Polen

Investition in die Geschichte

»Das Leben besteht nicht nur aus Geschäften«, erklärte der 62-jährige Multimilliardär Jan Kulczyk. »Nichts verbindet uns mehr als unsere gemeinsame Geschichte. Daran müssen wir stets erinnern.« Polens reichster Mann hat vergangene Woche eine Rekordsumme von umgerechnet rund fünf Millionen Euro für das in Warschau entstehende Museum der Geschichte der polnischen Juden gespendet. Auch die Bundesrepublik Deutschland spendete fünf Millionen Euro; Kulczyk ist allerdings der erste Pole, der als Einzelperson dem jüdischen Museum eine so hohe Summe zur Verfügung stellt.

Die Finanzierung teilen sich der polnische Staat, die Stadt Warschau und die Gesellschaft des Jüdischen Historischen Instituts in Warschau. Auf deren Initiative geht auch der Bau des künftig größten jüdischen Museums in Europa zurück.

Probleme Während die öffentliche Hand in Polen für die Baukosten in Höhe von rund 50 Millionen Euro geradesteht, sammelt die Gesellschaft Spenden in Höhe von rund 30 Millionen Euro bei Privatpersonen und Institutionen für die Dauerausstellung, die auf zwei Stockwerken im Keller zu sehen sein wird. Die Gesellschaft hatte allerdings Probleme, die notwendige Summe für die Ausstellung zusammenzubekommen, da Gründungsdirektor Jerzy Halberstadt und seine Equipe schon vor der Eröffnung des Museums zahlreiche Kunst- und Bildungsaktionen organisierten und Teile des gesammelten Geldes dafür ausgaben.

Von der geplanten Ausstellung war außer einer virtuellen Präsentation nicht viel zu sehen. So begann der Spendenstrom immer langsamer zu fließen und versiegte während der Finanz- und Wirtschaftskrise fast völlig.

Um ein Fiasko abzuwenden – der Eröffnungstermin zum 70. Jahrestag des Warschauer Ghettoaufstandes am 19. April 2013 ist inzwischen nicht mehr zu halten – griff Polens Kulturminister Bogdan Zdrojewski ein. Er entließ Halberstadt, schließlich auch dessen Stellvertreterin und setzte Waldemar Dabrowski, den ehemaligen Kulturminister und Direktor der Nationaloper in Warschau, als neuen Übergangsdirektor ein. Innerhalb weniger Wochen gelang es ihm, den Spendenstrom wieder zum Fließen zu bringen. Zunächst überwiesen die amerikanisch-jüdische Taube Family Foundation und die Koret-Stiftung sieben Millionen Dollar, schließlich spendete Kulczyk. »Damit ist die Finanzierungslücke gefüllt«, freut sich Minister Zdrojewski. Das Museum soll nun Ende 2013 eröffnet werden.

Erfolg Kulczyk, der die deutsch-polnische Industrie- und Handelskammer mitbegründete, kaufte nach der Wende 1989 fast bankrotte staatliche Unternehmen in Polen auf, sanierte sie und verkaufte sie dann mit Gewinn weiter. Begonnen hatte alles mit dem Beeren- und Pilzhandel seines Vaters, der in Berlin eine Import-Export-Firma betrieb. Als Jan Kulczyk die Exklusivrechte für den Vertrieb von VW und Porsche in Polen erhielt, startete er durch und hatte sofort Erfolg. Inzwischen gibt es kaum eine Branche, in die er nicht investiert hätte. Selbst Öl- und Gasfelder auf anderen Kontinenten gehören zu seinem Portefeuille.

Kulczyk tritt immer wieder als Wohltäter und Sponsor in Erscheinung. Er unterstützt vor allem Schulen, Museen und Kindergärten. Dabei ist es in Polen nicht üblich, über das philanthropische Engagement reicher Leute laut zu reden. Dass die Spende für das Museum der Geschichte der Juden Polens ausnahmsweise im Blitzlichtgewitter der Kameras übergeben wurde, dürfte mit den zahlreichen Spenden aus den USA zu tun haben.

In den letzten Jahren entstand der Eindruck, dass vor allem Ausländer das Museum finanzieren. Das erweckte den Anschein, den Polen läge nichts an der jüdischen Geschichte. Kulczyk versucht, mit seiner öffentlichen Spende diesem Eindruck entgegenzuwirken.

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Hollywood

80 Jahre Goldie

Die quirlige Schauspielerin feiert ihren runden Geburtstag – und ist nicht zu bremsen

von Barbara Munker, Sophie Albers Ben Chamo  23.11.2025

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

USA

Zwölf Familien, eine Synagoge

Die meisten Juden in Nordamerika leben in Großstädten, auf dem Land gibt es nur wenige Gemeinden – aber gerade dort wächst eine besonders starke Identität. Ein Besuch in der Kleinstadt Rome im Bundesstaat Georgia

von Katja Ridderbusch  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

Judenhass

»Wir wollen keine Zionisten«: Mamdani reagiert auf antisemitische Kundgebung vor Synagoge

Die Teilnehmer schrien unter anderem »Tod den IDF!« und »Globalisiert die Intifada!«

von Imanuel Marcus  21.11.2025 Aktualisiert

New York

Neonazi wollte als Weihnachtsmann jüdische Kinder mit Süßigkeiten vergiften

Der Antisemit soll zudem »Interesse an einem Massengewaltakt« gezeigt und Anleitungen zum Bau von Bomben geteilt haben. Nun wird er angeklagt

 21.11.2025

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  20.11.2025