Justiz

»Kein Fall für ein Gericht«

Jan Tomasz Gross Foto: picture alliance / AP Photo

Der polnisch-jüdisch-amerikanische Historiker Jan Tomasz Gross kritisiert den gestrigen Urteilsspruch des Warschauer Bezirksgerichts im Verfahren gegen die beiden polnischen Holocaust-Forscher Barbara Engelking und Jan Grabowski. »Es ist skandalös, dass das Gericht den Fall überhaupt angenommen hat«, sagte er der Jüdischen Allgemeinen. Es liege nicht in der Kompetenz von Richtern, ein Urteil über die Geschichte zu fällen. »Juristen sollen Verbrechen aufklären und nicht über die Geschichte zu Gericht sitzen.«

Die beiden Professoren Engelking und Grabowski müssen sich nach dem Urteil des Gerichts für Ungenauigkeiten in ihrer historischen Abhandlung entschuldigen. Eine von der Klägerin geforderte Entschädigung lehnte das Gericht am Dienstag aber ab. Die beiden Verurteilten wollen in Berufung gehen.

Folgen Gross befürchtet, dass sich das Urteil auf die künftige Holocaust-Forschung in Polen negativ auswirken werde. »Gerade junge Leute«, so Gross, »werden es sich ganz genau überlegen, ob sie sich in einer ideologisch so aufgeheizten Stimmung noch mit polnisch-jüdischen Themen befassen. Denn ein kleiner Fehler, der immer passieren kann, würde nicht durch eine öffentlich-wissenschaftliche Debatte aus dem Weg geräumt, sondern vor Gericht landen.« Dies sei Teil einer Geschichtspolitik, die Polens Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) seit Jahren betreibe.

Jan Tomasz Gross zählt zu den bekanntesten Holocaust-Forschern weltweit. Er wurde 1947 in Polen geboren und emigrierte nach einer antisemitischen Kampagne 1969 in die USA. Dort studierte er Geschichte und Soziologie. 2003 wurde er Professor in Princeton, seit einigen Jahren ist er emeritiert.

Im Jahr 2000 veröffentlichte Gross sein Buch Nachbarn. Der Mord an den Juden in Jedwabne, in dem er die polnische Beteiligung am Mord an den Juden dieses Dorfes 1941 belegt. Das Buch löste in Polen eine hitzige Debatte aus und motivierte eine Reihe namhafter polnischer Historiker, darunter Engelking und Grabowski, das Verhältnis zwischen katholischen Polen und Juden während der Schoa wissenschaftlich zu untersuchen. ja

Das ganze Interview lesen Sie am Donnerstag in unserer Printausgabe.

Dänemark

Männer sollen 760.000 Euro für die Hamas gesammelt haben

Am Dienstagmorgen nahm die Polizei einen 28-Jährigen fest. Sein mutmaßlicher Komplize sitzt bereits in U-Haft

 05.12.2025

Antisemitismus

Litauen: Chef von Regierungspartei wegen Antisemitismus verurteilt

In Litauen ist der Chef einer Regierungspartei mehrfach durch antisemitische Aussagen aufgefallen. Dafür musste er sich vor Gericht verantworten. Nun haben die Richter ihr Urteil gefällt

 04.12.2025

Ukraine

Alles eine Frage der Herkunft

Wie ein Korruptionsskandal den antisemitischen Narrativen in Russland Vorschub leistet

von Alexander Friedman  04.12.2025

Europa

»Yid Army« im Stadion

Ein neues Buch erklärt, warum Fußballvereine wie Tottenham Hotspur, Austria Wien und Ajax Amsterdam zu »Judenklubs« wurden

von Monty Ott  04.12.2025

Berlin

Prozess um Attentat am Holocaust-Mahnmal fortgesetzt

Das überlebende Opfer, der 31-jährige spanische Tourist Iker M., wollte am Mittwoch persönlich vor dem Kammergericht aussagen

 03.12.2025

Sydney

Jüdische Organisationen prangern »Geißel« Antisemitismus an

Im Fokus steht dieses Mal Australien. Es ist Gastgeber einer Konferenz der internationalen jüdischen Initiative »J7«. Sie stellt Zahlen zu Judenhass auf dem Kontinent vor - und spricht von historischen Höchstständen

von Leticia Witte  02.12.2025

New York

Das sind die Rabbiner in Mamdanis Team

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat Mamdani keinen Ortodoxen in seine Übergangsausschüsse berufen – eine Lücke, die bereits im Wahlkampf sichtbar wurde

 02.12.2025

Italien

Francesca Albanese und ihre »Mahnung« an die Presse

In Turin wurden die Redaktionsräume von »La Stampa« von Demonstranten verwüstet. Die Reaktion der UN-Sonderbeauftragten für die Palästinensergebiete verstörte viele

von Michael Thaidigsmann  02.12.2025

Jüdisches Leben im Libanon

Noch immer hat Beirut eine Synagoge, aber die Gläubigen nehmen ab

Einst war Libanon ihr Zufluchtsort, dann kam der Bürgerkrieg, und viele gingen. Doch nach wie vor gehören Juden zu den 18 anerkannten Religionsgruppen im Libanon - auch wenn nur noch wenige im Land leben

von Andrea Krogmann  02.12.2025