USA

Nach den Schüssen

Mahnwache in Las Vegas am 8. Oktober Foto: imago

Ich glaube nicht, dass es irgendjemanden in unserer Gemeinschaft gibt, der nicht von diesen Ereignissen betroffen wäre. Wir prüfen ständig, wie wir unserer gesamten Gemeinschaft, jüdisch oder nichtjüdisch, helfen können und wie wir mit den Geschehnissen umgehen.» Das sagte der Präsident der Jewish Federation of Las Vegas, Todd Polikoff, dem Jewish Journal am Tag nach dem Massaker bei einem Open-Air-Konzert, bei dem am 1. Oktober 58 Zuschauer ums Leben kamen und mehr als 520 verletzt wurden.

Im US-Bundesstaat Nevada leben etwa 70.000 Juden, die mit Abstand meisten davon wohnen in und um Las Vegas. Die Wahrscheinlichkeit, dass es bei 22.000 Konzertbesuchern auch jüdische Opfer geben würde, war also hoch.

Konsequenzen Polikoff wandte sich gleichzeitig dagegen, vorschnelle politische Schlüsse zu ziehen. «Äußerungen von Leuten, die die Ereignisse in irgendeiner Form politisch kommentieren, ignoriere ich. Ich finde, es ist weder die richtige Zeit noch der richtige Ort zu behaupten, das alles wäre nicht geschehen, wenn XY nicht im Amt wäre. «Wir haben uns um diejenigen zu kümmern, die verletzt wurden und um die Familien, die den Verlust geliebter Menschen zu beklagen haben. Sollen doch andere über politische Konsequenzen oder was auch immer diskutieren. Ich kümmere mich um die Menschen, die unsere Hilfe brauchen.»

Naturgemäß stand die praktische Hilfe zunächst im Vordergrund. So rief Noa Peri-Jensch, Regionaldirektorin des Israeli American Council in Las Vegas, dazu auf, Blutspender zu unterstützen: «Die Blutspendezentren sind völlig überlaufen. Deshalb haben wir uns entschieden, nicht selbst Blut zu spenden, sondern die Menschen in den Schlangen vor den Blutspendezentren mit Wasser zu versorgen.»

Über diesen Ausdruck von Gemeinsinn freut sich die Bürgermeisterin von Las Vegas. Carolyn Goodman, selbst Jüdin, sagte der «Times of Israel», sie sei «wirklich stolz auf alle: die Ersthelfer, die Konzertbesucher, die vor Ort waren. Es hätte alles wesentlich schlimmer ausgehen können.»

Goodman richtete schon recht schnell nach dem Anschlag ihren Blick nach vorn. «Ich möchte nicht das Rad neu erfinden. Für uns war ›safety first‹ schon immer die Maxime. Wir haben 43 Millionen Besucher pro Jahr.» Und dann ergänzte sie lapidar: «Israel durchlebt solche Ereignisse Tag für Tag – seit 1948.»

Politik Doch nach dem ersten Schrecken und den lokalen Hilfsmaßnahmen lassen sich die politischen Fragen nicht mehr in den Hintergrund drängen. Während US-Präsident Donald Trump und die mächtige National Rifle Association an den laxen Waffengesetzen festhalten und einzig einen Schnellfeuermechanismus für Sturmgewehre verbieten wollen, formiert sich Widerstand gegen die nahezu komplette Freizügigkeit beim Waffenerwerb.

Jonathan A. Greenblatt, Geschäftsführer und Nationaldirektor der Bürgerrechtsorganisation Anti-Defamation League, sagte dem «National Catholic Reporter»: «Leider werden wir viel zu häufig Zeugen der tragischen Gefahr, die von Waffen in den Händen entschlossener Killer oder einheimischer Terroristen ausgeht.» Landesweit hätten Personen in Schulen, Unternehmen und religiösen Einrichtungen Waffen eingesetzt, um Gemeinden und lokale Einrichtungen zu terrorisieren. So habe erst Ende September ein Bewaffneter während eines Gottesdienstes das Feuer auf eine Gemeinde in Tennessee eröffnet. «Wir sind überzeugt, dass strenge, effektive Maßnahmen gegen Waffengewalt ein Weg sind, die Macht der Extremisten zu beschneiden und die Gewalt in unseren Städten zu verringern», so Greenblatt.

Inzwischen sind viele Juden in den USA zu dieser Erkenntnis gekommen – doch ist sie im gesamten Land derzeit noch keinesfalls mehrheitsfähig. Noch immer gilt weitgehend die uramerikanische Maxime, Waffen könnten keine Verbrechen begehen, sondern nur die Menschen, die sie missbräuchlich einsetzen. Die meisten wissen, dass die Macht des Second Amendment der US-Verfassung, das Recht, Waffen zu tragen, wohl noch lange dominieren wird. Auch nach dem nächsten Anschlag.

Kommentar

Zürich sollte Francesca Albanese keine Bühne bieten

Die antisemitische UN-Sonderberichterstatterin tritt am Freitag in der Zürcher Zentralwäscherei auf - subventioniert durch die Steuerzahler der Stadt

von Ronny Siev  03.07.2025

Großbritannien

Unterhaus: Palestine Action als Terrororganisation eingestuft

Mitglieder der radikalen Anti-Israel-Gruppe waren im Juni auf einen britischen Luftwaffenstützpunkt eingedrungen und hatten dort Flugzeuge beschädigt

 03.07.2025

Ukraine

Putins Krieg und Trumps Frieden

Während sich die Medienaufmerksamkeit auf Nahost konzentriert, bombardiert Russland weiterhin das Land. Nun schlägt sogar der US-Präsident neue Töne an

von Michael Gold  03.07.2025

Australien

Zwei Krankenpfleger, die damit drohten, jüdische Patienten zu töten, haben Arbeitsverbot

Im Februar sorgte ein TikTok-Video für Abscheu und Empörung, in dem zwei Krankenpfleger ihrem blanken Judenhass freien Lauf ließen. Nun stehen sie vor Gericht

 02.07.2025

Großbritannien

Warten auf »Bridgerton«

Die Sehnsucht nach der vierten Staffel des Netflix-Hits ist groß. Aber wie war eigentlich das reale jüdische Leben in der Regency?

von Nicole Dreyfus  29.06.2025

Glastonbury Festival

Kritik an antiisraelischen Parolen

Neben der Musik sorgt Hetze gegen Israel für Aufsehen – mit Folgen für die BBC, die alles live übertragen hat

 29.06.2025

Glastonbury

Bob Vylan ruft »Death, death to the IDF« – BBC überträgt es

Beim größten Open Air Festival Großbritanniens rufen Musiker antiisraelische Parolen

 28.06.2025

Militär

Name des schwulen Bürgerrechtlers Harvey Milk von US-Kriegsschiff gestrichen

Das nach Milk benannte Versorgungsschiff heißt jetzt »USNS Oscar V. Peterson«

 28.06.2025

Meinung

Francesca Albaneses Horrorshow

Die UN-Berichterstatterin verharmlost den Hamas-Terror und setzt die Israelis mit den Nazis gleich. Mit ihren Ansichten tourt sie nun durch die Schweiz

von Nicole Dreyfus  30.06.2025 Aktualisiert