Südafrika

Jude, Brite, Zulu

Auf der Bühne: Johnny Clegg Foto: picture alliance/KEYSTONE

Südafrika

Jude, Brite, Zulu

Zwei Jahre nach seinem Tod erscheint die Autobiografie des Sängers und Aktivisten Johnny Clegg

von Markus Schönherr  22.01.2022 22:55 Uhr

»Vos mit der Shwartzes und Johnele? Jeden Tag schleppt er einen neuen an …« Die Großmutter ist skeptisch, warum tanzt und singt ihr Enkel mit schwarzen Straßenmusikern? Was die Jüdin im afrikanischen Exil damals noch nicht wissen konnte: In einigen Jahren wird die ganze Welt ihren »Johnele« als »weißen Zulu« kennen und ihm auf der Bühne zujubeln.

»Johnny Clegg trägt viele Hüte: Er ist Tänzer, Anthropologe, Sänger, Liedtexter, Akademiker und Aktivist«, hieß es aus dem Büro des südafrikanischen Präsidenten, als er Clegg einen Orden für dessen Lebenswerk verlieh. Jetzt ist posthum die Autobiografie des südafrikanischen Ausnahmekünstlers erschienen: Scatterling of Africa: My Early Years. Darin begibt sich Clegg erneut auf die Suche nach seiner kulturellen Identität – eine Suche, wie sie wohl selbst im Vielvölkerstaat Südafrika nur wenige Menschen durchleben.

HERKUNFT Clegg wurde 1953 in Großbritannien geboren. Als er ein halbes Jahr alt war, ließ sich seine Mutter von dem britischen Air-Force-Piloten Dennis Clegg scheiden und kehrte mit Johnny in ihre Heimat Südrhodesien, das heutige Simbabwe, zurück. Dort besaß die Familie eine Farm, die Cleggs jüdische Großeltern nach ihrer Einwanderung aus der Ukraine und Russland erworben hatten. Seine Großmutter beschreibt er als scharfzüngige Matrone, die Jiddisch und Russisch, aber nur wenig Englisch sprach. Den Großvater als Patriarchen, der in seinem Enkel den »Zukunftsträger dieses kleinen jüdischen Familienkollektivs« sah.

Clegg selbst gelang es laut der Biografie nie, eine richtige Verbindung zu seinen jüdischen Wurzeln herzustellen. Er habe deshalb früh beschlossen, seinen »inneren Juden schlafen zu lassen« – bis er sich eines Tages vielleicht doch noch melden sollte.

Clegg selbst gelang es wohl nie, eine richtige Verbindung zu seinen jüdischen Wurzeln herzustellen.

Aufgeschlossener war Clegg für die Weltsicht seiner Mutter, einer Jazzsängerin, die englische Literatur genauso liebte wie »exotische Kulturen«. Mit ihrem Sohn zog sie nach Johannesburg. Obwohl sie in einem Vorort »mit großer jüdischer Gemeinde« lebten, kam Clegg vor allem mit der Kultur der Zulu in Kontakt. Er freundete sich mit Wanderarbeitern an und wurde bald das exotischste Mitglied in Zulu-Tanzgruppen. »Bei den Zulu-Migranten zu sein, war viel stimmiger für mich als das, was angeblich meine eigene Gesellschaft und Kultur waren«, erinnerte sich Clegg.

APARTHEID Die Großmutter beschwor ihn, »Abstand zu diesem Stammeszeug zu gewinnen«, aber der Teenager dachte nicht daran. Das endete für ihn bald auf dem Rücksitz eines Polizeiautos: Mit 15 Jahren wurde er zum ersten Mal verhaftet, denn die Apartheid-Politik regelte, wo Menschen verschiedener Ethnien leben und arbeiten, ja sogar, wen sie heiraten durften.

»Ich denke, kein Land auf dieser Welt hat so einen Wirbel um Rasse, Kultur, Religion, Geschlecht, Abstammung und Weltanschauung veranstaltet wie Südafrika während der Apartheid.« Das musste Clegg einmal mehr feststellen, als er und sein schwarzer Bandkollege gezwungen waren, in der Küche eines Klubs aufzutreten statt auf der Bühne.

In den 70er-Jahren gründeten Clegg und Sipho Mchunu Südafrikas erste ethnisch gemischte Musikgruppe Juluka. »Er verliebte sich früh in die Zulu-Musik, noch bevor er wirklich die Komplexität der politischen Landschaft verstand«, sagen Cleggs Söhne Jesse und Jaron. »Alles, was er tat, rührte von tiefen Freundschaften und seiner Liebe für Zulu-Musik und -Kultur her.«

durchbruch Der Durchbruch kam mit dem zweiten Album 1981, kurz darauf folgten internationale Auftritte. Für den Erfolg gab Clegg nicht nur seine Stelle als Anthropologe an der Uni Witwatersrand auf, er riskierte auch seine Freiheit. Dem Regime war es ein Dorn im Auge, als Cleggs Band über die Freilassung Mandelas aus der politischen Haft sang wie im Lied »Asimbonanga«: »Wir haben ihn lange nicht gesehen«. Er trat für Menschenrechte und Gleichberechtigung ein, dennoch verstand Clegg sich selbst nie als Politaktivist: »Ich habe die Politik nicht gesucht, sie hat mich gefunden.«

2019, kurz nach seiner Abschiedstournee, starb Johnny Clegg an Krebs. Doch er gilt weiterhin als Legende. Die »Times of Israel« nannte ihn »Südafrikas jüdischen Zulu«. Seine Botschaft sei für das Land »so wichtig wie eh und je«, sagen seine Söhne, denn »seine Geschichte ist ein Zeugnis für die Macht menschlicher Verbundenheit«.

Johnny Clegg: »Scatterling of Africa: My Early Years«. Pan MacMillan, Johannesburg 2021, 348 S., 27,99 US-$

Johnny Cleggs legendärer Auftritt mit Nelson Mandela: https://www.youtube.com/watch?v=BGS7SpI7obY

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