Österreich

Moderne Bundistin

»Das Jiddische spiegelt auch meine eigenen Identitäten«: Isabel Frey (26) Foto: Michèle Pauty


»Bereits im Alter von sechs Jahren ging ich wöchentlich zu Treffen der sozialistisch-zionistischen Jugendgruppe Hashomer Hatzair«, erzählt die Wiener Sängerin jiddischer Revolutionslieder und Aktivistin für soziale Gerechtigkeit Isabel Frey. Ihre säkulare jüdische Familie wollte ihr mit dem Besuch dieser Gruppe Anschluss an das jüdische Leben in der Stadt bieten.

Sie fand dort jüdische Freunde und hatte das Gefühl, im jüdischen Wien verankert zu sein. »Das hat mich geprägt, von Anbeginn auch das Sozialistische«, sagt die heute 26-Jährige und muss lachen: »Es ging eigentlich nicht sehr sozialistisch zu, aber wir haben jeden Samstag viele Süßigkeiten gekauft und sie gerecht geteilt.«

hashomer hatzair Nach ihrem Abitur 2012 verbrachte sie ein Jahr in Israel. Organisiert von Ha­shomer Hatzair lebte sie in verschiedenen Kibbuzim sowie in einer Kommune in Haifa. Es sollte ein prägendes Jahr für sie werden. Im ersten Kibbuz, der bereits privatisiert war, arbeitete sie mit anderen Jugendlichen auf dem Feld.

Man gab ihnen Arbeitshemden, und sie waren, wie sie sagt, zehnmal langsamer als die thailändischen Gastarbeiter, welche die Palästinenser, die nach der Blockade des Gazastreifens ausblieben, ersetzt hatten. »Wir waren als Arbeiter verkleidete bürgerliche Kinder aus europäischen Hauptstädten.«

Diese Erfahrungen veränderten die junge Frau aus Wien: »Ich war völlig desillusioniert vom sozialistischen Traum des Kibbuz, und ich beschäftigte mich in jenem Jahr erstmals intensiver mit dem Nahostkonflikt.«

STUDIUM Nach dem Jahr in Israel ging Isabel Frey nach Amsterdam, um Soziologie und Medizinanthropologie zu studieren. Dort sei sie, wie sie sagt, eher »linksradikal aktiv« gewesen – auch um sich von ihrer Wiener bürgerlichen Herkunft zu distanzieren, erinnert sie sich. Und sie fügt hinzu: »Die linken Ikonen waren ja alle jüdisch. Es gäbe gar keine historische Linke ohne jüdische Beteiligung.«

Zurzeit schreibt sie eine Doktorarbeit über »Voices of Yiddishland«.

In jener Zeit entdeckt sie jiddische Arbeiterlieder. Die sozialistische Partei »Der Bund«, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Wilna gegründet wurde und für eine national-kulturelle Autonomie mit Jiddisch als Landessprache eintrat, inspiriert sie. Isabel Frey beginnt Jiddisch zu lernen, eine Sprache, die für sie »die Diaspora-Psyche einfängt«.

»Die Sprache spiegelt auch meine eigenen Identitäten«, sagt sie: »die deutschsprachige, die jüdische, und auch dass Jiddisch mit hebräischen Buchstaben geschrieben wird, was ich so gern lese und schreibe. Und: Die jiddischen Revolutionslieder entsprechen meiner politischen Identität.«

donnerstagsdemos In Wien tritt Isabel Frey unter dem Titel »Millenial Bundist« auf. Im Mai 2019 steht sie mit ihren Liedern bei den sogenannten Donnerstagsdemos gegen die damalige schwarz-blaue Regierung auf der Bühne. Ihre Umdichtung des anti-zaristischen Protestlieds »Daloy Politsey« (Nieder mit der Polizei) zu »Nieder mit HC« (Heinz-Christian HC Strache, damals Vorsitzender der rechtspopulistischen FPÖ und österreichischer Vizekanzler. Anm. d. Red.) wurde zur Hymne der Donnerstagsdemos. Seither engagiert sich Isabel Frey auf Bezirksebene bei der neuen Wiener Kleinpartei LINKS.

Nicht nur global, sondern auch in Wien sehe sie ein neo-bundistisches Revival, sagt sie. Viele Jüngere würden von der Tradition des »Bunds« inspiriert, »einem selbstbewussten Jüdischsein, das sowohl progressiv, universalistisch, links als auch emanzipatorisch ist«.

Inzwischen ist Isabel Frey Doktorandin an der Universität für Musik und Darstellende Kunst. Der Titel ihrer Doktorarbeit: »Voices of Yiddishland: An Ethnography of the Voice in Yiddish Folksong«.

WELTVERBESSERER Obwohl sie nicht regelmäßig in die Synagoge geht, besucht sie öfter den Kabbalat Schabbat in der liberalen Gemeinde »Or Chadasch« – »allein schon wegen der Musik«, wie sie sagt. In dieser Gemeinde hatte sie auch ihre Batmizwa.

Nach wie vor ist Isabel Frey aber auch Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, die sie seit ihrer Kindheit kennt. »Es ist der eher traditionelle Teil von mir. Die jüdischen Bräuche, die Feiertage, die das Jahr strukturieren, sind mir wichtig.« Ihr Bezug zum religiösen Judentum sei »vorwiegend musikalischer Natur«. So beschäftigt sie sich gelegentlich auch mit liturgischer Musik. Doch sieht sie sich vor allem als Weltverbesserin. »Es gibt diese jüdische Tradition – davon bin ich geprägt.«

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025