Italien

Ins Aus gespielt

Banner im Fanblock: Ende November bei Lazios EuroLeague-Heimspiel gegen Tottenham Hotspurs Foto: Reuters

Wenn der Disziplinarausschuss des europäischen Fußballverbands UEFA in dieser Woche zusammenkommt, steht ein ernstes Thema auf dem Programm: Wegen des antisemitischen Verhaltens seiner Fans will die UEFA ein Disziplinarverfahren gegen den italienischen Spitzenclub Lazio Rom einleiten.

Anlass sind die Vorfälle rund um ein Spiel der EuroLeague Ende November gegen Tottenham Hotspurs aus London. Lazio-Fans entrollten dort ein »Free Palestine«-Banner und skandierten »Juden Tottenham«. Der Londoner Verein hat viele jüdische Anhänger. Auch nichtjüdische Fans nennen sich »Yid Army«. Am Vorabend des Spiels waren einige Gäste-Fans in einer römischen Bar von Hooligans angegriffen worden. Auch dabei kam es laut Augenzeugen zu antisemitischen Beleidigungen.

konsequenzen »Ich hoffe, die UEFA schließt Lazio aus«, sagt Vittorio Pavoncello, Präsident von Maccabi Italia, der Jüdischen Allgemeinen. Nur die harten sportlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen eines solchen Schritts könnten genügend Druck auf den Klub ausüben, um die Faschisten unter seinen Fans aus dem Stadion zu halten. Als akute Maßnahme in künftigen Fällen fordert Pavoncello einen sofortigen Spielabbruch.

Pavoncello sieht »ein altes Problem mit dem immer gleichen antisemitischen Niveau«. Bereits 2005 forderte er Lazio auf, gegen den damaligen Kapitän Paolo Di Canio vorzugehen, der die Fans mit dem gestreckten Arm der italienischen Faschisten zu grüßen pflegte. Als Lazio 1993 den schwarzen jüdischen Star Aron Winter aus den Niederlanden verpflichtete, fanden sich an römischen Wänden antisemitische und rassistische Graffiti.

Slogans Fabrizio Della Rocca, Direktor von Maccabi Rom, sagt, die Vorfälle hätten die jüdische Gemeinschaft der Hauptstadt »sehr erschüttert«. Es sei wichtig, sich klarzumachen, dass die betreffenden Lazio-Fans wirklich hinter ihren rassistischen Slogans ständen. Della Rocca weist aber auch auf zahlreiche Solidaritätsbekundungen hin, die das Ausmaß der »gewalttätigen Episode« überstiegen.

In der jüdischen Gemeinde der Stadt ist man über die jüngsten Ereignisse »entrüstet«, so Fabio Perugia, Sprecher der Comunità Ebraica di Roma. Er fordert eine Verschärfung des italienischen Rechts und den Einsatz moderner Technologie, um diejenigen zu ermitteln, die für die rassistischen Gesänge verantwortlich sind. »In einem zivilisierten Land kann so etwas nicht toleriert werden.« Perugia stimmt Lazio-Präsident Claudio Lotito zu, der die Rechtsextremen unter den Fans eine Minderheit nennt. »Doch nicht ein einziger rassistischer Fan sollte das Stadion betreten.« Die Ermittlungen der UEFA begrüßt der Gemeindesprecher.

FIFA Italien ist nicht das einzige europäische Land mit einem massiven Antisemitismus-Problem im Fußball. Nach einem Beschluss des Weltverbands FIFA muss die Auswahlmannschaft Ungarns ihr nächstes WM-Qualifikationsspiel gegen Rumänien im März unter Ausschluss der Öffentlichkeit austragen. Grund dafür waren antijüdische Ausfälle in einem Freundschaftsspiel gegen Israel im August vergangenen Jahres. Große Teile des Publikums hatten die Israelis als »stinkende Juden« beleidigt und iranische Flaggen geschwenkt sowie »Mussolini« und »Buchenwald« gebrüllt, als die Hatikwa, die israelische Nationalhymne, gespielt wurde. Der ungarische Fußballverband kündigte zuletzt an, gegen die Maßnahme Berufung einzulegen.

Wegen solcher Berichte erwähnt übrigens auch das Simon Wiesenthal Center (SWC) in seiner jüngst veröffentlichten Liste antisemitischer Beleidigungen »European Soccer Fans«. Die Gesamtheit ihres antijüdischen Gruselkabinetts brachte den vage umrissenen »europäischen Fußballfans« Platz vier ein – nur knapp hinter den Muslimbrüdern und dem iranischen Regime sowie weit vor einem gewissen Jakob Augstein. SWC-Direktor Shimon Samuels betonte gegenüber der Berliner Fußballzeitschrift »11 Freunde«, die Vorfälle beträfen nicht allein Osteuropa. In der Begründung werden namentlich Beschimpfungen gegen Tottenham-Hotspurs-Fans genannt.

Jerusalem

Koscherstempel bei Antisemitismus-Konferenz?

Israels Diaspora-Minister Amichai Chikli hat auch europäische Rechtspopulisten eingeladen. Nun hagelt es Absagen und beißende Kritik

von Michael Thaidigsmann  18.03.2025

Antisemitismus-Bericht

Schweiz: »Wir haben einen Dammbruch erlebt«

Auch die Eidgenossenschaft erlebte im vergangenen Jahr einen sprunghaften Anstieg judenfeindlicher Vorfälle

von Michael Thaidigsmann  18.03.2025

Russland

Geschichte wird zugemacht

Das Ethnografische Museum in St. Petersburg schließt seine Ausstellung über jüdisches Leben im Zarenreich. Die Gründe sind vielfältiger als gedacht

von Polina Kantor  16.03.2025

Porträt

Klang des Lebens

Sie wurde gehörlos geboren und musste lernen, sich in der Welt der Hörenden zurechtzufinden. Darüber schrieb sie ein Buch, das zum Bestseller wurde. Eine Begegnung mit Fiona Bollag

von Nicole Dreyfus  15.03.2025

Brüssel

Früherer EJC-Chef Kantor von EU-Sanktionsliste gestrichen

Die Streichung des russisch-britischen Geschäftsmanns erfolgte offenbar auf Druck der ungarischen Regierung

 14.03.2025

Dänemark

Jüdin in Kopenhagen attackiert

Die Angreifer beschimpften sie antisemitisch und würgten ihr Opfer

 14.03.2025

Irak

Bericht: Israelisch-russische Geisel Elizabeth Tsurkov möglicherweise im Iran

Nachdem die USA im Fall der entführten Elizabeth Tsurkov den Druck auf den Irak erhöhen, heißt es, die Geisel wurde in den Iran verschleppt

 12.03.2025

Belgien

Fantasien über Mord an Juden fallen unter die Meinungsfreiheit

Entsetzen in der jüdischen Gemeinschaft: Ein Kolumnist wurde vom Vorwurf der Aufstachelung zur Gewalt gegen Juden freigesprochen

von Michael Thaidigsmann  12.03.2025

Österreich

Zwei Wochen lang »Shalom Oida«

Das Jüdische Filmfestival in Wien präsentiert die Realität jüdischen Lebens – von Antisemitismus bis Schidduch

von Stefan Schocher  11.03.2025