USA

#MeToo im Sport

Turnerin Aly Raisman Foto: dpa

USA

#MeToo im Sport

Die jüdische Star-Turnerin Aly Raisman kämpft gegen den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen

von Elke Wittich  12.03.2018 20:07 Uhr

Die Sportfunktionäre haben kaum einen Anteil daran, dass sich der langjährige Mannschaftsarzt des amerikanischen Tur­nerinnen-Nationalteams, Larry Nassar, we­gen zigfachen Missbrauchs Minderjähriger vor Gericht verantworten musste. An die Öffentlichkeit gebracht wurden Nassars Taten von Journalisten und jungen Sportlern wie Aly Raisman.

Für die heute 23-Jährige ist der Fall mit der Verurteilung des Mediziners zu einer Haftstrafe von 40 bis 120 Jahren am 5. Februar jedoch noch lange nicht abgeschlossen. Die dreimalige Goldmedaillen-Gewinnerin betont: »Meine höchste Priorität ist es, Änderungen durchzusetzen, damit künftige Sportgenerationen sicherer leben können.«

funktionäre Ihr sei in den vergangenen Monaten »schmerzhaft klar geworden, dass die Sportorganisationen kein Interesse daran haben, sich angemessen um das Problem zu kümmern«. Bis heute seien die Funktionäre »unwillig«, die Vorfälle genau zu untersuchen. »Aber ohne lückenlose Aufklärung, wie es dazu kommen konnte, kann es keine Veränderungen geben«, so Raisman.

Unter dem Vorwand medizinischer Untersuchungen hatte Nassar in 22 vor Gericht verhandelten Fällen Mädchen und junge Frauen sexuell missbraucht. Die Zahl seiner Opfer dürfte allerdings weit höher liegen. Bis heute haben sich 265 Frauen bei der Staatsanwaltschaft gemeldet.

Aly Raisman wurde seit ihrem 15. Lebensjahr von Nassar missbraucht. In einem Interview mit dem Fernsehsender ESPN schilderte sie Anfang Januar, wie geschickt Nassar seine Opfer manipuliert habe, bis sie glaubten, dass sein Verhalten völlig in Ordnung sei. »In der Sekunde aber, in der ich begriff, was passiert war, vertraute ich mich meiner Mutter an.« Gemeinsam erzählten sie es dem Turnverband USA Gymnastics.

reputation Doch was folgte, war ernüchternd: Keiner der Funktionäre habe mit ihr gesprochen, niemand habe ihr eine Therapie an­geboten oder gefragt, ob man ihr irgendwie helfen könne. »Im Gegenteil: Sie erlaubten Nassar, weiter mit kleinen Mädchen zu arbeiten und noch lange, lange Zeit Turnerinnen zu missbrauchen.« In manchen Fällen wurde das Schweigen der Opfer gar mit hohen Geldsummen erkauft. »Absoluten Vorrang«, so sieht es Aly Raisman heute, »hatten für die Funktionäre von Anfang an – und bis jetzt – ihre eigene Reputation und die gewonnenen Medaillen.«

Im Jahr 2015 wurde Nassar von USA Gymnastics entlassen, aber mehr als ein vages »Aufgrund von Bedenken bei Athletinnen« gab man als Begründung nicht an. Der Trainer konnte bis Ende 2016 weiterarbeiten – bis die Turnerinnen seine Taten öffentlich machten.

Für Raisman war es selbstverständlich, ihre Stimme zu erheben. Rücksicht auf etwaige Bedenken wollte die prominente Turnerin, deren Familie in Newton, Massachusetts, einer jüdischen Reformgemeinde angehört, nicht nehmen.

Kampagne 1,1 Millionen Follower hat Aly Raisman auf Twitter, was sie derzeit vor allem dazu nutzt, um die Kampagne »Flip the switch« zu promoten. Dabei wird ein Trainingsprogramm für im Jugendsport Engagierte angeboten, die helfen wollen, eine sichere und missbrauchsfreie Umgebung für Kinder und Jugendliche zu schaffen.

Zusätzlich verklagt Raisman gemeinsam mit einigen Kolleginnen nun sowohl das Olympische Kommittee der USA als auch USA Olympics, weil deren Funktionäre die Vorwürfe gegen Nassar so lange unter den Teppich gekehrt haben. »Ich will nicht länger warten, bis diese Organisationen von selbst darauf kommen, das Richtige zu tun und alles aufzuarbeiten«, begründet Raisman ihren Schritt.

Wie selbstbewusst die junge Frau ist, zeigte sich auch in einer Online-Fotoserie für die »Swimsuit«-Ausgabe der »Sports Illustrated«: Dort posierte die Athletin – dem Leser allerdings nur seitlich zugewandt – nackt. Auf ihrem Körper stand in großen Buchstaben: »Frauen müssen nicht sittsam sein, um respektiert zu werden«.

Kommentar

Der »Tages-Anzeiger« und das Geraune von der jüdischen Lobby

Die Zeitung unterstellt, erst eine Intervention des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes habe zur Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese durch die Uni Bern geführt. Dabei war die Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025

Imanuels Interpreten (13)

Herb Alpert: Der Universalkünstler

Vom Trompeter zum Philantropen: Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Kalifornien erreichte in den 90 Jahren seines bisherigen Lebens viel

von Imanuel Marcus  10.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  10.09.2025 Aktualisiert

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025