Interview

»Ich bin besorgt«

Herr Querub Caro, Sie sind seit April Präsident der Dachorganisation der Juden in Spanien. Welche Themen wollen Sie setzen?
Wir möchten die jüdische Erziehung verbessern, in jeder Gemeinde soll es einen Rabbiner geben. Wir haben Kontakt aufgenommen mit den Oberrabbinern Israels, um in Spanien ein Beit Din zu etablieren. Damit könnten wir über die Anträge von Nachfahren der Zwangskonvertiten entscheiden, die zum Judentum übertreten wollen.

Und was steht auf Ihrer politischen Agenda?
Wir wollen entschieden gegen Antisemitismus und antijüdische Vorurteile angehen und uns aktiv für die Interessen Israels einsetzen. Der neue Vorstand unseres Verbands bezeichnet sich als zionistisch. Wir meinen, dass in Spanien die Informationen über den Nahostkonflikt manipuliert werden und das Bild Israels verfälscht wird. Das erzeugt antiisraelische und antijüdische Vorurteile in der Gesellschaft. Die Regierung ist sich dieses Problems inzwischen bewusst.

Die jüdische Gemeinschaft in Spanien ist sehr klein. Ist die drohende Assimilation ein Problem für Sie?
Wie auch schon in meiner Zeit als Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Madrid ist die Erziehung mein wichtigstes Anliegen. Das jüdische Volk existierte heute nicht, wenn wir nicht so ein großes Gewicht auf die Erziehung der jungen Generationen gelegt hätten. Die Kenntnis unserer Geschichte, Schriften, ethischen Werte und unserer Situation als Minderheit ist sehr wichtig.

Wie viele Juden gibt es in Spanien?
Sicherlich weniger als 100.000. Nicht alle schreiben sich bei den Gemeinden ein, deshalb ist das schwer zu sagen. Ich denke, es sind 40.000 bis 50.000, aber wir haben keine genauen Zahlen.

Soeben hat der Oberste Gerichtshof ein Urteil gegen vier Neonazis aufgehoben, die wegen Verbreitung antijüdischer Schriften vom Landgericht Barcelona mehrjährige Haftstrafen erhalten hatten.
Ja, ich bin sehr besorgt über das Urteil. Und ich glaube, dass diese Sorge von vielen Richtern in Spanien geteilt wird, allen voran vom Staatsanwalt des Landgerichts Barcelona und vom Richter des Obersten Gerichtshofs, der ein abweichendes Urteil gefällt hat.

Wie erklären Sie sich die Entscheidung?
Man hat den Eindruck, dass entweder der spanische Gesetzgeber kein Geschichtsbewusstsein hat, weil versäumt wurde, Gesetze zu erlassen, die derartige Urteile verhindern. Oder aber die Richter haben die Gesetze nicht richtig angewendet, denn die Gesetzgebung setzt sehr wohl Grenzen der Meinungsfreiheit, etwa bei Volksverhetzung. Allerdings hat die spanische Regierung immer noch nicht deutlich genug die Forderung der EU umgesetzt, Volksverhetzung und die Leugnung der Schoa unter Strafe zu stellen.

Ihr Verband hat eine Presseerklärung zum Urteil verschickt. Verschaffen Sie sich genügend Gehör in der Öffentlichkeit?
Wir haben auch ein Gespräch mit dem Innenminster und dem Generalstaatsanwalt beantragt. Außerdem rufen wir alle jüdischen Verbände in der Welt dazu auf, uns bei dieser Kampagne zu unterstützen. Diesem Urteil fehlt der gesunde Menschenverstand. Es legalisiert Rassenhass. In einem demokratischen Staat sollte so etwas nicht passieren.

Mit dem neuen Vorsitzenden des Verbands der jüdischen Gemeinden Spaniens (FCJE) sprach Uwe Scheele.

Iran

Esthers Kinder

Wie die älteste Diaspora-Gemeinschaft 2700 Jahre überlebte – und heute erneut um ihre Existenz kämpft

von Stephen Tree  16.07.2025 Aktualisiert

Interreligiöser Dialog

»Das ist Verrat«

Ein Imam aus den Niederlanden nahm an einer Reise muslimischer Geistlicher nach Israel teil - prompt verlor er seinen Job

von Michael Thaidigsmann  15.07.2025

USA

Düsterer »Nice Jewish Boy«

Seinen ersten Kinofilm sah Ari Aster im Alter von vier Jahren und ist fast daran gestorben. Als junger Hollywood-Regisseur mischt er nun das Horror-Genre auf

von Sarah Thalia Pines  14.07.2025

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

Philosophie

Der Moment des Staunens

Am 13. Juli jährt sich der Geburtstag von Jeanne Hersch zum 115. Mal. Lange wurde die Existentialistin ausgerechnet von der akademischen Forschung marginalisiert – und kaum als jüdische Philosophin wahrgenommen

von Richard Blättel  11.07.2025

Spanien

»Haut ab, ihr Hurensöhne« - Wirt vertreibt Israelis

Ein Gastwirt rastet gegenüber einer Gruppe israelischer Touristen aus, beschimpft sie und verweist sie des Lokals

von Michael Thaidigsmann  11.07.2025

Nachruf

Er bleibt eine Inspiration für uns alle

Der langjährige Zürcher Gemeinderabbiner Marcel Ebel ist verstorben. Eine Würdigung von seinem Nachfolger

von Rabbiner Noam Hertig  10.07.2025

Australien

Judenhass in Down Under

Mit unerwarteter Brutalität und Hemmungslosigkeit breitet sich der Antisemitismus im Land aus. Doch die jüdische Gemeinschaft gibt nicht auf

von Amie Liebowitz  10.07.2025

Großbritannien

BeTe’avon!

Das Jewish Museum London bittet britische Juden um Rezepte fürs Schabbatessen. Auf der Suche nach dem, was schmeckt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.07.2025

USA

Die US-Regierung, Trump und der Fall Jeffrey Epstein

Trump wollte die Akten zum Sexualstraftäter Epstein veröffentlichen, seine Mitarbeiter verbreiteten Verschwörungstheorien. Nun wollen sie davon nichts mehr wissen - das macht einige Trump-Fans wütend

von Benno Schwinghammer  09.07.2025