Grossbritannien

Im falschen Film

Es ist keineswegs das größte Theatergebäude Londons. Unscheinbar liegt es in Kilburn im Nordwesten der Stadt an einer eher glanzlosen Geschäftsstraße. Dennoch war das Tricyle-Theater in den vergangenen acht Jahren einer der Veranstaltungsorte des Londoner Jüdischen Filmfestivals (UKJFF), ein Höhepunkt im jüdischen Kulturkalender der Stadt.

Doch Anfang August, mitten im neuesten Konflikt zwischen Hamas und Israel, ließ Tricycles Kunstdirektorin Indhu Rubasingham in London eine Bombe hochgehen: Sie schrieb in einer Erklärung, dass Tricycle »wegen der Situation in Israel und Gaza nicht in der Lage sei, Fördermittel aus Quellen des derzeitigen Konflikts anzunehmen, weil das Theater ein neutraler Ort bleiben müsse«. Auch Fördergelder aus anderen Regierungsquellen, die mit Konflikten verbunden sind, würde man nicht tolerieren.

Doch hier handelte es sich um das jüdische, nicht um das israelische Filmfest. Jerusalems Botschaft in London unterstützt das Festival mit 1400 Pfund. Das sind umgerechnet 1752 Euro – ein wahrlich geringer Teil der Gesamtkosten.

Ein anderes Vorstandsmitglied des Theaters, Philippe Sands, äußerte sich deutlicher als Rubasingham: »Das Emblem der Botschaft Israels auf dem Poster des Festes ist in Kilburn problematisch.« Es könne zu Unruhen führen wie angeblich schon im vergangenen Jahr, behauptete er.

Vehemenz Doch niemand hätte es für möglich gehalten, mit welcher Vehemenz sich der Großteil britischer Juden, von Nick Cohen vom Guardian bis zur Schauspielerin Maureen Lipman und der jüdischen Dachorganisation, dem Board of Deputies, vereint gegen diese Maßnahmen wenden würde: Gemeinsam stellten sie fest, dass dies ein antisemitisches Diktum gegen Londons jüdisches Filmfest und in seiner Art einzigartig selektiv sei.

Die Regelung, kein Geld von Regierungen anzunehmen, die in Konfliktzonen verwickelt sind, möge doch bitte auch auf andere Regionen angewendet werden. »Nächstes Mal stoppe man das asiatische Filmfest, das ebenfalls im Tricycle gastiert, denn es erhält Zuschüsse aus Indien – trotz der Menschenrechtsverletzungen dort – oder das russische Staatsballett wegen Putin«, schlug der Journalist Nick Cohen vor. »Oder warum nicht gleich ein Stopp aller britischen Filme? Man denke an die Opfer britischer Militärgewalt.« Das Tricycle bekäme immerhin fast eine Million Euro staatlicher Zuschüsse pro Jahr.

Sowohl im Internet als auch vor den Türen des Theaters kam es zu Protesten. Alle stellten sich auf eine lange Kampagne ein, die für das Theater vermutlich sowohl rechtliche als auch finanzielle Konsequenzen gehabt hätte. Doch plötzlich, zehn Tage nach Rubasinghams Erklärung, unterzeichneten das Tricycle-Theater und die Festivalleitung ein gemeinsames Kommuniqué, in dem sie erklären, sie hätten sich aufgrund des öffentlichen Aufruhrs zusammengesetzt, um den Streit zu beenden.

So hieß es unter anderem: »Das Tricycle hat seinen Einspruch aufgehoben und das jüdische Filmfest wieder unter den gleichen Bedingungen wie zuvor, ohne Befugnisse bezüglich der Förderung durch die israelische Botschaft in London, eingeladen.« Man sprach von Vergebung und Dialog und Wiederaufbau der Beziehungen. Weiter wollten sich beide Seiten dazu nicht äußern.

New York

Ex-Krypto-König Bankman-Fried soll für 25 Jahre ins Gefängnis

Noch vor zwei Jahren wurde Sam Bankman-Fried als Finanzgenie und Galionsfigur einer Zukunftswelt des Digitalgelds gefeiert. Nun soll er als Betrüger mehr als zwei Jahrzehnte hinter Gittern verbringen

von Andrej Sokolow  28.03.2024

Interview

Der Medienschaffer

Der Ausnahmejournalist und Unternehmer Roger Schawinski über Erfolg, Judenhass und den 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  28.03.2024

Nachruf

Joe Lieberman stirbt mit 82 Jahren

Fast ein Viertel Jahrhundert lang setzte er sich als Senator auch für jüdische Belange ein

von Imanuel Marcus  28.03.2024

USA

Bildhauer Richard Serra gestorben

Für mehr als 100 öffentliche Orte schuf er Skulpturen – von Philadelphia und St. Louis bis Bochum und Kassel

 27.03.2024

Moskau

Evan Gershkovich bleibt in Untersuchungshaft

Putin will den inhaftierten US-Journalisten gegen russische Gefangene auszutauschen

 26.03.2024

Glosse

Woher stammt der Minderwertigkeits-komplex vieler Schweizer gegenüber Deutschen?

Und was verbindet die Identitätskarte mit der Rappenspalterei?

von Nicole Dreyfus  25.03.2024

Schweiz

Antisemitismus-Problem an Schulen

Die Zahlen sind erschreckend, doch die Stadt Bern wiegelt ab. Und jüdische Eltern verlieren das Vertrauen

von Nicole Dreyfus  24.03.2024

Großbritannien

»Beste Wünsche für eine Refua Schlema«

Oberrabbiner Sir Ephraim Mirvis und das Board of Deputies wenden sich nach ihrer Krebsdiagnose an Prinzessin Kate

 24.03.2024 Aktualisiert

Jubiläum

Mehr als koscheres Pastrami-Sandwich

New York feiert in diesem Jahr seinen 400. Geburtstag. Eine Reise durch die jüdische Geschichte der Stadt

von Hannes Stein  23.03.2024