Großbritannien

Money, Money, Money

Viele Gemeindemitglieder waren überrascht, als sie von den Geldnöten des Jüdischen Museums in Manchester hörten. »Unsere Einrichtung ist für viele eine Selbstverständlichkeit«, sagt Jeremy Michaelson, im Museum zuständig für Bildung. Das Manchester Jewish Museum ist ein Kleinod jüdischer Geschichte. 1874 wurde die pittoreske, mit maurischen Stilelementen ausgestattete viktorianische Synagoge von sefardischen Juden erbaut, deren Vorfahren 300 Jahre zuvor nach Nordengland ausgewandert waren.

1984 öffnete das jüdische Museum in dem denkmalgeschützten Gebäude mit den farbigen Glasfenstern und den unverwechselbaren schmiedeeisernen Verzierungen in der Cheetham Hill Road seine Pforten – die es jetzt vielleicht bald wieder schließen muss. Der Grund: Die Kassen sind leer, die historische Stätte leidet an chronischem Geldmangel. 750 Euro täglich kostet der Unterhalt von Gebäude und Museum. Ein Betrag, den der Museumsverein bald nicht mehr aufbringen kann.

unterstützung »Die Kosten könnten uns in den Ruin treiben, wenn wir nicht bald Unterstützung bekommen«, sagt Michaelson, »uns bleiben noch 18 Monate, dann müssen wir zumachen.« Also bat die Museumsleitung die jüdische Gemeinde von Manchester um Spenden. Bislang haben sich vier-, fünfhundert Menschen bereit erklärt, jeden Monat sechs Euro zu spenden. »Wir brauchen aber mindestens 1.000, um die Kosten zu decken. Es ist schwierig, die Leute bei der Stange zu halten, weil sie das Problem schnell vergessen«, klagt Michaelson. Die Aktion läuft allerdings erst seit zwei Monaten. Insofern kann sich die Erfolgsquote durchaus sehen lassen.

Der Stadtteil Cheetham Hill war im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert ein bevorzugter Zufluchtsort jüdischer Einwanderer, die den Verfolgungen auf dem europäischen Festland entgehen wollten. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs verließen viele Juden die Gegend, um sich in wohlhabenderen Vorstädten wie Prestwich und Whitefield niederzulassen. Noch heute befindet sich in Manchester mit rund 35.000 Mitgliedern die zweitgrößte jüdische Gemeinde Großbritanniens.

maurisch Wer das Gebäude in der Cheetham Hill Road betritt, wird sofort auf die maurischen Stilelemente aufmerksam. »Weil die Vorfahren derer, die hier den Gottesdienst besuchten, im Mittelalter in Spanien und Portugal gelebt hatten«, erklärt Michaelson, »wollte der Architekt Edward Salomon der Synagoge eine maurische Anmutung geben.« Im östlichen Teil des Ge- bäudes befindet sich ein maurischer Bogen, eine direkte Kopie der Bögen des Alhambra-Palasts in Granada. Außerdem sind die Säulen und der Bereich des Toraschreins im Erdgeschoss mit zahlreichen farbigen geometrischen Mustern verziert.

»Das Museum ist etwas Besonderes«, sagt Anne Millan, Vorsitzende des Museumsvereins. »Es ist das einzige seiner Art außerhalb Londons.« Das Erdgeschoss sieht heute noch aus wie früher. Der erste Stock wurde zu einem Ausstellungsbereich umfunktioniert, in dem Veranstaltungen über jüdische Religion, Geschichte, Kultur, Familienleben sowie den Holocaust und mehr stattfinden. Unterhalb des Menora-Fensters befindet sich der Toraschrein.

Die darin aufbewahrte Schriftrolle blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Sie ist eine von 1564 Torarollen, die kurz vor Kriegsende von den Nazis in einem Prager Lagerhaus zurückgelassen wurden. Die Nazis hatten vor, die Schriftrolle zusammen mit vielen Judaica im »Museum einer untergegangenen Rasse« auszustellen. Nach 1945 wusste die kommunistische Regierung der Tschechoslowakei nicht, was sie mit der Torarolle anfangen sollte, bis sie schließlich ein englischer Geschäftsmann nach Großbritannien brachte. Das in der Synagoge ausgestellte Exemplar ist zwischen zwei- und dreihundert Jahre alt und stammt aus Böhmen.

Die Dauerausstellung des Museums enthält unter anderem umfangreiches Fotomaterial, das die Geschichte der Juden in Manchester dokumentiert, sowie das Geburtsregister einer Hebamme, mit dessen Hilfe eine Datenbank aller zwischen den beiden Weltkriegen Geborenen angelegt werden konnte.

Erlebnis Besucher, die wissen wollen, was es heißt, jüdisch zu sein, können an der »Jewish Experience« des Museums teilnehmen. Dort können sie einen Tag lang mit jüdischen Briten verbringen. Der Workshop umfasst den Besuch jüdischer Geschäfte und eines jüdischen Altenzentrums sowie ein koscheres Mittagessen.

»Das Museum spielt eine wichtige Rolle für die Öffentlichkeit, insbesondere für die rund 300 Schulklassen, die uns jedes Jahr besuchen kommen«, erklärt Stuart Hilton, der Finanzdirektor der Einrichtung. »Unsere Sammlung repräsentiert eine einzigartige Gemeinde, die sich hier seit 1740 angesiedelt hat.« Im vergangenen Jahr wurde das Museum mit der »Marque of Excellence« der britischen North West Multi Faith Tourism Association für hervorragende Wissensvermittlung außerhalb des Klassenzimmers ausgezeichnet.

Keine Frage, das Museum ist für die jüdische Gemeinde, die Stadt und die Umgebung eine wichtige Einrichtung, die unbedingt erhalten bleiben sollte. Michaelson blickt inzwischen optimistisch in die Zukunft: »So wie die Spendenaktion bislang verlaufen ist, habe ich keine Zweifel, dass wir es schaffen werden. Die Öffentlichkeit ist bereit, sich für den Erhalt des Museums einzusetzen.«

www.manchesterjewishmuseum.com

Großbritannien

Warten auf »Bridgerton«

Die Sehnsucht nach der vierten Staffel des Netflix-Hits ist groß. Aber wie war eigentlich das reale jüdische Leben in der Regency?

von Nicole Dreyfus  29.06.2025

Glastonbury Festival

Kritik an antiisraelischen Parolen

Neben der Musik sorgt Hetze gegen Israel für Aufsehen – mit Folgen für die BBC, die alles live übertragen hat

 29.06.2025

Glastonbury

Bob Vylan ruft »Death, death to the IDF« – BBC überträgt es

Beim größten Open Air Festival Großbritanniens rufen Musiker antiisraelische Parolen

 28.06.2025

Militär

Name des schwulen Bürgerrechtlers Harvey Milk von US-Kriegsschiff gestrichen

Das nach Milk benannte Versorgungsschiff heißt jetzt »USNS Oscar V. Peterson«

 28.06.2025

Meinung

Francesca Albaneses Horrorshow

Die UN-Berichterstatterin verharmlost den Hamas-Terror und setzt die Israelis mit den Nazis gleich. Mit ihren Ansichten tourt sie nun durch die Schweiz

von Nicole Dreyfus  30.06.2025 Aktualisiert

Aufarbeitung

Brasilien entschädigt Familie von jüdischem Diktaturopfer

Vladimir Herzog gehört zusammen mit dem ehemaligen Abgeordneten Rubens Paiva zu den bekanntesten Diktaturopfern

 27.06.2025

Buenos Aires

Anschlag auf Juden in Argentinien: Prozess nach mehr als 30 Jahren

Am 18. Juli 1994 waren beim Anschlag auf das jüdische Kulturzentrum AMIA 85 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt worden

 27.06.2025

USA

Die Social-Media-Bändigerin

Die pro-israelische Influencerin Montana Tucker liefert Lehrstücke der modernen Kommunikation im Akkord. Zeit, sich die junge Frau, die mit Tanzvideos berühmt wurde, genauer anzusehen

von Sophie Albers Ben Chamo  26.06.2025

Balkan

Bosnien entschuldigt sich bei Rabbinerkonferenz

Über eine Tagung der Europäischen Rabbinerkonferenz in Sarajevo kam es zum judenfeindlichen Eklat. Mit der jetzt erfolgten Entschuldigung ist der Fall indes noch nicht bereinigt

 26.06.2025