Ukraine

Ort der Zerbrechlichkeit

Erst 2021 eröffnet: Synagoge in Babyn Jar Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Anfang des Monats ist der Kiewer Fernsehturm von russischen Raketen angegriffen worden. Dabei schlug ein Geschoss auch auf dem Gelände der benachbarten Holocaust-Gedenkstätte Babyn Jar ein, rund 150 Meter entfernt von der Synagoge, die erst im vergangenen Jahr eröffnet worden war.

Babyn Jar steht für eines der schrecklichsten Massaker der Schoa. In der gleichnamigen Schlucht wurden im September 1941 innerhalb kurzer Zeit rund 34.000 Kiewer Jüdinnen und Juden ermordet.

tragödien »Babyn Jar sollte uns an die unsäglichen Tragödien des Krieges erinnern«, sagt Manuel Herz, der Architekt der neuen Synagoge. Er ist fassungslos über den russischen Raketenangriff. Die Synagoge, die eigentlich das Leben feiern soll, sei nur wenige Monate nach ihrer Einweihung in einen Krieg verwickelt, »in dem nur noch der Tod gefeiert wird«. Welchen Sinn habe es, »der Geschichte zu gedenken, wenn die daraus zu ziehenden Lehren so leicht vergessen und ignoriert werden?«, fragt Herz. Dass der Ort wieder zum Kriegsschauplatz wird, mache ihn sprachlos und ohnmächtig.

Unscheinbar von außen und auch im Inneren auf den ersten Blick nicht unbedingt spektakulär ist das Büro des 1969 in Düsseldorf geborenen und in Köln aufgewachsenen Architekten Manuel Herz in der Basler Innenstadt. Obwohl hier rund zehn meist jüngere Leute an ihren Bildschirmen arbeiten, ist kaum ein Geräusch zu hören. Zahlreiche Abbildungen an den Wänden verweisen auf die Synagoge von Babyn Jar, das weltweit erste auf- und zuklappbare Bethaus.

Anders als andere Gedenkstätten, die meist aus Stein und Beton gebaut sind, besteht die Synagoge aus Holz – dies bedeute Zerbrechlichkeit und heiße, dass sie jeden Tag gepflegt werden müsse, sagt Herz. Diese tägliche Pflege, die Auseinandersetzung mit dem Gebäude und seine Zerbrechlichkeit seien genau das, was eigentliches Gedenken ausmache. »Die Synagoge braucht ihre Gemeinde, ihr Publikum und ihre Besucher. Doch da der Ort zum Kriegsgebiet geworden ist, wurde die Synagoge dieser Gemeinschaft beraubt.«

Wer einen Blick an die Decke der Synagoge von Babyn Jar wirft, sieht in den Sternenhimmel von Kiew, wie er sich am 29. September 1941 präsentierte – dem Tag, als die Massaker begannen.

Angesichts des Verlusts an Menschenleben sei dies natürlich weniger tragisch. »Aber das Zeichen, das gesetzt wird, wenn Babyn Jar wieder zu einem Kriegsschauplatz wird, spricht Bände über den Verlust unserer Menschlichkeit«, so Herz.

BETER Noch ist das Ende des Krieges nicht abzusehen und damit auch nicht, wie es in Babyn Jar weitergehen wird, wenn die Waffen schweigen. Manuel Herz, der – soweit es dieser Tage möglich ist – im regelmäßigen Kontakt mit der Gedenkstätte steht, hofft, dass das Projekt der verschiedenen kleineren Erinnerungsorte auf einem großen Areal eines Tages weitergeht und auch die Synagoge wieder Beter und Touristen empfangen kann.

Vielleicht hilft das ursprüngliche Konzept, das Herz im Kopf hatte, als er die Synagoge entwarf: »Wir wollten einen Bau, der dem Leben gewidmet ist.« Dabei spielte auch Herz’ Privatleben mit hinein: Kurz zuvor waren er und seine Frau Eltern eines Jungen geworden. Den kleinen Max hielt Herz in seinen Armen, als er den Zuschlag für das Projekt in der Ukraine bekam.

Als Verbeugung vor der jüdischen Geschichte des Landes hat er die Synagoge von Babyn Jar als Holzsynagoge konzipiert – im Stil vieler früherer Synagogen vor allem in der Westukraine.

Wer einen Blick an die Decke der Synagoge von Babyn Jar wirft, sieht in den Sternenhimmel von Kiew, wie er sich am 29. September 1941 präsentierte – dem Tag, als die Massaker begannen. Manuel Herz hofft, dass diesen Sternenhimmel bald wieder viele Gäste und Beter sehen können.

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  17.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal: Arte-Doku beleuchtet 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth neu

Das einstige Entsetzen über »pornografisch-blasphemische« Gedanken in »Portnoys Beschwerden« ist modernen Befindlichkeiten gewichen. Ein neuer Dokumentarfilm schaut nun genauer hin

von Friederike Ostermeyer  17.11.2025

Mexiko

Antisemitisches Graffiti gegen Claudia Sheinbaum sorgt für Empörung

Die Worte »puta judía« wurden auf Gebäude des Obersten Gerichtshofs geschmiert. Die jüdische Gemeinschaft des lateinamerikanischen Landes verurteilt den sich immer wieder äußernden Judenhass

 17.11.2025

USA

6500 Rabbiner auf einem Foto

»Kinus Hashluchim«: Das jährliche Treffen der weltweiten Gesandten von Chabad Lubawitsch endete am Sonntag in New York

 17.11.2025

"Stiller & Meara"

Abschied von den Eltern

Leinwandstar Ben Stiller hat eine erstaunlich persönliche Doku über seine berühmte Familie gedreht

von Patrick Heidmann  16.11.2025

Jerusalem

Nach Streit: Zionistischer Weltkongress einigt sich

Zwei Wochen lang zogen sich die Verhandlungen in dem globalen jüdischen Gremium hin. Nun gibt es ein Abkommen, das der Mitte-links-Block als Sieg für sich wertet

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Kiew

Bargeldberge, Geschäfte und Liebschaften auf Russisch 

Eingeschweißtes Bargeld aus US-Notenbanken, Liebe unter Ministern, heimlicher Hauskauf im Ausland und alles in der falschen Sprache. Die Korruption in der Ukraine bietet Stoff für einen Thriller

von Andreas Stein  14.11.2025

Award

Sarah Jessica Parker erhält Golden-Globe-Ehrenpreis

Die Schauspielerin soll für besondere Verdienste um das Fernsehen ausgezeichnet werden

 14.11.2025

Tel Aviv

Noa Kirel und Daniel Peretz heiraten mit »kleiner Feier«

Die Sängerin und der HSV-Torwart standen in Jaffa unter großen Sicherheitsvorkehrungen unter der Chuppa

von Nicole Dreyfus  13.11.2025