Schweiz

Im Zweifel für den Angeklagten

Er ist ein wandelnder Widerspruch, zumindest wirkt er zeitweise so. Valentin Landmann hat kein Problem damit, Posträuber oder diebische Prostituierte zu verteidigen. Selbst für ein Bordell im Zürcher Nobel-Quartier Wollishofen, wo auch zahlreiche jüdische Einwohner leben, hat er sich schon starkgemacht. Landmanns Anwaltskanzlei befindet sich aber nicht etwa im schummerigen Rotlicht-Viertel Zürichs, sondern in einem der Villenquartiere der Stadt.

Sein Anwaltsexamen besteht er mit »summa cum laude«, aber eine juristische Musterlaufbahn, die sich mit einer Assistenzstelle am Max-Planck-Institut in Hamburg bereits abzeichnete, wirft er weg – vor allem wegen seiner Begeisterung für die Hells-Angels-Rocker der Hansestadt und ihr Umfeld – ein weiterer Gegensatz. Widersprüche leistet sich der 60-Jährige auch gerne im privaten Bereich: So verrät er den Medien, seine Steckenpferde seien neben gutem Essen, erlesenen Weinen auch teure Uhren und noble Kluft, empfängt Journalisten in seiner Kanzlei aber in Jeans und Sandalen – und trinkt kalten schwarzen Kaffee.

Witzsammlung Der leidenschaftliche Motorradfahrer sieht zwischen seiner Tätigkeit als juristischer Beistand unter anderem von Prostituierten und den harten Jungs der Hells Angels keinen Widerspruch zu seiner Herkunft. Aufgewachsen ist Valentin Landmann gut behütet in St. Gallen als Sohn des in Berlin lehrenden Philosophen Michael Landmann und der Schriftstellerin Salcia Landmann, bekannt vor allem als »Mutter des jüdischen Humors«. Ihre Witzsammlungen, die im Büro des Sohns breiten Raum einnehmen, gelten auch heute noch in vielen Kreisen als eine Art Lexikon des Genres. Dies, obwohl ihre Interpretationen nicht immer unumstritten waren, zum Beispiel beim Autor und Kishon-Übersetzer Friedrich Torberg. Der warf Salcia Landmann teilweise sogar »antijüdische Tendenzen« vor.

Lebte Torberg noch, so könnte man sich durchaus vorstellen, dass Valentin Landmann ihn zu einem Zwiegespräch zum Thema »Jüdischer Witz« herausfordern würde. Denn wie die 2002 verstorbene Schriftstellerin ist Sohn Valentin ein durchaus streitbarer Geist. Selbst wer ihn noch nie vor Gericht erlebt hat, kann im Gespräch mit ihm ermessen, wie sehr er Freude hat am Disput, am Zerpflücken der gegnerischen Argumente. Das überträgt sich auch auf sein Verhältnis zum Humor: »Witze sind kulturelle Folien. Wer Witze erzählt, gräbt tiefer als einer, der einfach lustige Geschichten erzählt«, sagt er. Deshalb versuche er auch bei seinen Plädoyers vor Gericht, Pointen zu setzen, vor allem aber: nicht zu langweilen.

Freiheitsbegriff Mit seiner bekannten Mutter teilt er nicht nur die Liebe zum jüdischen Witz, sondern auch den Freiheitsbegriff: Sohn Valentin hält ihn ebenso hoch wie Salcia Landmann. »Der Bürger benutzt seine Freiheit heute leider nur noch so sparsam wie die Funktionen an seinem Handy«, bedauert der Jurist. Doch im Unterschied zum Mobiltelefon würden die Bürgerfreiheiten im Staat verkümmern, wenn man sie nicht benutze. Deshalb müsse man sie gegenüber der Obrigkeit um jeden Preis verteidigen, auch in der Demokratie.

Sein radikaler Freiheitsbegriff bringt den Anwalt sogar dazu, auch schon mal Neonazis vor Gericht zu verteidigen, oder zumindest deren Mitläufer. So geschehen vor fünf Jahren, als er nach einem Konzert einiger Skinhead-Bands im Kanton Wallis, bei der auch vom »Judenblut, das vom Messer spritzen muss« und ähnlichem gesungen wurde, das Mandat annahm, einige junge Leute juristisch herauszuhauen (was ihm teilweise auch gelang). Die waren am Anlass beteiligt, allerdings nur am Rande, etwa als Eisverkäufer oder Platzanweiser – alles Funktionen, bei denen sie nach eigenen Angaben vom krassen Antisemitismus der Veranstaltung gar nichts mitbekommen hätten. Landmann glaubte ihnen. »Ich finde es falsch, solche Leute zu kriminalisieren.«

Doch wer in Valentin Landmann eine Art selbsternannten »Anwalt des Teufels« sieht, tut ihm unrecht, denn der Verteidiger zieht klare Grenzen. So kann er zum Beispiel nicht verstehen, dass Sätze wie »Hamas, Hamas/ Juden ins Gas«, skandiert auf Schweizer Anti-Israel-Demonstrationen, die Staatsanwaltschaft nicht interessieren.

Wenn Landmann daran denkt, dass der Staat immer wieder dahin tendiert, seine Bürger zu überwachen, dann findet er lobende Worte für die Institution des Rabbinatsgerichts: »Das kluge talmudische Recht mit seinem gesunden Misstrauen gegenüber weltlicher Macht gefällt mir sehr!« Sympathien für talmudische Rechtsprechung und nazistische Mitläufer – wohl nur ein Valentin Landmann sieht darin keinen Widerspruch.

Belgien

»Gaza gleich Auschwitz«-Karikatur gewinnt Wettbewerb

Der erste Preis des Press-Cartoon-Belgium-Wettbewerbs ging in diesem Jahr an eine Zeichnung einer Landkarte, in der die Umrisse des Eingangstores von Birkenau auf die des Gazastreifens gelegt sind

von Michael Thaidigsmann  04.07.2025

Kommentar

Zürich sollte Francesca Albanese keine Bühne bieten

Die antisemitische UN-Sonderberichterstatterin tritt am Freitag in der Zürcher Zentralwäscherei auf - subventioniert durch die Steuerzahler der Stadt

von Ronny Siev  03.07.2025

Großbritannien

Unterhaus: Palestine Action als Terrororganisation eingestuft

Mitglieder der radikalen Anti-Israel-Gruppe waren im Juni auf einen britischen Luftwaffenstützpunkt eingedrungen und hatten dort Flugzeuge beschädigt

 03.07.2025

Ukraine

Putins Krieg und Trumps Frieden

Während sich die Medienaufmerksamkeit auf Nahost konzentriert, bombardiert Russland weiterhin das Land. Nun schlägt sogar der US-Präsident neue Töne an

von Michael Gold  03.07.2025

Australien

Zwei Krankenpfleger, die damit drohten, jüdische Patienten zu töten, haben Arbeitsverbot

Im Februar sorgte ein TikTok-Video für Abscheu und Empörung, in dem zwei Krankenpfleger ihrem blanken Judenhass freien Lauf ließen. Nun stehen sie vor Gericht

 02.07.2025

Großbritannien

Warten auf »Bridgerton«

Die Sehnsucht nach der vierten Staffel des Netflix-Hits ist groß. Aber wie war eigentlich das reale jüdische Leben in der Regency?

von Nicole Dreyfus  29.06.2025

Glastonbury Festival

Kritik an antiisraelischen Parolen

Neben der Musik sorgt Hetze gegen Israel für Aufsehen – mit Folgen für die BBC, die alles live übertragen hat

 29.06.2025

Glastonbury

Bob Vylan ruft »Death, death to the IDF« – BBC überträgt es

Beim größten Open Air Festival Großbritanniens rufen Musiker antiisraelische Parolen

 28.06.2025

Militär

Name des schwulen Bürgerrechtlers Harvey Milk von US-Kriegsschiff gestrichen

Das nach Milk benannte Versorgungsschiff heißt jetzt »USNS Oscar V. Peterson«

 28.06.2025