Maurice Cohen

Irischer »Polstersessel-Humanitarismus«

Maurice Cohen ist Vorsitzender der kleinen jüdischen Gemeinde Irlands Foto: Michael Thaidigsmann

Herr Cohen, letzte Woche verurteilte das irische Parliament, die Dáil, Israel scharf für eine angebliche »De-facto-Annexion von palästinensischem Land«. Wie bewerten Sie den Beschluss?
Wir sind bitter enttäuscht über die sehr einseitige Haltung, die unsere Regierung und das gesamte Parlament da eingenommen haben. Es betrübt die jüdische Gemeinschaft sehr, dass kein einziger Vertreter das Wort ergriffen und Verständnis für Israels Position gezeigt hat. Grundlegende Fakten wurden schlicht ignoriert.

Woran liegt das?
Das pro-palästinensische Narrativ ist in den irischen Medien ebenso wie in der Politik das klar beherrschende. Und wir sehen da so eine Art von »Herdenmentalität«. Der israelische Standpunkt geht entweder ganz unter oder wird absichtlich ignoriert. Geflissentlich übersehen wird die Tatsache, dass eine terroristische Organisation – die Hamas – den Gazastreifen kontrolliert und den jüngsten Konflikt angezettelt hat. Die kleine irische jüdische Gemeinde betet für den Frieden und für eine Zwei-Staaten-Lösung, die es Palästinensern und Israelis ermöglicht, in guter Nachbarschaft zueinander zu leben.

Hat Israel in Irland denn überhaupt noch Freunde?
Ja, Israel hat hier viele Freunde, in allen gesellschaftlichen Bereichen. Leider werden deren Stimmen kaum gehört. Die Medien sind voreingenommen, einseitige Darstellungen des Nahostkonflikts bestimmen die öffentliche Debatte über dieses Thema. Hinzu kommt: Die Iren assoziieren sich immer mit dem vermeintlichen Underdog, und der herrschenden Meinung zufolge sind das die Palästinenser. Man könnte das auch »Polstersessel-Humanitarismus« nennen. Der ist sehr schick, und alle glauben, ihr Engagement könne etwas an der Lage vor Ort ändern. Das kann es aber nicht.

Was ist die praktische Auswirkung dieser Parlamentsresolution? Könnte ein Boykott von israelischen Produkten der nächste Schritt sein?
Die derzeitige Regierung wird keinen Boykott einführen, auch wenn die Opposition gerne die Einfuhr von Waren aus den israelischen Siedlungen verbieten möchte. Im Moment ist allerdings weithin akzeptiert, dass nur die Europäische Union eine solche Entscheidung treffen könnte.

Hat die israelfeindliche Stimmung Auswirkungen auf die jüdische Gemeinde in Irland?
Das Ganze ist sehr entmutigend für uns. Aber während der Antisemitismus im Internet und auch in den Mainstream-Medien messbar ist, gibt es in Irland nur sehr wenige physische, reale Ausprägungen dieses Phänomens.

Das Interview mit dem Vorsitzenden des Jewish Representative Council of Ireland führte Michael Thaidigsmann.

Großbritannien

Aufsicht rügt BBC wegen »schwerwiegender Irreführung«

Eine BBC-Doku aus Gaza drehte sich um den 13-jährigen Sohn eines hochrangigen Hamas-Funktionärs. Doch davon erfuhren die Zuschauer nichts. Jetzt beschloss die Ofcom Sanktionen gegen den Sender

 17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts.

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

USA

Auf der Suche nach dem »Jewish Glam«

Wie jüdische Fotografinnen und Fotografen Hollywood zu seinem berühmten Glamour verhalfen

von Ute Cohen  17.10.2025

Stockholm

Wirtschaftsnobelpreis geht auch an jüdischen Ökonom

Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt werden für ihre Forschung zu nachhaltigem Wachstum geehrt

 13.10.2025

Kommentar

Kein Wunder in Bern

Bei gewaltbereiten Demonstrationen in der Schweizer Bundeshauptstadt hat sich ein Teil der Palästina-Solidarität einmal mehr selbst entlarvt: Es ging nie darum, das Leid im Gazastreifen zu beenden oder einen angeblichen Genozid zu stoppen

von Nicole Dreyfus  12.10.2025

Malibu

Kiss-Sänger Gene Simmons bei Unfall verletzt

Der 76-Jährige soll hinter dem Steuer das Bewusstsein verloren haben

 10.10.2025

Meinung

Außen hui, innen pfui: Trumps Umgang mit den Juden

Während sich der US-Präsident um die Juden in Israel verdient macht, leidet die jüdische Gemeinschaft im eigenen Land unter seiner autoritären Innenpolitik. Das sollte bei aller Euphorie über den Gaza-Deal nicht vergessen werden

von Joshua Schultheis  09.10.2025

Literatur

Nobelpreis für Literatur geht an László Krasznahorkai

Die Literaturwelt blickt erneut gebannt nach Stockholm. Dort entscheidet man sich diesmal für einen großen Schriftsteller aus Ungarn - und bleibt einem Muster der vergangenen Jahre treu

von Steffen Trumpf  09.10.2025

Italien

»Mein Sohn will nicht mehr Levy heißen«

Wie ist es in diesen Tagen, Jude in einer europäischen Metropole zu sein? Ein Besuch bei Künstler Gabriele Levy im jüdischen Viertel von Rom

von Nina Schmedding  06.10.2025