Schweiz

Held und Mythos

In der Schweiz findet man kaum eine größere Stadt ohne eine General-Guisan-Straße. Der schneidige Held aus dem Zweiten Weltkrieg, dessen Bild bis vor wenigen Jahren noch in vielen Wirtshäusern hing, ist in der Eidgenossenschaft noch immer sehr präsent, vor allem in diesem Jahr, in dem sich der Tod von Henri Guisan (1874–1960) zum fünfzigsten Mal gejährt hat.

Für viele Schweizer ist der General auch heute noch ein Held, denn er habe – so die landläufige Meinung – allein schon durch sein Auftreten die Nazis abgeschreckt und damit das kleine Alpenland aus dem Krieg herausgehalten. Das Schweizer Parlament wählte den 65-jährigen Berufssoldaten kurz vor Ausbruch des Krieges im August 1939 zum General – ein Großereignis, weil es diesen Rang nur in Kriegszeiten gibt.

Rütlirapport Guisan vereinigte den Abwehrwillen der Schweiz wie keine andere Gestalt jener Jahre. Er verdankt diesen Ruf vor allem einer einzigen Aktion: dem symbolträchtigen Rütlirapport im Juli 1940. Nach der Kapitulation Frankreichs ruft er seine Offiziere auf die berühmteste Wiese des Landes und schwört sie darauf ein, die italienischen Faschisten und die deutschen Nationalsozialisten abzuwehren.

Auch den Antisemitismus soll Guisan auf dem Rütli unzweideutig und klar verurteilt haben – so die Legende. Nicht wenige in der eingeschlossenen jüdischen Gemeinschaft jener schicksalhaften Wochen richten sich an diesen angeblichen Worten Guisans auf und schöpfen wieder Zuversicht in einer fast aussichtslos erscheinenden Situation. Allerdings haben die Historiker längst herausgefunden, dass Guisan so etwas nie gesagt hat. »Allenfalls hat man damals aus einer Passage, in der der General die Schweiz auch als Hort der Freiheit für alle Religionen pries, abgeleitet, dass er sich für die Juden einsetzte«, sagt der Journalist Markus Somm, der kürzlich eine neue Guisan-Biografie veröffentlicht hat.

Mussolini Dass Guisan keine großen Sympathien für die braunen Herren in Berlin bekundete, ist wohl sicher richtig. Ihn einen Philosemiten zu nennen, wird dem Mann aber sicher nicht gerecht. Der aus der ländlichen Umgebung von Lausanne stammende Guisan, der auch Landwirt war, zeigte in den 30er-Jahren nämlich klare Sympathien für autoritäre Bewegungen – und auch für den »Duce« Mussolini. All dies sind Indizien, die nicht mit einer Hinwendung zur jüdischen Minderheit vereinbar scheinen. Kommt dazu, dass Guisan sich in offenbar eindeutigem Tonfall einmal bei Untergebenen erkundigte, warum »ein gewisser Jude« noch immer im Armeefilm-Archiv arbeite, der General also durchaus in rassistischen Kategorien denken konnte. Zudem beschreibt Biograf Somm, dass Guisan »das Problem der jüdischen Flüchtlinge an der Grenze fast ausschließlich aus militärischer und nie aus menschlicher Sicht gesehen« habe.

Dennoch genießt der General bis heute in der jüdischen Gemeinde einen guten Ruf. »Er war der richtige Mann am richtigen Ort«, meint Max Wyler, ein 95-jähriger Viehhändler aus dem Zürcher Oberland, der damals in der Schweizer Kavallerie diente. Sein Sohn Ariel, selbst Offizier der Schweizer Armee, sieht es kaum anders: »Guisan war ein großer Staatsdiener«, der sich »durchaus als Vorbild« eigne. Allerdings kennen ihn heute nur noch die wenigsten Schweizer Jugendlichen – und da macht es keinen Unterschied, ob sie jüdisch oder nichtjüdisch sind.

Australien

Brandanschlag auf Auto eines Rabbiners in Melbourne

Kurz nach dem Terroranschlag am Bondi Beach geht im Süden Australiens ein Fahrzeug mit »Happy Chanukah!«-Schriftzug in Flammen auf

 25.12.2025

Australien

Mann solidarisiert sich mit Sydney-Attentätern – Festnahme

Bei dem Verdächtigen wurden Einkaufslisten für den Bau einer Bombe und Munition gefunden. Es erging bereits Anklage

 24.12.2025

Meinung

Die Columbia und der Antisemitismus

Ein neuer Bericht offenbart: An der US-Eliteuniversität sind die Nahoststudien ideologisch einseitig und jüdische Studenten nicht sicher. Es ist ein Befund, der ratlos macht

von Sarah Thalia Pines  22.12.2025

Frankreich

Jüdische Kinder vergiftet, aber Antisemitismus spielt keine Rolle

Ein Kindermädchen, das ihre jüdischen Arbeitgeber vergiftet hatte, wurde nun in Nanterre verurteilt - allerdings spielte ihr Antisemitismus im Urteil keine Rolle. Das sorgt für Protest

 22.12.2025

Australien

Gedenken am Bondi Beach – Forderung nach Aufklärung

Kerzen, Schweigen, Applaus und Buh-Rufe: Am Strand in Sydney trauern Tausende um die Opfer des Anschlags. Was die jüdische Gemeinde und Australiens Politik jetzt fordern

 22.12.2025

Belgien

IS droht mit Anschlägen auf Synagogen und Kirchen

Die Hintergründe

 18.12.2025

Sydney

Jüdische Bäckerei schließt wegen Antisemitismus

Nach Jahren der Anfeindungen und dem schwersten antisemitischen Anschlag auf australischem Boden hat eine beliebte jüdische Bäckerei für immer geschlossen

 18.12.2025

Strassburg

Glühwein und Kippa

In der selbst ernannten »Weihnachtshauptstadt« lebt eine traditionsbewusste jüdische Gemeinde. Wie passt das zusammen? Eine Reise zu koscheren Plätzchen und Pralinen mit »Jahresendgeschmack«

von Mascha Malburg  23.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Weitermachen oder die jüdische Resilienz

Verfolgung, Exil und Gewalt konnten es nicht brechen: Die Widerstandsfähigkeit des jüdischen Volkes prägt seine Geschichte bis heute

von Nicole Dreyfus  18.12.2025