Tschechien

Nahostkonflikt an der Moldau

Das Prager Schulministerium wies den Verlag an, die Hauptstadt zu ändern. Foto: Thinkstock

Dass es in der tschechischen Hauptstadt Prag eine »Botschaft des Staates Palästina« gibt, ist ein Überbleibsel aus kommunistischen Zeiten. Neu ist, dass der tschechische Staat vor dieser Botschaft kuscht: Das Prager Schulministerium ging Ende August auf die Beschwerde des palästinensischen Botschafters Khaled al-Atrash ein, im tschechischen Standard-Schulatlas sei Jerusalem als Hauptstadt Israels angegeben. Man werde »den Fehler« bis Sommer 2017 beheben, versicherte das Ministerium dem Botschafter. Der Verlag werde angewiesen, Jerusalem durch Tel Aviv zu ersetzen.

Die Entscheidung sorgt nicht nur für diplomatischen Aufruhr. »Von einem Verbündeten und Freund, als den wir die Tschechische Republik betrachten, würde ich eine andere Haltung erwarten«, erklärte Israels Mann in Prag, Botschafter Gar Koren, in der Tageszeitung MF Dnes. Wie das Blatt berichtet, kam es in dieser Angelegenheit zu einem Telefonat zwischen dem tschechischen Regierungschef Bohuslav Sobotka und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.

offener brief Der Bürgermeister von Jerusalem, Nir Barkat, fordert Sobotka in einem offenen Brief auf, die Entscheidung des Schulministers zu revidieren. »Die Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern hat tiefe historische Wurzeln. Nach der Zerstörung Jerusalems machten Juden aus Prag die böhmische Hauptstadt zum Jerusalem Mitteleuropas«, schreibt Barkat in dem Brief, der in der Jerusalem Post veröffentlicht wurde.

Beide Hauptstädte, so Barkat, repräsentieren die starke Verbindung zwischen beiden Ländern. »Die zukünftige Generation tschechischer Studenten verdient nichts anderes als die Wahrheit: der rechtmäßige Platz Jerusalems als Hauptstadt Israels und Herz und Seele der jüdischen Nation, der nicht verleugnet werden kann und darf«, schreibt Barkat und lädt Sobotka zu einem Besuch nach Jerusalem ein.

Europäische Union Das Prager Schulministerium indes hat den Ball schon längst in die Ecke des Außenministeriums geworfen. Mit der Anleitung, Jerusalem aus dem Schulatlas zu streichen, folge man nur dessen Politik. Das Außenministerium wiederum beruft sich auf Brüssel: »Der Staat Israel hat Jerusalem zu seiner Hauptstadt erklärt. Jerusalems Status als Hauptstadt Israels ist aber international nicht anerkannt. Tschechien, gemeinsam mit den anderen Mitgliedsstaaten der EU, betrachtet Jerusalem als zukünftige Hauptstadt beider Staaten, also des Staates Israel und eines zukünftigen Staates Palästina«, heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums. Die Haltung der EU in dieser Sache sei aus israelischer Sicht »sehr scheinheilig, schädigend und spielt der propalästinensischen Propaganda in die Hände«, kommentierte Botschafter Koren.

Auch abseits des diplomatischen Parketts sorgt der Kotau des Ministeriums für Aufregung. Verschiedene Petitionen für den Erhalt Jerusalems im Schulatlas haben schon mehrere Tausend Unterschriften gesammelt. Auf einer Demonstration auf dem Prager Wenzelsplatz ertönte am Mittwoch unter anderem die Hatikva wie auch das Lied »Jeruschalajim schel zahav«.

»Ich bin mir sicher, dass die Tschechen in dieser Sache auf unserer Seite stehen werden«, meint Botschafter Koren. »Sollen die Palästinenser ruhig sauer sein, die Hauptstadt Israels ist seit 3000 Jahren Jerusalem«, meint der jüdische Publizist Jiri X. Dolezal. »Dass das tschechische Ministerium aufgrund der Beschwerde eines Terroristen-Sympathisanten ein Schulbuch ändert, ist eine Unverschämtheit«, schimpft Dolezal. Mit »Terroristen-Sympathisanten« meint er den palästinensischen Botschafter al-Atrash, der auf Facebook seine Sympathien für die Attentäter von München 1972 offengelegt hat.

Film

Ein bescheidener Held

»One Life« erzählt die Geschichte von Nicholas Winton, der Kindertransporte von der Tschechoslowakei nach Großbritannien organisierte

 29.03.2024

New York

Ex-Krypto-König Bankman-Fried soll für 25 Jahre ins Gefängnis

Noch vor zwei Jahren wurde Sam Bankman-Fried als Finanzgenie und Galionsfigur einer Zukunftswelt des Digitalgelds gefeiert. Nun soll er als Betrüger mehr als zwei Jahrzehnte hinter Gittern verbringen

von Andrej Sokolow  28.03.2024

Interview

Der Medienschaffer

Der Ausnahmejournalist und Unternehmer Roger Schawinski über Erfolg, Judenhass und den 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  28.03.2024

Nachruf

Joe Lieberman stirbt mit 82 Jahren

Fast ein Viertel Jahrhundert lang setzte er sich als Senator auch für jüdische Belange ein

von Imanuel Marcus  28.03.2024

USA

Bildhauer Richard Serra gestorben

Für mehr als 100 öffentliche Orte schuf er Skulpturen – von Philadelphia und St. Louis bis Bochum und Kassel

 27.03.2024

Moskau

Evan Gershkovich bleibt in Untersuchungshaft

Putin will den inhaftierten US-Journalisten gegen russische Gefangene auszutauschen

 26.03.2024

Glosse

Woher stammt der Minderwertigkeits-komplex vieler Schweizer gegenüber Deutschen?

Und was verbindet die Identitätskarte mit der Rappenspalterei?

von Nicole Dreyfus  25.03.2024

Schweiz

Antisemitismus-Problem an Schulen

Die Zahlen sind erschreckend, doch die Stadt Bern wiegelt ab. Und jüdische Eltern verlieren das Vertrauen

von Nicole Dreyfus  24.03.2024

Großbritannien

»Beste Wünsche für eine Refua Schlema«

Oberrabbiner Sir Ephraim Mirvis und das Board of Deputies wenden sich nach ihrer Krebsdiagnose an Prinzessin Kate

 24.03.2024 Aktualisiert