Kanada

Mister Bikeman

Wuchs selbst in bescheidenen Verhältnissen auf: Avrum Morrow sel. A. Foto: Avmor

Er wurde nur der »Bikeman«, der »Fahrradmann«, genannt. Über 33 Jahre hinweg beschenkte der anonyme Spender in Montreal Kinder aus sozial benachteiligten Familien mit Fahrrädern, dazu gab es Helme und Fahrradschlösser. Wer dieser großzügige und großherzige Spender war, wurde erst jetzt nach seinem Tode enthüllt: Avrum Morrow, ein jüdischer Unternehmer. Der Philanthrop Morrow starb Anfang Januar im Alter von 93 Jahren in seiner Heimatstadt Montreal.

»Wir können jetzt offenlegen, dass Avi der ›Bikeman‹ war«, teilte Morrows Unternehmen Avmor Ltd. in einem Nachruf auf den Firmengründer mit. Der Betrieb stellt Reinigungsprodukte für Industrieeinrichtungen her.

33 Jahre lang schenkte der anonyme Spender Kindern aus sozial benachteiligten Familien Fahrräder.

Mehr als drei Jahrzehnte lang hatten immer im Frühjahr bis zu 110 Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen über die Organisation »Sun Youth« Fahrräder geschenkt bekommen. Mehr als 1700 waren es über all die Jahre, und der Wert wird auf mehr als 600.000 kanadische Dollar geschätzt (rund 400.000 Euro).

All das geschah anonym. Einem Freund erzählte Avrum Morrow, dass er damit einer Lehre des jüdischen Philosophen Maimonides folge, der im 12. Jahrhundert lebte: »Vom Unbekannten an die Unbekannten«. Und er fügte hinzu: »Es ist mir peinlich, mein Geschenk öffentlich zu machen. Ich glaube nicht, dass ich Lob für eine solch einfache Geste verdiene.«

Kindheit Avrum Morrow, den seine Freunde nur »Avi« nannten, wurde in Montreal geboren und wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Seine Familie war zu arm, um dem jungen Avi ein Fahrrad zu kaufen. »Aber ich schrie, bis sie nachgaben und mir ein rotes Raleigh-Fahrrad kauften«, erzählte er an seinem 90. Geburtstag im Mai 2015 einem Vertrauten, der für die Montreal Gazette berichtet.

Kurz bevor er 60 wurde, entschied Morrow, seinen Geburtstag auf besondere Weise zu begehen. »Ich hatte alles, was ich mir wünschen könnte«, erzählte er. Und so beschloss er, zu schenken, statt beschenkt zu werden. Er dachte an Kinder, denen es heute so geht wie ihm vor vielen Jahren – denen die Eltern kein Fahrrad kaufen können.

Die Organisation »Sun Youth« übernahm es, in Zusammenarbeit mit der Polizei von Montreal, Familien mit Kindern zu ermitteln, die mit einem Fahrrad beschenkt werden sollten. Morrows einziger mit dem Geschenk verbundener Wunsch war, dass der Empfänger, sollte er später finanziell auf gesicherten Füßen stehen, selbst auch Großzügigkeit zeigt.

Mit seinem Neffen Mattie Chinks führte er über viele Jahre das Unternehmen.

Avi Morrow besuchte die Fairmount School und die Baron Byng High School in Montreal und begann 1940, an der McGill-Universität Ingenieurwesen zu studieren. 1948 gründete er zusammen mit seinem Schwager Henry Chinks die Firma Avmor. Mit seinem Neffen Mattie Chinks führte er über viele Jahre das Unternehmen. Im Oktober 2018 feierte er zusammen mit seiner Frau Dora und den Angestellten des Unternehmens den 70. Jahrestag der Firmengründung. Seine Frau hatte er im Alter von 13 Jahren – sie war damals elf Jahre alt – in der Schule kennengelernt. Die beiden waren 71 Jahre verheiratet.

Stipendien Morrows Engagement außerhalb seines Unternehmens beschränkte sich nicht auf die Fahrradspenden. Er vergab Stipendien an bedürftige Studenten, damit sie an der Hebräischen Universität in Jerusalem studieren konnten. Er setzte Belohnungen für das Wiederauffinden von vermissten Kindern aus. Er unterstützte die McGill- und die Concordia-Universität in Montreal und die Universität von Ottawa.

Außerdem war Avrum Morrow ein Förderer der Kunst. Aus dem ersten Firmensitz in einem historischen Gebäude in Alt-Montreal machte er ein Kunstmuseum. Viele örtliche Künstler erhielten von ihm Aufträge für Skulpturen und Gemälde, die er dann in seiner Galerie zeigte.

2007 wurde Morrow für sein Engage­ment in Montreal und wegen seines Erfolgs als Unternehmer – Avmor entwickelte umweltfreundliche Reinigungsprodukte und einen elektrischen Handtrockner, der in vielen öffentlichen Toiletten benutzt wird – ausgezeichnet: Er erhielt den Order of Canada, Kanadas höchste Auszeichnung für Zivilpersonen. Avrum Morrow wurde am 7. Januar auf dem Shaar-Hashomayim-Friedhof in Montreal beigesetzt.

Der Vorfall ereignete sich vergangene Woche im AZ Zeno Campus-Krankenhaus in Knokke-Heist in Belgien.

Belgien

Antisemitischer Arzt diskriminiert jüdisches Mädchen

Der Radiologe notierte auf dem Diagnoseblatt »jüdisch (Israel)« und teilt in seinen Social-Media-Konten antisemitische Karikaturen

von Nicole Dreyfus  02.09.2025

Schweiz

35 Jahre orthodoxe Nachrichten

»Die Jüdische Zeitung« ist die einzige deutschsprachige Wochenzeitschrift charedischer Juden – die Zahl der Leser wächst

von Peter Bollag  02.09.2025

Europa

Angst im Gepäck

Fast überall auf dem Kontinent kommt es zu verbalen oder gewalttätigen Übergriffen gegen jüdische und israelische Touristen. Wir haben Reisende gefragt, wie sie damit umgehen

von Nicole Dreyfus  01.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  01.09.2025 Aktualisiert

Rom

Goethe, Gucci, Miete – Streit um historisches Kaffeehaus

Seit 2017 gibt es einen Konflikt mit dem Eigentümer, dem Israelitischen Krankenhaus – nun soll das Antico Caffè Greco offenbar schließen

von Sabina Crisan  31.08.2025

Frankreich

Rabbinerin und Medienstar

Delphine Horvilleur ist die prominenteste Vertreterin des liberalen Judentums im Land. Trotz antisemitischer Angriffe und Hass aus verschiedenen Richtungen hält sie am Dialog fest

von Christine Longin  31.08.2025

Schweiz

Antisemitische Hetze in Zürich

In den Stadtvierteln Enge und Wollishofen, wo viele Juden leben, sind israelfeindliche Plakate an öffentlichen Orten aufgetaucht

 29.08.2025

Würdigung

Tapfer, klar, integer: Maram Stern wird 70

Er ist Diplomat, Menschenfreund, Opernliebhaber und der geschäftsführende Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses. Zum Geburtstag eines Unermüdlichen

von Evelyn Finger  29.08.2025

Russland

Die Angst vor den Worten

Alla Gerber ist mit 93 Jahren immer noch eine gewichtige Gegenstimme in Putins Reich. Ein Besuch bei der Moskauer Journalistin und Publizistin

von Polina Kantor  28.08.2025