Interview

»Ich verstehe die, die gehen«

David Saltiel Foto: KIS

Herr Saltiel, bei den griechischen Parlamentswahlen am Sonntag ist die konservative Nea Dimokratia (ND) stärkste Partei geworden. Was bedeutet das für die Juden in Griechenland?
Mehrere Politiker der rechtsextremen Partei LAOS sind in den vergangenen Monaten zur Nea Dimokratia übergewechselt. Wir befürchteten, die Konservativen würden nach rechts rücken und haben das Gespräch mit Parteichef Antonis Samaras gesucht. Er hat uns aber versichert: Auch die neuen Mitglieder werden gegen Rassismus und Antisemitismus eintreten.

Die künftige Regierung steht vor der schwierigen Aufgabe, die Sparbeschlüsse umzusetzen. Welche Folgen hat das für Ihre Gemeinden?
Wir bekommen keine Unterstützung vom Staat, sondern sind ganz auf uns gestellt. Trotzdem ist die Situation unserer Gemeinden sehr schwierig, denn wir beziehen einen beträchtlichen Teil unserer Einkünfte aus Mieten. Doch viele unserer Häuser und Ladenflächen stehen leer. Trotzdem müssen wir Immobiliensteuern bezahlen, die in letzter Zeit sogar erhöht wurden. Ohne fremde Hilfe könnten wir unsere Aufgaben als Gemeinden nicht erfüllen.

Wer unterstützt Sie?
Das American Joint Distribution Committee hat der jüdischen Gemeinde Athen 250.000 Euro gegeben, und die Jewish Claims Conference hilft unseren bedürftigen Holocaustüberlebenden. Auch das American Jewish Committee und Keren Hayesod unterstützen uns. Ich hoffe, dass diese Organisationen uns in den kommenden Monaten weiterhin helfen werden.

Experten warnen, die Grenzen der Belastbarkeit der Griechen seien erreicht. Beobachter befürchten schwere soziale Unruhen. Haben Sie Angst?
Die Selbstmordrate ist gestiegen, viele Menschen wissen weder ein noch aus. Die neue Regierung und die EU sollten schnell reagieren und die Wirtschaft ankurbeln, sonst kann es leicht zu Unruhen kommen. Angst habe ich nicht, aber ich bin besorgt, weil die Rechtsextremen stärker werden. Die Neonazi-Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) hat ihren Wahlerfolg am Sonntag wiederholt und kam erneut auf sieben Prozent der Stimmen. Diese Leute leugnen den Holocaust. Ich hoffe, dass wir bald mit der neuen Regierung zusammentreffen und auf die gefährliche Situation hinweisen können.

Wie sehen Sie die Zukunft der jüdischen Gemeinde im Land?
Wir sind seit 2.000 Jahren hier, in dieser Zeit haben wir viel Schlimmes erlebt, allen voran die deutsche Besatzung. Ich bin mir sicher, dass die jüdischen Gemeinden in Griechenland eine Zukunft haben werden. Aber ich verstehe auch die vielen jungen Menschen, die das Land verlassen, um sich in Israel, den USA oder anderswo eine neue Existenz aufzubauen. Ich versuche nicht, sie zu überreden, hier zu bleiben.

Mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Griechenland sprach Tobias Kühn.

Spanien

Mallorca als Vorbild

Das Stadtparlament von Palma hat eine Antisemitismus-Resolution verabschiedet – anders als der Rest des Landes

von Sabina Wolf  26.07.2024

Sport

Der Überflieger

Artem Dolgopyat ist in Israel ein Star. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio gewann der Turner Gold, 2023 wurde er Weltmeister. Nun tritt er in Paris an

von Martin Krauß  26.07.2024

Europäisches Parlament

»Zittert. Das hier ist nur der Anfang«

Die frisch gebackene französische Abgeordnete Rima Hassan hetzt gegen Israel

von Michael Thaidigsmann  25.07.2024

Ausstellung

Olympioniken im KZ Buchenwald

Auf dem Ettersberg bei Weimar treffen unterschiedlichste Biografien aufeinander

von Matthias Thüsing  25.07.2024

Frankreich

»Man ist schließlich französisch«

Ganz Paris feiert die Olympischen Spiele. Ganz Paris? Nicht alle Juden fühlen sich vom erwünschten »Wir-Effekt« angesprochen. Denn das Land bleibt zerrissen

von Sophie Albers Ben Chamo  25.07.2024

USA

Die zweite Wahl?

Mit dem Rückzug von Joe Biden und der Kandidatur von Kamala Harris könnte das Rennen um die Präsidentschaft noch einmal richtig spannend werden

von Michael Thaidigsmann  24.07.2024

Jüdische Emigration

Die Niederlande - Ein Ort der Zuflucht für Juden?

Die Historikerin Christine Kausch nimmt das Leben jüdischer Flüchtlinge in den Blick

von Christiane Laudage  24.07.2024

Vor 80 Jahren

Von Rhodos nach Auschwitz

1944 wurden 2000 Jüdinnen und Juden von Rhodos nach Auschwitz deportiert. Nur wenige überlebten

von Irene Dänzer-Vanotti  23.07.2024

Jerusalem

Nach Gaza entführter Holocaust-Experte für tot erklärt 

Der Historiker Alex Dancyg ist in der Geiselhaft umgekommen

 22.07.2024