem darauf an, verlässliche und vergleichbare Daten zu sammeln. »Nur so kann man den Antisemitismus effektiv und nachhaltig bekämpfen.« Ziel sei es, auf Grundlage der erhobenen Daten den politischen Entscheidungsträgern in Europa die Wichtigkeit von politischen und rechtlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus zu verdeutlichen.

Für den in Jerusalem lehrenden Migrationsforscher Sergio DellaPergola ist ein anderer Aspekt mindestens ebenso wichtig. »Durch unsere Befragungen kommen Juden in einer groß angelegten Studie zum ersten Mal selbst zu Wort«, sagt der für die Erhebungen der Daten in Italien zuständige Wissenschaftler. »Bisher wurde stets von ›der‹ jüdischen Gemeinschaft in Europa gesprochen. Wer genau damit gemeint ist und wie ›die‹ Juden in Europa denken und fühlen, ist bisher jedoch nicht bekannt.«

verständnis Der Präsident des Europäisch-jüdischen Kongresses (EJC), Moshe Kantor, hofft, dass die Politiker in Europa durch die Studie in Zukunft ein besseres Verständnis für die Situation der Juden haben werden. »Attentate wie das am 19. März in Toulouse zeigen, dass Juden in manchen Teilen Europas in großer Gefahr sind«, sagt Kantor. Wichtig sei es vor diesem Hintergrund, die bereits existierenden EU-Gesetze gegen Antisemitismus konsequent anzuwenden.

Nach Ansicht des World Jewish Congress (WJC) hingegen geht die Initiative der EU nicht weit genug. Zwar begrüßt die Organisation die Durchführung der Studie nachdrücklich, wie Michael Thaidigsmann, Pressesprecher des WJC, auf Anfrage betont. Gleichwohl hofft er, »dass es bald möglich sein wird, in allen 27 EU-Ländern eine solche Erhebung durchzuführen und entsprechende Maßnahmen zur Bekämpfung des Antisemitismus zu verabschieden«. Denn erst, wenn der Judenhass EU-weit erforscht und erfasst werde, könne man in ganz Europa erfolgreich dagegen angehen, so der WJC.

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