Europa

Immer mehr spüren den Hass

Jüngere zeigen ihr Judentum offener als Ältere. Foto: dpa

Es waren keine neuen Zahlen, die vergangene Woche in Brüssel präsentiert wurden, sondern eine gesonderte Auswertung von 2707 Online-Fragebögen von Juden, die vergangenes Jahr an einer breit angelegten Umfrage in zwölf EU-Ländern, darunter auch Deutschland, teilgenommen hatten.

Befindlichkeit Die EU-Grundrechteagentur FRA hatte die Umfrage beim Londoner Jewish Policy Institute in Auftrag gegeben und legte nun einen Bericht vor, der speziell der Befindlichkeit junger Juden im Alter von 16 bis 34 Jahren auf den Grund geht und ihre Erfahrungen mit Antisemitismus analysiert. Das Ergebnis: Junge europäische Juden erfahren ihn deutlich stärker als ältere, leben ihr Judentum dennoch offen aus.

Mehr als 80 Prozent der jüngeren Befragten sehen den Antisemitismus als das drängendste oder eines der drängendsten Probleme an. Ähnlich viele Befragte gaben an, die Judenfeindlichkeit habe in den vergangenen fünf Jahren spürbar zugenommen.

Anfeindung 44 Prozent sagten, in den vorausgegangenen zwölf Monaten persönlich Anfeindungen dieser Art ausgesetzt gewesen zu sein. Zum Vergleich: In der Altersgruppe der 35- bis 59-Jährigen waren es »nur« 32 Prozent.

41 Prozent der Jüngeren gaben an, sie hätten schon einmal darüber nachgedacht auszuwandern. Beliebtestes Ziel ist Israel, nur für ein Zehntel der Befragten käme auch ein anderes EU-Land in Betracht.

Internet Gefragt nach den häufigsten Formen des Antisemitismus, denen sie im Alltag begegneten und die zugenommen hätten, nannten in der Umfrage 90 Prozent der jüngeren Befragten an erster Stelle das Internet und die sozialen Netzwerke. Jeweils um die 70 Prozent gaben an, auch in den klassischen Medien, auf der Straße und in der Öffentlichkeit sowie in der Politik einen Anstieg der Judenfeindlichkeit bemerkt zu haben.

Persönlich besonders betroffen von antisemitischen Anfeindungen sind jüngere Juden an Schulen und Universitäten, wo es, so das Ergebnis der Studie, oft zu Belästigungen und sogar Mobbing komme, besonders von linken und muslimischen Mitschülern, Kommilitonen oder Kollegen.

Opfer 44 Prozent der Befragten sagten, in den zwölf Monaten vor der Umfrage zumindest einmal Opfer von Antisemitismus geworden zu sein. Vier Fünftel der Befragten gaben jedoch an, diese Vorfälle nicht zur Anzeige gebracht zu haben.

Zwar zeigen die Jüngeren ihr Judentum offener als die Älteren. Sie haben aber auch mehr Angst vor negativen Reaktionen in der Öffentlichkeit – und agieren dementsprechend vorsichtig. 33 Prozent der Befragten gaben an, keine Dinge wie Kippa oder Davidstern zu tragen, die es anderen erlaubten, sie in der Öffentlichkeit als jüdisch zu identifizieren. In der Gruppe der über 60-Jährigen waren es nur 22 Prozent.

Konflikt Oft fühlen sich junge europäische Juden in Mithaftung genommen für Handlungen der israelischen Regierung. Das passiere »ständig«, sagten 24 Prozent der Befragten, »häufig« 28 Prozent und »gelegentlich« 24 Prozent. Zwei Drittel gaben an, der Konflikt zwischen Arabern und Israelis beeinflusse das Sicherheitsgefühl der jüdischen Europäer.

Laut der Studie erachten zwar nur 29 Prozent der jüngeren Befragten Kritik an Israel per se als antisemitisch. Die BDS-Bewegung sehen aber 36 Prozent der Jüngeren als »definitiv« und weitere 34 Prozent als »wahrscheinlich antisemitisch« an.

Sicherheit Mit der Arbeit ihrer Regierungen im Kampf gegen Antisemitismus sind Europas jüngere Juden nicht zufrieden. Zwar erachtet knapp die Hälfte der Befragten die Anstrengungen im Hinblick auf die Sicherheitsbedürfnisse der jüdischen Gemeinden als positiv. Doch nur 17 Prozent der 16- bis 34-Jährigen glauben, die Regierung ihres Landes bekämpfe den Antisemitismus nachhaltig.

Bei den über 60-Jährigen sind dagegen immerhin 29 Prozent mit dem staatlichen Handeln zufrieden. Die Umfrage zeigt: Die Sorgen junger Juden in Europa nehmen zu.

Großbritannien

»Wir wussten, dass dieser Tag kommen würde«

Das tatkräftige Eingreifen von Gemeindemitgliedern konnte Leben retten. Doch nach dem Anschlag auf die Synagoge in Manchester beklagt die Gemeinschaft zwei Tote und mehrere Verletzte

von Michael Thaidigsmann  19.10.2025

Großbritannien

Aufsicht rügt BBC wegen »schwerwiegender Irreführung«

Eine BBC-Doku aus Gaza drehte sich um den 13-jährigen Sohn eines hochrangigen Hamas-Funktionärs. Doch davon erfuhren die Zuschauer nichts. Jetzt beschloss die Ofcom Sanktionen gegen den Sender

 17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts.

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

USA

Auf der Suche nach dem »Jewish Glam«

Wie jüdische Fotografinnen und Fotografen Hollywood zu seinem berühmten Glamour verhalfen

von Ute Cohen  17.10.2025

Stockholm

Wirtschaftsnobelpreis geht auch an jüdischen Ökonom

Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt werden für ihre Forschung zu nachhaltigem Wachstum geehrt

 13.10.2025

Kommentar

Kein Wunder in Bern

Bei gewaltbereiten Demonstrationen in der Schweizer Bundeshauptstadt hat sich ein Teil der Palästina-Solidarität einmal mehr selbst entlarvt: Es ging nie darum, das Leid im Gazastreifen zu beenden oder einen angeblichen Genozid zu stoppen

von Nicole Dreyfus  12.10.2025

Malibu

Kiss-Sänger Gene Simmons bei Unfall verletzt

Der 76-Jährige soll hinter dem Steuer das Bewusstsein verloren haben

 10.10.2025

Meinung

Außen hui, innen pfui: Trumps Umgang mit den Juden

Während sich der US-Präsident um die Juden in Israel verdient macht, leidet die jüdische Gemeinschaft im eigenen Land unter seiner autoritären Innenpolitik. Das sollte bei aller Euphorie über den Gaza-Deal nicht vergessen werden

von Joshua Schultheis  09.10.2025

Literatur

Nobelpreis für Literatur geht an László Krasznahorkai

Die Literaturwelt blickt erneut gebannt nach Stockholm. Dort entscheidet man sich diesmal für einen großen Schriftsteller aus Ungarn - und bleibt einem Muster der vergangenen Jahre treu

von Steffen Trumpf  09.10.2025