ÖSTERREICH

Jüdisches Leben in 25 Paragrafen

Ort der Entscheidung: Parlamentsgebäude in Wien Foto: cc

ÖSTERREICH

Jüdisches Leben in 25 Paragrafen

Der Nationalrat verabschiedet ein neues »Israelitengesetz«

von Alexia Weiss  24.04.2012 07:55 Uhr

Vergangene Woche hat der österreichische Nationalrat mit der nötigen Zweidrittelmehrheit, aber ohne Zustimmung der Freiheitlichen Partei (FPÖ), das neue »Israelitengesetz« beschlossen. Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), und sein Vorgänger Ariel Muzicant saßen auf der Besuchergalerie. Erleichterung stand den beiden ins Gesicht geschrieben. Denn zuletzt hatte ein Antrag des liberalen Vereins »Or Chadasch« etwas Unruhe in die Angelegenheit gebracht.

Aufschrei Spurlos ging dieser Aufschrei nicht vorbei: Im zuständigen parlamentarischen Ausschuss waren die Abgeordneten aller fünf Parteien wenige Tage vor der Beschlussfassung übereingekommen, dem Gesetzestext hinzuzufügen, dass alle bestehenden Traditionen angemessen vertreten sein sollen. In der Plenarsitzung nutzte dann der FPÖ-Abgeordnete Walter Rosenkranz die von »Or Chadasch« geäußerte Kritik an dem Gesetzesentwurf, um eine Rückverweisung an den Ausschuss zu fordern.

Doch durch die Beschlussfassung im Nationalrat ist es nun fast vollbracht. Im Mai muss nur noch der Bundesrat seinen Segen dazu geben, was aber als reiner Formalakt gilt.

Das aus dem Jahr 1890 stammende Gesetz, bis jetzt in der novellierten Form aus dem Jahr 1984 gültig, ist völlig neu gestaltet worden. Statt bisher 36 Paragrafen gibt es jetzt nur noch 25. Und inhaltlich erhält die jüdische Gemeinschaft vor allem eines: Autonomie.

Die IKG kann nun selbst bestimmen, wann eine Schule eine konfessionelle ist oder wer auf den Gemeindefriedhöfen begraben wird, deren Auflösung oder Schließung im Übrigen als unzulässig erklärt werden. Festgeschrieben wurde in dem Gesetz auch die finanzielle Unterstützung der jüdischen Gemeinschaft durch die öffentliche Hand mit jährlich 308.000 Euro sowie die Bezahlung von 23 Mitarbeitern der Kultusgemeinden.

Die IKG Wien ist mit rund 7.600 Mitgliedern die bei Weitem größte der fünf derzeit in Österreich bestehenden jüdischen Gemeinden. Ihr Budget beträgt etwas mehr als zwölf Millionen Euro im Jahr. Zwei Drittel davon nimmt die Gemeinde durch die Bewirtschaftung ihrer Immobilien ein.

schächten Nach der Beschlussfassung im Nationalrat tat die IKG-Führung ihre »große Genugtuung« über das neue Gesetz kund. Ein besonderes Anliegen war ihr, das Schächten abzusichern. Und so heißt es nun in dem neuen Gesetz: »Die Israelitische Religionsgesellschaft hat das Recht, in Österreich die Herstellung von Wein, Fleischprodukten und anderen Nahrungsmitteln gemäß ihren innerreligionsgesellschaftlichen Vorschriften zu organisieren.«

Vieles aus dem alten Israelitengesetz hatte nicht mehr der aktuellen Rechtslage entsprochen. So muss ein Rabbiner heute weder österreichischer Staatsbürger sein noch muss der Staat der Anstellung zustimmen. Auch ist nicht mehr festgelegt, dass eine Gemeinde mindestens »30 Familienoberhäupter« als Mitglieder haben muss, sondern »rund 300 Personen«, heißt es in den Erläuterungen zum Gesetz.

Dass die jüdische Gemeinschaft laut Gesetz nun eine »Körperschaft öffentlichen Rechts« ist, könnte in Expertenkreisen noch heftig diskutiert werden. Solch eine Feststellung finde sich nicht einmal im Konkordat der römisch-katholischen Kirche, bemerkte Richard Potz vom Institut für Religions- und Kulturrecht an der Uni Wien. Bisher sei man davon ausgegangen, dass Kirchen und Religionsgesellschaften nur die Stellung derartiger Körperschaften haben, da sie keine Staatsaufgaben zu erfüllen haben.

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025

Spanien

Francos Erbe

Das Land, das den Sefardim einst ihren Namen gab, verlangt seinen Juden heute einiges ab

von Valentin Suckut  03.11.2025

»Nobody Wants This«

Alle wollen Esther

Einer der Gründe, die Netflix-Serie zu sehen, ist Jackie Tohn. Die Schauspielerin mit dem Blick, der Stahl schmelzen kann, tanzt gern auf vielen Hochzeiten

von Sarah Thalia Pines  03.11.2025

Slowakei

Neues Leuchten in Trenčín

Eine restaurierte Synagoge wird zum Herzstück der Kulturhauptstadt 2026 – und zum Zeichen jüdischer Erneuerung

von Kilian Kirchgeßner  03.11.2025

Amsterdam

Wegen IDF-Kantor: Concertgebouw sagt Chanukka-Konzert ab

Die renommierte Musikhalle hat wegen des geplanten Auftritts von IDF-Chefkantor Shai Abramson das alljährliche Konzert abgesagt. Die jüdische Gemeinschaft ist empört und will gegen den Entscheid klagen

von Michael Thaidigsmann  03.11.2025

USA

Unsicher in New York

Zohran Mamdani ist der mögliche nächste Bürgermeister der Metropole – und für viele Juden ein Problem

von Mark Feldon  30.10.2025

Judenhass

»Ich werde Selbstmordattentäter diese Nacht«: Mann plante Messerangriff auf Juden

Der arabischstämmige Mann wurde im letzten Moment von der Polizei festgenommen. Nun stand er vor Gericht

von Nicole Dreyfus  30.10.2025

Barcelona

Mordverdacht: Ermittlungen gegen Sohn von Mango-Gründer

Spanischen Medienberichten zufolge sind die Umstände des Todes des Modeunternehmers Isak Andic im Dezember 2024 noch nicht geklärt. Doch es gibt einen Verdacht

 30.10.2025

München

Europäische Rabbiner sagen Baku-Konferenz aus Sicherheitsgründen ab

Rund 600 Teilnehmer aus aller Welt sind angemeldet. Viel Geld war in die Vorbereitung geflossen

von Imanuel Marcus, Mascha Malburg  28.10.2025 Aktualisiert