Österreich

»Klimavergifter aus Amerika und Israel«

Umstritten: Innenminister Gerhard Karner Foto: imago images/SEPA.Media

Nachdem Österreichs früherer Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) Bundeskanzler geworden ist, rückte Anfang des Monats ein Mann auf seine Position, der stark in der Kritik steht: Gerhard Karner (auch ÖVP). Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien protestiert gegen seine Ernennung, und die »Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen« (JöH) fordern in breiter Allianz mit vielen Unterstützern aus Kultur und Politik Karners Rücktritt als Innenminister.

Ähnliche Forderungen kommen aus der SPÖ sowie vom liberalen Forum NEOS. Grund für die Forderungen ist die Bedienung antisemitischer Ressentiments im Landtagswahlkampf durch Karner sowie seine fragwürdige Haltung zu einer sensiblen Phase in der österreichischen Geschichte.

phänomen »Als junge österreichische Jüdinnen und Juden kannten wir geschichtsvergessene ÖVP-Politiker bisher nur als Phänomen des vorherigen Jahrtausends«, so die JöH-Präsidentin Sashi Turkof. Man sei »fassungslos, dass Karner, der sich antisemitischer Rhetorik bediente und zudem ein Dollfuß-Museum betreibt, nun als Innenminister für unsere Sicherheit verantwortlich sein soll«.

Gerhard Karner war bisher zweiter Landtagspräsident in Niederösterreich und hatte der Sozialdemokratischen Partei Niederösterreichs in Landtagswahlkämpfen vorgeworfen, mit »Herren aus Amerika und Israel gegen das Land gearbeitet« zu haben, und diese als »Klimavergifter« bezeichnet.

»Ich betrachte die Aussagen als hoch problematisch«, erklärte der Präsident der IKG Wien, Oskar Deutsch. Seine Bedenken hatte Deutsch Karner bereits in der Vorwoche per Brief mitgeteilt.

Gerhard Karner selbst hatte tagelang zu den Vorwürfen geschwiegen. In einer Presseerklärung ließ er nun aber wissen, er würde »die damaligen Aussagen, die offenbar missverständlich aufgefasst werden können, nicht mehr tätigen«.

Karner selbst hatte tagelang zu den Vorwürfen geschwiegen. In einer Presseerklärung ließ er nun aber wissen, er würde »die damaligen Aussagen, die offenbar missverständlich aufgefasst werden können, nicht mehr tätigen«. Er weise antisemitisches Gedankengut »aufs Schärfste und sehr entschieden zurück«. Die IKG begrüßte am Dienstag, dass der Minister die Kritik ernst genommen habe.

DOLLFUSS Bis Anfang des Monats war Karner Bürgermeister in der kleinen Gemeinde Texingtal rund 100 Kilometer westlich von Wien. Das Dorf ist Geburtsort von Engelbert Dollfuß, dem österreichischen Pendant zu Mussolini und zugleich Hitler-Rivale. Ihm ist dort ein Museum gewidmet, das kritische Zeithistoriker eher als Gedenkstätte denn als Ort historischer Aufarbeitung bezeichnen.

Dollfuß errichtete in Österreich ein klerikal-faschistisches, antisemitisches System, schaffte die Opposition ab und schaltete das Parlament aus. Im Juli 1934 wurde er im Zuge eines nationalsozialistischen Putschversuchs erschossen.

Gewählt worden war Dollfuß auf der Liste der Christlichsozialen Partei, der Vorgängerpartei der ÖVP. Die tut sich bis heute schwer in der Deutung, wer Dollfuß war und welche seiner Taten zeitlichen Zwängen unterlegen waren.

vorzeichen Österreich war damals ein Staat, der von der NSDAP zusehends unterwandert wurde und in dem keine politische Partei ohne bewaffneten Arm auskam. Das Land war im Zuge des Ersten Weltkriegs von einer europäischen Zentralmacht auf einen Mini-Staat reduziert worden – dem quer durch alle politischen Lager die Existenzunfähigkeit beschieden wurde. Sozialdemokraten und Kommunisten forderten damals ebenso wie Nationalsozialisten den Anschluss an Deutschland – freilich unter unterschiedlichen Vorzeichen. Nicht so allerdings die Christlichsoziale Partei.

Im Parlamentsklub der ÖVP hing bis 2017 ein Porträt von Dollfuß, das wegen der Parlamentssanierung dem niederöster­reichischen Landesmuseum als Leihgabe überlassen wurde. Bundeskanzler Nehammer sagte nun, man habe sich intensiv mit Dollfuß’ »Kanzlerdiktatur« und ihren Folgen auseinandergesetzt – für die ÖVP eine durchaus scharfe Wortwahl. Die Museumsausstellung in Texingtal soll nun überarbeitet werden.

Großbritannien

Warten auf »Bridgerton«

Die Sehnsucht nach der vierten Staffel des Netflix-Hits ist groß. Aber wie war eigentlich das reale jüdische Leben in der Regency?

von Nicole Dreyfus  29.06.2025

Glastonbury Festival

Kritik an antiisraelischen Parolen

Neben der Musik sorgt Hetze gegen Israel für Aufsehen – mit Folgen für die BBC, die alles live übertragen hat

 29.06.2025

Glastonbury

Bob Vylan ruft »Death, death to the IDF« – BBC überträgt es

Beim größten Open Air Festival Großbritanniens rufen Musiker antiisraelische Parolen

 28.06.2025

Militär

Name des schwulen Bürgerrechtlers Harvey Milk von US-Kriegsschiff gestrichen

Das nach Milk benannte Versorgungsschiff heißt jetzt »USNS Oscar V. Peterson«

 28.06.2025

Meinung

Francesca Albaneses Horrorshow

Die UN-Berichterstatterin verharmlost den Hamas-Terror und setzt die Israelis mit den Nazis gleich. Mit ihren Ansichten tourt sie nun durch die Schweiz

von Nicole Dreyfus  30.06.2025 Aktualisiert

Aufarbeitung

Brasilien entschädigt Familie von jüdischem Diktaturopfer

Vladimir Herzog gehört zusammen mit dem ehemaligen Abgeordneten Rubens Paiva zu den bekanntesten Diktaturopfern

 27.06.2025

Buenos Aires

Anschlag auf Juden in Argentinien: Prozess nach mehr als 30 Jahren

Am 18. Juli 1994 waren beim Anschlag auf das jüdische Kulturzentrum AMIA 85 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt worden

 27.06.2025

USA

Die Social-Media-Bändigerin

Die pro-israelische Influencerin Montana Tucker liefert Lehrstücke der modernen Kommunikation im Akkord. Zeit, sich die junge Frau, die mit Tanzvideos berühmt wurde, genauer anzusehen

von Sophie Albers Ben Chamo  26.06.2025

Balkan

Bosnien entschuldigt sich bei Rabbinerkonferenz

Über eine Tagung der Europäischen Rabbinerkonferenz in Sarajevo kam es zum judenfeindlichen Eklat. Mit der jetzt erfolgten Entschuldigung ist der Fall indes noch nicht bereinigt

 26.06.2025