Europäisch-Jüdischer Kongress

Liebesgrüße aus Moskau

Putin traf sich in der vergangenen Woche mit Vertretern des Europäisch-Jüdischen Kongresses Foto: dpa

Es war am Dienstag vergangener Woche, als Russlands Präsident Wladimir Putin eine Delegation des Europäisch-Jüdischen Kongresses (EJC) empfing. Moshe Kantor, der EJC-Präsident, hatte sich gemeinsam mit Vertretern jüdischer Gemeinden aus Frankreich, Großbritannien, Spanien, Österreich, Belgien, der Schweiz und Lettland auf den Weg nach Moskau gemacht. Im Kreml berichteten sie Russlands Staatschef unter anderem, dass die Zunahme antisemitischer Gewalt den Juden in Westeuropa zusetzt und viele deshalb ans Auswandern denken.

Die BBC, die Jewish Telegraphic Agency und zahlreiche andere Medien weltweit berichteten, Putin habe daraufhin lächelnd gesagt: »Lasst sie doch zu uns kommen! Zu Sowjetzeiten sind sie weggegangen, nun sollten sie zurückkehren. Wir sind bereit, sie aufzunehmen.« Russische Medien schrieben von einem »unmissverständlichen Angebot an die europäischen Juden, in ihrer Bedrängnis nach Russland zu kommen«.

In der Ukraine schüttelt man über Putins Einladung den Kopf. Eduard Dolinsky, der Vorsitzende des Ukrainisch-Jüdischen Komitees, sagte der Jerusalem Post: »Es ist wie der Ruf eines ägyptischen Pharaos, der die Juden zurückholen möchte.«

Befremden über Putins Worte äußerte auch der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, Moskaus Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt. Er sagte der Jüdischen Allgemeinen: »Während Russland jüdische Migranten aus anderen früheren Sowjetrepubliken anzieht, wäre eine massive Einwanderung aus Westeuropa ein sehr neues Phänomen.«

Ein Sprecher der Jewish Agency sagte dieser Zeitung, die für die Auswanderung von Juden nach Israel zuständige Organisation wolle Putins Einladung nicht kommentieren.

Zeuge Einer, der bei dem Gespräch im Kreml mit dabei war, winkt ab. Ariel Muzicant, früher Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und heute für Sicherheit und Krisenmanagement zuständiger Vizepräsident des EJC, meint: »Da haben die Medien, vor allem in Russland, aus einem Scherz eine Aussage gemacht.«

Tatsache sei aber, so Muzicant, »dass es derzeit in Russland wesentlich weniger Antisemitismus gibt als zum Beispiel in Frankreich, und Präsident Putin alles gegen den vorhandenen Antisemitismus unternimmt. Das war (in dem Gespräch im Kreml) anzuerkennen«.

Kantor hatte in der Unterredung mit Putin betont, die Delegierten des Europäisch-Jüdischen Kongresses seien »erfreut« darüber, dass der Antisemitismus in Russland statistisch abnimmt: »Wir loben die russischen Behörden dafür, dass sie gegen diejenigen kämpfen, die es auf Juden absehen.«

Kantor, ein russisch-jüdischer Geschäftsmann, ist seit 2007 EJC-Präsident. Am Dienstag wurde er zum dritten Mal wiedergewählt. Gegenkandidaten gab es keine.

Porträt

Liebe ohne Grenzen

Beatrice Wyler und Geri Naphtaly leben in einem Heim für Menschen mit geistiger Behinderung. Nach Widerstand von verschiedenen Seiten konnten sie vor anderthalb Jahren heiraten. Eine Begegnung in Zürich

von Nicole Dreyfus  22.01.2025 Aktualisiert

Guatemala

Die jüdischen Taliban

Behörden des Landes gehen gegen die radikale Sekte Lev Tahor vor und befreien 160 Kinder

von Andreas Knobloch  21.01.2025

Holocaust-Gedenken

»Jeder Israeli ist zum Gedenken willkommen«

Polens Vize-Außenminister Władysław Bartoszewski zur Kontroverse um den Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu

von Michael Thaidigsmann  21.01.2025

Interview

»Antisemitismus in der Schweiz ist beunruhigend«

Die abtretende Direktorin des Bundesamts für Polizei (fedpol), Nicoletta della Valle, warnt vor der schnellen Radikalisierung von Jugendlichen und weist auf besseren Informationsaustausch, um Terrorismus zu bekämpfen

von Nicole Dreyfus  21.01.2025

USA

So sieht »Nie wieder!« aus

Jonah Platts Familie gehört zu Hollywoods Elite. Im Interview spricht der Schauspieler, Drehbuchautor und Sänger über seinen Podcast »Being Jewish« und jüdische Selbstbehauptung seit dem 7. Oktober

von Sophie Albers Ben Chamo  20.01.2025

Italien / Vatikan

Roms Oberrabbiner kritisiert Papst für Israel-Aussagen

Eine namhafte jüdische Stimme wirft Papst Franziskus in Sachen Gaza-Krieg »selektive Empörung« vor. Bei anderen Konflikten weltweit halte sich das Kirchenoberhaupt dagegen zurück

 18.01.2025

Irland

Der Präsident soll nicht reden

Wenn es nach der jüdischen Gemeinschaft geht, soll Michael D. Higgins, irischer Staatspräsident, in diesem Jahr nicht bei der Gedenkfeier zum Holocaust-Gedenktag sprechen

von Michael Thaidigsmann  16.01.2025

Ungarn

Abschied von der ältesten Olympiasiegerin

Die legendäre Turnerin Ágnes Keleti ist in Budapest gestorben – nach einem langen, außergewöhnlichen Leben voller Medaillen

von Martin Krauß  15.01.2025

Frankreich

Iris Knobloch bleibt Präsidentin des Filmfestivals Cannes

Sie ist die erste Frau an der Spitze des Festivals

 15.01.2025