Frankreich/Schweiz

Gipfel am Oberrhein

Ein jüdisches diplomatisches Korps? Auf einem Weltgipfel? Das klingt nach offizieller Politik. Der Jüdische Weltkongress (WJC) hatte an den Oberrhein geladen, und es kamen nicht altgediente Diplomaten, sondern junge Juden aus aller Welt. In Straßburg und Basel fand von Sonntag bis Mittwoch der erste »Jewish Diplomatic Corps Global Summit« statt.

Auswahl Das Jewish Diplomatic Corps (JDC) besteht seit zehn Jahren. Als Teil des WJC ist seine Aufgabe, weltweit motivierte Vertreter für jüdische Interessen zu mobilisieren. 192 Mitglieder aus 43 Staaten sind es, die bisher den strengen Auswahlkriterien genügen konnten und zu einem »JD«, einem jüdischen Diplomaten, geworden sind. Engagement und vor allem die Empfehlung der jüdischen Gemeinden und Organisationen vor Ort gelten als Maßstäbe. »Wir wollen nur die Besten«, sagt Marc Pozniak, der das Komitee zur Auswahl der Mitglieder leitet, denn man habe Großes mit ihnen vor: Sie sollen die künftige Führung der jüdischen Gemeinden und Organisationen bilden.

Rund 160 Mitglieder hatten sich auf den Weg nach Straßburg und Basel gemacht. Beide Orte waren bewusst gewählt: In Straßburg tagt nicht nur das Europaparlament, dort sitzt ebenso der Europarat, der Wächter über Menschen- und Minderheitsrechte für den ganzen Kontinent. Und Basel wiederum ist der Ort, an dem 1897 der erste Zionistenkongress stattfand.

Europarat Das Programm des Treffens spiegelte die jeweilige Bedeutung der Städte wider. In Straßburg ließen sich die jungen Diplomaten zunächst im Europarat über die Herausforderungen durch den Flüchtlingszuzug in Europa unterrichten. Zur Sprache kam die wachsende Sorge in den jüdischen Gemeinden über Rassismus, Intoleranz und um ihre Sicherheit. Am Nachmittag zogen sich die Mitglieder ins Kongresszentrum zurück. Ein Vortrag des Vertreters der EU für den Friedensprozess im Nahen Osten, Fernando Gentilini, eröffnete die Gelegenheit, Fragen an den erfahrenen Diplomaten zu richten.

Workshops wie ein Führungstraining, organisiert von den Mitgliedern selbst, boten Einblicke in die Medien- und Lobbyarbeit auf diplomatischer Ebene: Wie etwa vertritt man seine Interessen gegenüber nationalen Regierungen oder den Botschaftern in den Vereinten Nationen? Themen wurden dabei berührt, die durchaus zu Kontroversen führten, die aber ebenso offen wie respektvoll ausgetragen wurden. Denn auch darum ging es bei diesem Weltgipfel: das Gefühl einer globalen Gemeinschaft zu vermitteln, selbst wenn die Bedürfnisse und Sorgen der Gemeinden etwa in Albanien mit 80 Mitgliedern und der in Frankreich mit 600.000 sehr unterschiedlich sind.

Schon am Abend des zweiten Tages konnte Robert Singer noch in Straßburg feststellen: Mission erfüllt. »Nicht die Tatsache, dass die jungen Juden aus der ganzen Welt zu einer gemeinsamen Basis finden werden, hat mich überrascht, sondern die Geschwindigkeit, in der das geschah«, zeigte sich der WJC-Geschäftsführer erfreut. Obwohl der äußere Anlass nicht nur ein Grund zur Freude ist: »Das Erstarken extremer Parteien, links wie rechts, und des Islamismus – das ruhige Leben ist definitiv vorbei, so jedenfalls nehmen es viele Juden heute weltweit wahr.«

Erfahrung Auch für Jonathan Kreutner war das Gefühl, nicht allein in der Welt zu stehen, die schönste Erfahrung auf dem Weltgipfel. Der 37-jährige Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes ist besonders beeindruckt von dem Engagement der vielen freiwilligen jüdischen Diplomaten, die im Gegensatz zu ihm ihren Lebensunterhalt nicht als, wie er sagt, »Berufsjuden« verdienten. Der Kreis derer, die sich engagieren, wird kleiner und älter, die Jungen sind nur noch schwer an Organisationen zu binden, weiß auch Kreutner zu berichten. Hier aber konnte man spüren, »dass man Teil einer globalen jüdischen Kampagne ist«.

Umso schöner, dass am Dienstag der Kongress nach Basel weiterzog, um diesen Gemeinschaftsgeist zu beschwören. Am historischen Ort zum historischen Datum sprach Ronald Lauder zu den jungen Diplomaten, bald 120 Jahre nach Herzls Traum und genau 80 Jahre nach der Gründung des Jüdischen Weltkongresses. »Ich habe das Gefühl, in die Zukunft der Juden zu blicken in einer Stadt, die so bedeutend für unsere Vergangenheit war«, sagte der Präsident des WJC und machte deutlich, wie wichtig ihm das Jewish Diplomatic Corps ist. So wichtig, dass er seine Mitgliederzahl in den kommenden Jahren auf 500 erhöhen will.

USA

Unsicher in New York

Zohran Mamdani ist der mögliche nächste Bürgermeister der Metropole – und für viele Juden ein Problem

von Mark Feldon  30.10.2025

Schweiz

»Ich werde Selbstmordattentäter diese Nacht«

Ein 51-jähriger Mann plante Messerangriff auf Juden und wurde im letzten Moment von der Polizei festgenommen. Nun stand er vor Gericht

von Nicole Dreyfus  30.10.2025

Barcelona

Mordverdacht: Ermittlungen gegen Sohn von Mango-Gründer

Spanischen Medienberichten zufolge sind die Umstände des Todes des Modeunternehmers Isak Andic im Dezember 2024 noch nicht geklärt. Doch es gibt einen Verdacht

 30.10.2025

München

Europäische Rabbiner sagen Baku-Konferenz aus Sicherheitsgründen ab

Rund 600 Teilnehmer aus aller Welt sind angemeldet. Viel Geld war in die Vorbereitung geflossen

von Imanuel Marcus, Mascha Malburg  28.10.2025 Aktualisiert

Meinung

Antisemitismus der Anständigen

Judenhass in der Schweiz ist brandgefährlich, weil er so höflich und diskret daherkommt

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.10.2025

Meinung

Die SP im moralischen Blindflug

Mit zwei widersprüchlichen Resolutionen beweist die Sozialdemokratische Partei der Schweiz einmal mehr ihre ethische Orientierungslosigkeit

von Nicole Dreyfus  27.10.2025

USA

Der reichste Mann der Welt – für einen Tag

Larry Ellison gehört zu den Großen des Silicon Valley und hält Künstliche Intelligenz für die wichtigste Erfindung der Menschheit

von Sara Pines  26.10.2025

Nachruf

Letzter Kämpfer des Aufstands des Warschauer Ghettos gestorben

Michael Smuss wurde 99 Jahre alt

 24.10.2025

Wien

Nobelpreisträger warnt vor technischer Abhängigkeit von den USA

Joseph E. Stiglitz kritisiert Präsident Trump und ruft Wissenschaft und Medien zur Verteidigung der Medienfreiheit weltweit auf

von Steffen Grimberg  24.10.2025