Budapest

Papst beklagt bei Kurzbesuch in Ungarn Judenhass

Papst Franziskus am Sonntag in Budapest bei seinem Treffen mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinschaft von Ungarn. Foto: imago images/Independent Photo Agency Int.

Papst Franziskus hat bei einem Kurzbesuch in Ungarn einen weiterhin in Europa schwelenden Antisemitismus beklagt. »Das ist eine Lunte, die gelöscht werden muss«, sagte er am Sonntag in Budapest bei einem Treffen mit Vertretern anderer Kirchen und jüdischer Gemeinden.

Vor dem Hintergrund antisemitischer Tendenzen unter ungarischen Regierungsvertretern warnte das katholische Kirchenoberhaupt vor einer Neigung, andere zu absorbieren oder in Ghettos zu verbannen, anstatt sie zu integrieren. »Wir müssen wachsam sein und dafür beten, dass dies nicht mehr vorkommt«, sagte Franziskus zum Auftakt seiner 34. Auslandsreise.

Bei einer Begegnung mit Vertretern des Ökumene-Rats und jüdischer Gemeinden forderte der Papst die ungarischen Christen als Vertreter der Mehrheitsreligion dazu auf, »in diesem Land die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Religionsfreiheit für alle respektiert und gefördert wird«. Der immer wieder aufkommende Hass dürfe nicht die Oberhand gewinnen. Juden und Christen hätten in Ungarn trennende Mauern der Vergangenheit niedergerissen, sagte der Papst. Sie sähen im jeweils anderen nicht länger einen Fremden und Gegner, sondern einen Freund.

Franziskus nutzte die Begegnung auch, um Glückwünsche zu den beiden jüdischen Festen Rosch Haschana und Jom Kippur zu übermitteln. Gleichzeitig erinnerte er an den jüdischen Dichter Miklós Radnóti, der 1944 ein Jahr nach dem Übertritt in die katholische Kirche Opfer des Holocausts wurde.

Im Rahmen des knapp siebenstündigen Besuchs traf der Papst auch mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und mit Präsident János Àder zusammen. Die Begegnung sei »planmäßig« abgelaufen, teilte der Vatikan mit. Den Angaben zufolge ging es dabei kurz nach Inkrafttreten eines umstrittenen Gesetzes, das die Rechte Homosexueller einschränkt, neben Umweltschutz auch um die Verteidigung der Familie. Insbesondere Ungarns rigide Flüchtlingspolitik widerspricht den vom Papst geforderten Bemühungen um Aufnahme und Integration von Flüchtenden.

Eine Begegnung mit den katholischen Bischöfen Ungarns nutzte der Papst für einen Appell zur Offenheit gegenüber ihrem multikulturellen Umfeld. Unterschiedliche Ethnien, Minderheiten, Religionsgemeinschaften und Migranten hätten das Land verwandelt.

Dabei zeigte Franziskus Verständnis für Ängste vor dem Verlust von Sicherheit und Stabilität. Er mahnte die Bischöfe gleichzeitig, die veränderte Realität als Gelegenheit zu nutzen, um ihre Herzen zu öffnen. »Wir brauchen eine Kirche, die neue Brücken des Dialogs« öffnet, sagte er.

An einer Messe unter freiem Himmel in Budapest zum Abschluss des Eucharistischen Weltkongresses nahmen laut offiziellem Internet-Portal »Vaticannews« 100.000 Menschen teil. Anschließend reiste der Papst weiter in die Slowakei. Zu Beginn der mehrtägigen Visite stand dort ein Ökumene-Treffen auf dem Programm.

Auch in der Slowakei wird Franziskus eine Freiluftmesse feiern sowie bis Mittwoch Vertreter der Zivilgesellschaft und junge Menschen treffen. In Kosice im Osten des Landes wird er in einer heruntergekommenen Trabantenstadt Vertreter der dortigen Roma treffen. epd

USA

Am Ziel vorbei?

Das Weiße Haus stellt den Entwurf eines Plans gegen Antisemitismus vor. Jüdische Organisationen kritisieren das Papier

von Daniel Killy  06.06.2023

Warschau

Einschränkung der Wissenschaft

Wie die unabhängige Holocaust-Forschung in Polen zunehmend verzerrt wird

von Gabriele Lesser  05.06.2023

USA

Masel tov, Doktor Ruth!

Amerikas berühmteste Sex-Beraterin Ruth Westheimer wird 95 – und hat noch immer einen dicht getakteten Terminkalender

von Sebastian Moll  03.06.2023

Washington D.C.

Capital Jewish Museum wird eröffnet

Behandelt wird die Geschichte der Juden im Großraum Washington seit dem 18. Jahrhundert

von Imanuel Marcus  02.06.2023

RUMÄNIEN

Zu Gast im Banat

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte die jüdische Gemeinde in Temeswar

von György Polgár  02.06.2023

Nachruf

Die zwei Leben des Thomas Buergenthal

Seine Kindheit endete abrupt, als er nach Auschwitz deportiert wurde. Nun ist der Richter des Internationalen Gerichtshofs im Alter von 89 Jahren gestorben

von Imanuel Marcus  31.05.2023

Frankreich

Die Suche nach den verlorenen Klavieren

Pascale Bernheim spürt geraubte Instrumente jüdischer Familien auf

von Christine Longin  31.05.2023

USA

Neue Strategie gegen Judenhass

Das Weiße Haus hat den Entwurf eines Plans gegen Antisemitismus vorgestellt. Jüdische Organisationen kritisieren das Papier

 30.05.2023

Jubilare

Henry Kissinger: Die Welt wird sehr turbulent werden

Eine besondere Rolle dabei spiele der Einsatz von Künstlicher Intelligenz. »Heute wissen wir nicht mehr, was die Maschinen wissen«, sagte er

 25.05.2023